Persönlichkeit

Warum unser Gehirn Spaß braucht, oder Hawking und ich

Mysterien und Naturwissenschaft

Seit ich vor zwei Monaten meinen ersten Blog online gestellt habe, muss ich feststellen, dass es zwei Themenbereiche gibt, die auf ganz besondere Resonanz stoßen: zum einen sind das die Artikel, die sich mit Fliegen, Flugzeugen und Flugsicherheit beschäftigen. Ich muss zugeben, ich kann das sehr gut verstehen. Fliegen ist auch für mich nach über zwanzig Jahren in der Branche etwas Faszinierendes. Ja, ich habe mich mit Aerodynamik beschäftigt, aber dieser Moment, wenn dieser riesige, Tonnen schwere Blechvogel Vollgas gibt, alles rattert und vibriert und plötzlich hebt er ab, elegant und schwerelos… Das ist für mich bis heute jedesmal besonders, irgendwie etwas mysteriös und unfassbar. Oder wie Piloten es mir immer wieder augenzwinkernd erklären: “It’s magic!”

Der zweite Themenbereich, der auf besonderes Interesse stößt, ist sicher nicht minder unfassbar und mysteriös: das menschliche Gehirn scheint viele von euch genau so zu faszinieren, wie mich. Je intensiver ich mich mit unserer Blackbox da oben auseinandersetze, desto größer wird auch meine Faszination. Es gibt zwei Aspekte rund um unser Gehirn, die mich gelegentlich fast in eine Art Demut vor der Schöpfung versetzen: erstens ist es das unglaubliche Zusammenspiel zwischen unseren unterschiedlichen Gehirnregionen, das uns so erfolgreich durch die Evolution getragen hat und zweitens ist es der Umstand, dass die Speicherkapazität unserer Festplatte da oben nicht begrenzt ist. Ja meine Damen und Herren, im Gegensatz zu euren hochtechnisierten Endgeräten jeder Marke, wird euer Gehirn euch niemals melden, dass ihr jetzt eure Speicherkapazitäten erschöpft habt. Warum das so ist, damit möchte ich mich in den nächsten Minuten beschäftigen. Aber vor allem möchte ich mich damit beschäftigen, welche Rolle der Spaß, oder positive Emotionen überhaupt, für unsere Gehirne und deren Lernfähigkeit spielen.

Die Idee des lebenslangen Lernens

Wenn man sich fragt, wann und wo wir lernen, kommen einem als erstes die altbekannten Institutionen wie Schule, Universität und weitere Ausbildungsinstitutionen wie Berufsschulen in den Sinn. Gräbt man tiefer, wird einem klar, dass hier nur ein Bruchteil unseres Lernen stattfindet. Denn vielmehr ist es so, dass wir immer und permanent dazulernen, zum Teil unbewusst (durch neue Erfahrungen und unbekannte Situationen), zum Teil bewusst (durch das Lesen von Büchern verbunden mit persönlichem Interesse, durch Hobbies, die Auseinandersetzung mit anderen Menschen). Obwohl es für den Begriff des lebenslangen Lernens nie eine offizielle, allgemein gültige Begriffsdefinition gab oder gibt, fasst der Begriff des lebenslangen (oder lebensbegleitenden) Lernens beide Teilbereiche zusammen. Erstmals thematisiert wurde dieses Konzept im Jahr 1962 auf der damaligen UNESCO-Konferenz in Hamburg. Die Europäische Union hat genau das im Jahr 1996 wieder aufgegriffen und dieses Jahr auch zum europäischen Jahr des lebensbegleitenden Lernen gemacht. Ziel war es, Menschen zu individuellem und selbstbestimmtem Lernen anzuregen und sie somit zu einer optimalen Bewältigung aller Lebensherausforderungen zu ermächtigen. Gute Idee, wie ich finde.

Die Forschungsergebnisse, die diesem Konzept zu Grunde liegen, sind dass unser Gehirn nicht nur immer weiter lernen kann, sondern auch muss, um sich immer weiter sicher in unserer Umwelt orientieren zu können. Fehlende Orientierung kann im schlimmsten Fall sogar zu psychischen Problemen führen, auf jeden Fall aber zu Unsicherheit, Überforderung und Stress, weshalb das lebenslange Lernen auch in der heutigen Unternehmenslandschaft eine immer größere Rolle spielt. Unternehmen sind gut beraten, die Weiterbildung oder Weiterentwicklung ihrer Mitarbeiter zu unterstützen und zu fördern, denn unsichere, gestresste und überforderte Mitarbeiter werden wohl kaum in der Lage sein, kreative, schnelle und außergewöhnlicher Ergebnisse zu liefern.

Die Physiologie des Lernens

Aber was ist denn nun eigentlich Lernen, physiologisch gesehen? Und was hat das alles mit Spaß zu tun?

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…’cause girls just wanna have fun…

Gestern das Gehirn mal auf ein Gläschen Sekt eingeladen, nur so zum Spaß!

Wenn wir uns mit der Physiologie des Lernens beschäftigen, kommen wir um einige Eckdaten rund um unser Gehirn nicht herum. Unser menschliches Gehirn besteht aus etwa 100 Milliarden Neuronen. Diese Basisausstattung haben alle Gehirne dieser Welt gemeinsam, meines, wie auch das von Stephen Hawking. Leider muss ich aber hier unumwunden zugeben, dass mein, wie ich finde recht solide arbeitendes, Gehirn nicht annähernd die Kapazitäten aufweist, wie es das des genialen Physikers Hawking aufwies. Kommen wir also zu den Unterschieden und dem, was im Endeffekt unser Wissen ausmacht.

Unsere Neuronen sind mit sogenannten Nervenfortsätzen (den Dendriten) und Achsenzylindern (den Axon) ausgestattet. Das sind im Prinzip die Sender und Empfänger unserer Neuronen. Lernen bedeutet vor allem, zwischen diesen Sendern und Empfängern ein möglichst großes und komplexes Netz an neuronalen Verbindungen im Gehirn aufzubauen, welches keine Grenzen oder Limits hat. Den Begriff der Synapse kennt der ein oder andere sicher noch aus dem Bio-Unterricht (oder ganz aktuell aus dem Home-Schooling unkontrollierbarer Teenager). Das ist es also, was meine Blackbox von der von Stephen Hawking unterscheidet. Es ist davon auszugehen, das Hawkings Netz an neuronalen Verknüpfungen deutlich komplexer war, als es bei mir der Fall ist. Der Umstand, dass ich noch am Leben bin, treibt mich jedoch gelegentlich in eine leichte Form des Größenwahns, denn immerhin habe ich noch die realistische Chance, ein wenig aufzuholen. Vielleicht deshalb, oder auch einfach nur, weil es mir als Trainer wichtig ist, ein gutes und nachhaltiges Training zu gestalten, habe ich begonnen, mich damit auseinander zu setzen, was ich dazu beiragen kann, dass das Bilden von neuen neuronalen Verbindungen bestmöglich unterstützt wird.

Optimiertes Lernen

Jetzt kommen wir also endlich zum Spaß für unser Gehirn. Damit sich eine neue neuronale Verbindung in unserem Gehirn überhaupt bilden kann, benötigen wir sogenannte Neurotransmitter. Eine Voraussetzung dafür, dass sich diese Neurotransmitter in unserem Gehirn bilden, ist das Vorhandensein von Endorphinen, körpereigenen Opiaden, die wir auch gerne als Glückshormone bezeichnen. Wie der Name Glückshormon nahelegt, spukt dieses Hormon auch nur durch unser Gehirn, wenn wir uns wohl fühlen, glücklich sind, Spaß haben. Auch wenn ich das jetzt alles sehr vereinfacht dargestellt habe, ist es Fakt, dass wir ohne Glückshormone nicht lernen! Funktioniert nicht! Punkt!

Was dieses Wissen für mich als Trainer bedeutet, ist recht simpel: meine Workshops müssen Thematiken behandeln, die meine Teilnehmer spannend finden, ich muss für Abwechslung, Interaktion und Spaß sorgen und vor allem sollte ich dafür Sorge tragen, dass in meinem Lahrsaal eine von Vertrauen und Sicherheit geprägte Arbeitsatmosphäre herrscht. Ja, ich weiß, wir sprechen von Schulungsereignissen und nicht von Wellnesstagen. Aber wenn ich möchte, dass meine Schulungen nachhaltig sind, ist das der beste und einfachste Weg!

Spannender finde ich, den Fokus ein wenig zu erweitern und weg von meinen Trainings und Workshops zu schauen, was diese Erkenntnisse im Blick auf das Thema Personalentwicklung bedeuten. Die für mich wichtigste Erkenntnis ist, dass das der sichere Tod für alle Schulungen nach dem Gießkannenprinzip sein muss. Ja, natürlich kann ich ein Kommunikations- oder Teambuildingseminare anbieten, für alle Mitarbeiter einer Abteilung oder eines Unternehmens. Wahrscheinlich sollte ich das sogar unbedingt tun, um eine gemeinsame Basis zu schaffen. Ich muss mir dabei aber bewusste sein, dass diese Maßnahmen zwar Wissen schaffen, aber Maßnahmen zur wirklichen Weiterentwicklung eines Mitarbeiters sollten deutlich individueller und bedarfsorientierter sein. Im besten Fall gibt hier sogar der betreffende Mitarbeiter den Weg vor. So kann ich mir als Unternehmen dann auch sicher sein, dass die entsprechenden Maßnahmen auf den denkbar fruchtbarsten Boden fallen und nicht im Nirvana verpuffen.

Unternehmenskultur für glückliche Gehirne

Der mit Abstand spannendste Aspekt rund um unser neuronales Spaßbedürfnis ist für mich jedoch schließlich der direkte Zusammenhang mit dem von mir so geliebten Thema der Unternehmenskultur. In Anbetracht der Tatsache, dass unser Gehirn eigentlich mal darauf ausgelegt war, sich in steinzeitlichen Höhlensystemen zu orientieren, ist es unfassbar, wo unser Gehirn uns gesellschaftlich, technologisch, kulturell und persönlich hinkatapultiert hat. Alles das haben wir der Lernfähigkeit und dem Lernwillen unseres Gehirns zu verdanken. Auf der anderen Seite bedeutet das aber auch, dass, wenn wir unserem Gehirn die Möglichkeit zu lernen und sich weiterzuentwickeln nehmen, wir auch die Orientierung verlieren, uns zurückziehen, ab in in Höhle. Ein Zustand, den ich als Unternehmen bei meinen Mitarbeiter keinesfall antriggern sollte, z.B. durch das (vielleicht sogar bewusste) Streuen von Angst oder Unsicherheit (beides frisst gnadenlos auch das letzte einsame Endorphinchen auf). De Facto sollte ich diesen Zustand sogar tunlichst verhindern. Hierbei halte ich es für empfehlenswert, sich total altmodisch an der Bedürfnispyramide nach Maslow zu orientieren. Der gute Abraham Maslow hat schon in den 1940er Jahren verdammt anschaulich dargestellt, was das Gehirn so unter Spaß versteht. In seiner Bedürfnispyramide kommt direkt auf Stufe zwei das Sicherheitsbedürfnis. Der Mensch, und somit auch der Arbeitnehmer, möchte sich als aller erstes sicher fühlen (und sicher ist hier eben das Gegenteil von ängstlich). Dieses Sicherheitsgefühl, dass die Harvardprofessorin Amy Edmondson in diesem Zusammenhang als Psychological Safety beschreibt, ist die Basis meiner Entwicklungs- und Leistungsfähigkeit. Diese Sicherheit wird auch nicht durch ausschweifende Weihnachtsfeiern oder Teamevents ersetzt. Das kommt nach Maslow nämlich erst auf Stufe drei, der Stufe, in der es um soziale Bedürfnisse geht. Maslows Stufe vier geht direkt an alle Chefs: Wertschätzung! So einfach, aber irgendwie auch so kompliziert! Wenn ich mich als Unternehmen schließlich um diese drei Stufen gekümmert habe, sind die Gehirne meiner Mitarbeiter optimal auf Weiterentwicklung und dazulernen eingestellt und davon profitiere ich als Unternehmen ungemein.

Mmmmmm…. Vielleicht hatte Hawking am Ende einfach nur das Glück, dass sein Endorphinhaushalt nie von Wirtschaftsunternehmen beeinflusst wurde! Wie dem auch sei, mein Gehirn möchte jetzt ein Gläschen Wein, glaube ich. Es erzählt irgendetwas von Spaß… Es sagt es ist Sonntag!

Eure Constance

"Hab ich's dir nicht gesagt?!" mfG, dein Bauchgefühl

Das war ja klar…

Jeder kennt diesen Moment… Das Bauchgefühl hat deutlich gewarnt, der Kopf hat gesagt, dass Bauchentscheidungen unprofessionell sind und alles ging gehörig in die Hose. Was bleibt ist dieses “ach hätte ich doch auf den Bauch gehört” und die Gewissheit, dass man dieses Gefühl wahrscheinlich auch beim nächsten Mal zu Gunsten unserer Ratio ignorieren wird. Bauchgefühle und Intuitionen sind eben einfach nicht zeitgemäß, esoterischer Hokuspokus!

Hokuspokus, doch real?

Interessant finde ich aber, dass wir alle ganz genau wissen, wie sich dieser Hokuspokus anfühlt, weil wir ihn alle kennen. Diese Gefühl ist so gegenwärtig, dass man sich ruhig einmal fragen darf, ob dieses Bauchgefühl vielleicht doch etwas ganz Reales ist, viel greifbarer, als wir alle denken. Meine kleinen, laienhaften Ausflüge in die Wissenschaft sind ja inzwischen hinlänglich bekannt. Weil diese Ausflüge einfach so unglaublich viel erklären, möchte ich auch meinen Beitrag zum Bauchgefühl und wie wir es vielleicht für uns nutzen können, anstatt es zu ignorieren, mit einem Ausflug in die Wissenschaft beginnen.

Von dieser dichten Anzahl an Nervenzellen in unserem Kopf, die wir Gehirn nennen, habe ich ja schon häufiger berichtet! Das kennen wir, auch wenn wir es manchmal nicht so wirklich verstehen. Eine weitere Ansammlung von Nervenzellen ist das Rückenmark. Auch davon haben wir alle gehört. Es gibt aber noch ein drittes Nervensystem in unserem Körper, das den meisten so nicht bekannt ist. Dieses System nennt sich enterisches Nervensystem (ENS), oder auch einfach Bauchhirn und befindet sich, wie der Name schon sagt, im Bauch. Genauer gesagt befindet es sich als dünne Schicht zwischen den Muskel des gesamten Verdauungstraktes. Es arbeitet, wie unser Kopfhirn auch mit Neurotransmittern und besteht aus etwa 100 bis 200 Millionen Nervenzellen. Das ist eine Menge, wenn man bedenkt, dass Hunde (die ja durchaus als intelligent gelten) etwa 160 Millionen Nervenzellen in ihrer “Kopfhirnrinde” haben.

Ist unser Bauch also in etwa so klug wie ein Schäferhund? Sind Schäferhunde in der Lage, gefährliche Situationen im Vorfeld zu erkennen? Das wären so die Fragen, mit welchen man anfangen könnte, diesen Hokuspokus zu erklären.

Das enterische Nervensystem

Ursprünglich ging man davon aus, dass das ENS für die Verdauung verantwortlich ist. Es arbeitet hierbei vollkommen autonom. Oder ist es jemanden von euch schon einmal gelungen, seine Verdauung über sein Gehirn oder seine Willenskraft zu beeinflussen? Eben! Es macht was es will. Inzwischen hat die Forschung jedoch herausgefunden, dass dieses Bauchhirn zwar autonom arbeitet, aber doch nicht so ganz unabhängig ist. Es gibt eine Verbindung oder Datenautobahn zwischen unserem Kopf- und unserem Bauchhirn. Interessant hierbei ist, dass etwa 90 Prozent aller Infos von unten nach oben gehen. Diese, recht einseitig genutzte Datenautobahn ist wohl Teil des Vagusnervs, unser Ruhenerv, der seine Informationen direkt in unser Gefühlshirn, das Limbische System, liefert. So nimmt unser Bauchhirn auch direkt Einfluss auf unsere Gefühle, unser Wohlbefinden. Einige Wissenschaftler vermuten nun, dass unser Bauchhirn, ähnlich wie unser Kopfhirn, Empfindungen speichert und immer wenn es darum geht, eine Entscheidung zu treffen, sucht der Kopf nach ähnlichen Situationen und überprüft die dazu gespeicherten Gefühle, nicht nur die im Kopf, sondern auch die im Bauch. Die Entscheidung trifft am Ende der Kopf, aber tatsächlich scheint unser enterisches Nervensystem ein wichtiger Teil des Entscheidungsfindungsprozesses zu sein.

Die große Frage ist nun, was mache ich, als Mensch, jetzt aus diesem Wissen um mein kleines Zweithirn? Möglichkeit eins wäre, einfach weiterhin mein Bauchgefühl zu ignorieren, weil Intuition ja esoterisch und wenig professionell ist und Möglichkeit zwei wäre, immer schön den Bauch entscheiden lassen, dann muss man weniger denken.

Holen wir an dieser Stelle nochmal unseren Freund den Hund aufs Spielfeld, wäre das in etwa so: Auf dem Spaziergang weigert sich unser Hund mit allem was er hat, einen bestimmten Weg entlang zu laufen. Geben wir den Instinkten unseres Hundes hier immer nach, würde wir gegebenenfalls nie mehr nachhause kommen, statt dessen beim lokalen Metzgereibetrieb landen. Ignorieren wir die Instinkte unseres Hundes konsequent, geraten wir womöglich in einen Hinterhalt und werden ausgeraubt. Beides nicht wirklich zielführend.

Es muss also irgendwie noch eine dritte Option geben. Ich persönlich bin kein Freund davon, Instinkten oder Bauchgefühlen blind zu folgen, vielmehr glaube ich, es ist gut, mein Bauchgefühl bewusst zur Kenntnis zu nehmen und dann ganz bewusst nachzuforschen, woher es kommt, um danach eine Entscheidung zu treffen, unter Berücksichtigung aller mir zur Verfügung stehenden Ressourcen. Vielleicht hat mein Hund ja auch einfach nur eine total irrationale Angst vor roten Bällen und irgendwo versteckt hinter einer Mülltonne liegt einer… Keine Gefahr für mich und der Hund muss da eben durch!

Bauchgefühl und Selbstschutz

Dieses Bauchgefühl kann uns in vielen Bereichen unseres Lebens, beruflich wie privat, gute Dienste leisten. Im Rahmen unserer Deeskalations- und Selbstschutzschulungen arbeiten mein Co-Trainer und ich tatsächlich sogar bewusst damit. Unsere Workshops haben für gewöhnlich einen ein bis zweitägigen zeitlichen Umfang. Machen wir uns nichts vor, in dieser Zeit bildet man niemanden zum versierten Kämpfer in Sachen Selbstverteidigung aus. Anbieter, die etwas derartiges versprechen, sind schlicht und ergreifend nicht seriös. Was man aber auch in ein oder zwei Tagen leisten kann, ist als erstes das Gefahrenbewusstsein der Teilnehmer zu schärfen. Hierbei ist es tatsächlich unser Bauch, der meistens als erstes Alarm schlägt. Tut er das, sollte der Kopf schleunigst nachschauen warum. Hat der Kopf umrissen, was genau die Gefahr ist (hierzu gibt es im Rahmen unserer Workshops natürlich auch Anleitungen und Checklisten), sollte der Kopf einen schnellen Plan machen, um sich der Gefahr zu entziehen. Weglaufen ist tatsächlich die beste und effektivste Selbstschutzmaßnahme. Allerdings können viele unsere Teilnehmer besonders im beruflichen Umfeld nicht immer weglaufen, weil da ja noch ein Patient am Boden liegt, ein Haus brennt oder die Fluchtwege abgeschnitten sind. An dieser Stelle gibt es durchaus noch Möglichkeiten zur verbalen Deeskalation. Erst wenn auch das fehlschlägt, ist das gezielte Setzen eines Schmerzreizes (durch schlagen oder treten) eine letzte Möglichkeit, um sich ein Fluchtfenster zu erarbeiten, oder um den Angreifer gegebenenfalls im Team erstmal ruhig zu stellen. Wichtig ist hierbei, dass ich mich im Vorfeld mit dem Zuschlagen als Handlungsoption einmal auseinandergesetzt habe, es im besten Fall auch einmal geübt habe (beides tun wir im Rahmen unserer Workshops selbstverständlich), damit unser super gestresstes Gehirn in dieser Situation überhaupt in der Lage ist, diesen Joker zu ziehen und dann auch den Körper zum Weglaufen zu bewegen. Aber wie gesagt, alles das kann ich mir vielleicht sparen, wenn ganz zu Beginn der Situation mein Kopf und mein Bauch gut zusammengearbeitet haben.

Kann das Bauchhirn dann auch Parkinson bekommen?

Zum Abschluss noch ein kleiner Fun-Fact aus der Forschung: Da das enterische Nervensystem ähnlich unserem Gehirn aufgebaut ist, haben sich Forscher irgendwann gefragt, ob es denn dann vielleicht auch die gleichen Krankheiten bekommen kann, wie unser Gehirn. Sprich kann mein Bauch auch depressiv werden, Alzheimer oder Parkinson bekommen? Liegt ja schon irgendwie nahe. Und siehe da, zumindest im Falle von Parkinson ist die Wissenschaft bereits fündig geworden. So wurden bei Parkinson-Patienten im enterischen Nervensystem ähnliche charakteristische Veränderungen festgestellt, wie im Gehirn. Besonders interessant ist hierbei, dass diese Veränderungen im enterischen Nervensystem noch vor den Veränderungen im Gehirn auftreten und Patienten wohl schon langen vor dem Auftreten erster Veränderungen im Gehirn an Magen-Darm-Beschwerden leiden. Das könnte bei der Früherkennung von Parkinson zukünftig sicher eine Rolle spielen. Insgesamt steckt die Forschung hinsichtlich unseres Bauchhirn noch in den Kinderschuhen, aber fest steht auf jeden Fall, dass unser Bauch so viel mehr ist, als ein Verdauungsorgan. Irgendwie ist er auch eine Art Fenster zu unserem Kopf und zu unseren Gefühlen. Mit diesem Wissen wäre es doch töricht, unseren Bauch zu ignorieren, oder?

In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen wunderschönen Muttertag, ein Tag, an dem wir Frauen feiern, die ganz oft ihren Instinkten und ihrem Bauch folgen und so die wahrscheinlich komplexeste Aufgabe der Zivilisation mit Bravour erledigen: das Großziehen von Kindern!

Eure Constance

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Ode ans Bauchgefühl

Irgendetwas stimmt doch da nicht…

Als mir die Giraffe in den Sekt gespuckt hat! Ausflug in die Gewaltfreie Kommunikation

Manchmal ist das Leben verrückter, als es jede Geschichte sein könnte. Ja, mir hat tatsächlich mal eine Giraffe in den Sekt gespuckt, vor einigen Jahren während eines Sundowners außerhalb von Mombasa. Damals dachte ich, dass das verrückteste daran sei, dass einer meiner Mitreisenden so geistesgegenwärtig war, diesen Moment im Bild festzuhalten. Heute finde ich einen anderen Aspekt noch viel bemerkenswerter: Es war just an diesem Tag, an dem ich angefangen habe, mich auf meine Ausbildung zum Mediator vorzubereiten, während welcher ich mich unter anderem auch sehr ausführlich mit dem Thema der Gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg beschäftigt habe. Und Giraffen spielen in diesem System eine absolut herausstechende Rolle!

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Perspektivwechsel

Ob die Giraffe weiß, dass sie mir in den Sekt spuckt? Wenn ja, war es Absicht? -Um mich zu ärgern, oder weil Alkohol ungesund ist?

Gewaltfreie Kommunikation

Aber genug zu meinen skurrilen Reiseberichten und hin zum eigentlichen Thema und was Giraffen damit zu tun haben. Den Begriff der gewaltfreien Kommunikation hat sicher jeder irgendwann einmal in irgendeinem Zusammenhang gehört und da die Begrifflichkeit prinzipiell selbsterklärend ist, kann sich wahrscheinlich jeder vorstellen, dass es bei Gewaltfreier Kommunikation um das menschliche Miteinander geht. Wer jetzt noch eins und eins zusammenzählt, könnte zu der Schlussfolgerung gelangen, dass es sich hierbei auch um eine Kommunikationsstrategie handelt. Tatsächlich ist diese reine Strategie, die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation, gar nicht kompliziert, recht schnell zu verstehen und auch kognitiv zu verinnerlichen. Was meiner Meinung nach das wirklich bahnbrechend Interessante ist, ist die innere Haltung, die der Gewaltfreien Kommunikation zu Grunde liegt und welche die erfolgreiche Umsetzung der vier Schritte Gewaltfreier Kommunikation überhaupt erst möglich macht. Aus diesem Grund möchte ich in den nächsten acht bis zehn Minuten kurz die Ursprünge und die innere Haltung der Gewaltfreien Kommunikation ein wenig beleuchten. Wer einfach nur die vier Schritte lernen möchte, möge sich bitte ein Buch kaufen oder Google befragen!

Rosenbergs gewaltvoller Weg zur Gewaltfreien Kommunikation

Zurück geht die Gewaltfreie Kommunikation auf den US amerikanischen Psychologen Marshall Rosenberg, der im Detroit der vierziger und fünfziger Jahre als Arbeiterkind groß wurde. Wer jetzt denkt, dass der Vater der Gewaltfreien Kommunikation mit Sicherheit sehr behütet und gewaltfrei großgeworden ist, den muss ich enttäuschen. Tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Immer wieder sammelte der junge Marshall heftige Gewalterfahrungen. 1943 konnte er auf Grund von Rassenunruhen vier Tage lang das Haus nicht verlassen. In direkter Nachbarschaft starben mehrere Menschen. Auch jenseits dieser Unruhen erlebte Marshall als Jude regelmäßig rassistische Hänseleien, Diskriminierung und Gewalt seitens seiner Mitschüler. Irgendwann begann er sich zu wehren, was zu zahlreichen Schulhofschlägereien führte, die regelmäßig auch zu Krankenhausaufenthalten beigetragen haben. Also alles andere als gewaltfrei, der kleine Marshall!

Allerdings erlebte Marshall sein Zuhause trotz allem als Ort der Einfühlsamkeit und Wärme. So kümmerten sich seine Eltern gemeinsam mit seinem Onkel hingebungsvoll um drei pflegebedürftige Angehörige, die mit im Elternhaus lebten. Diese Gegensätze ließen Marshall Rosenberg zu den Fragen kommen, die ihn schließlich dazu gebracht haben, Psychologie zu studieren: Warum schaffen es manche Menschen selbst unter widrigsten Umständen einfühlsam oder empathisch zu bleiben? Und lässt sich diese einfühlsame Haltung vielleicht sogar bewusst erlernen und weitergeben? Diese großen Fragen hielten ihn jedoch nicht davon ab, zu Beginn seines Studiums zunächst einmal sein Macho-Image zu pflegen, in dem er recht regelmäßig äußerst feucht-fröhlich feierte und auch der ein oder anderen handfesten körperlichen Auseinandersetzung nicht abgeneigt war. Gut, der ein oder andere sagt jetzt normales Studie-Leben, aber für jemanden, der Einfühlsamkeit verstehen wollte, eine recht interessante Herangehensweise.

Wie dem auch sei, irgendwann trat in Person von Carl Rogers ein Professor in Rosenbergs Leben, der half Orientierung zu geben. Rogers Theorie, dass es für eine helfende (oder therapeutische) zwischenmenschliche Beziehung unbedingt Emapthiefähigkeit, Aufrichtigkeit und Respekt braucht, hat Rosenberg den benötigten Antrieb auf seinem Weg zur Gewaltfreien Kommunikation gegeben.

Von Giraffen und Wölfen

Rosenbergs Grundannahme ist, dass es zwei Arten von Sprache gibt: die gewaltvolle und die gewaltfreie. Da Rosenberg es in den sechziger und siebziger Jahren als eine seiner Hauptaufgaben sah, die breite Masse, Erwachsene wie Kinder, in Gewaltfreier Kommunikation zu unterrichten, entwickelte er die Giraffe und den Wolf als Metapher für diese beiden Arten von Sprache.

Liebe Hundeliebhaber, an dieser Stelle ist es wichtig zu verstehen, dass diese beiden Kategorien Rosenbergs in keinster Weise wertend zu sehen sind. Es geht darum, zwei unterschiedliche Arten von Kommunikation möglichst greifbar zu machen und schon einmal vorweg: Beide Arten der Kommunikation, oder der ihnen zu Grunde liegenden Haltungen, haben eine Daseinsberechtigung.

Der Wolf heult immer sofort los, wenn er Schmerzen hat, ihm etwas nicht passt oder fehlt. Dabei zeigt der Wolf seinem Gegenüber spitze, Angst einflößende Zähne. Diese Zähne sollen ein Sinnbild dafür sein, dass man mit Sprache zubeißen kann, zubeißen durch Abwertung oder Wertung allgemein (auch Lob ist in Rosenbergs System “wölfisch”), Drohung, Schuldzuweisung, oder dem oft gut gemeinten Klau von Themen (“Das kenne ich, das ist bei mir auch immer so/noch schlimmer…”).

Die große Giraffe hat im Gegensatz zum Wolf immer einen wunderbaren Überblick, ist ruhig und besonnen. Sie hat zwei Antennen auf dem Kopf, damit sie noch besser wahrnehmen kann. Ihre Zunge kann selbst durch Dornen nicht verletzt werden und sie hat das größte Herz in der Tierwelt.

Wie gesagt, Wolf und Giraffe stehen nicht für gut und böse, sie stehen vielmehr für zwei unterschiedliche Möglichkeiten oder Gewohnheiten, Gefühle und Bedürfnisse wahrzunehmen, übrigens auch die eigenen. Hierbei wird unserem inneren Wolf eine ganz wichtige Rolle zuteil: er ist nämlich ein permanenter Anwalt unserer Bedürfnisse. Durch sein Geheule engagiert er sich sehr deutlich für die Erfüllung unserer Bedürfnisse. Allerdings heult der Wolf oft so laut und wild, dass es nicht einfach ist, diese Bedürfnisse wirklich herauszufiltern, weder bei anderen noch bei uns selbst. Hierfür benötigen wir die feinen Antennen der Giraffe, die aus all diesem Chaos die Gefühle und Bedürfnisse des heulenden Wolfes herausfiltern kann. Dazu ist etwas Abstand elementar, außerdem eine wohlwollende und positive Grundhaltung (ja, Wolfsgeheule kann echt nervig sein, aber hey, der arme Wolf macht das ja nicht aus Spaß oder um mich zu ärgern, sondern weil er ein echtes Problem hat, ihm etwas fehlt). Außerdem werten Rosenbergs Giraffen nicht. Eine Unterscheidung zwischen richtig und falsch, gut und böse gibt es in Rosenbergs Giraffenwelt nicht.

Das aus meiner Sicht schwierigste an der Gewaltfreien Kommunikation ist tatsächlich das Einnehmen der inneren Haltung der Giraffe. Oft gelingt es uns ja noch nicht einmal mit uns selbst wohlwollend und positiv zu sein. In der Kommunikation mit mir selbst wähle ich intuitiv eigentlich immer die Wolfssprache. Ich muss mich immer regelrecht zusammenreißen und konzentrieren, um mich selbst aus der Giraffenperspektive zu beobachten und so etwas wohlwollender mit mir selbst zu sprechen. Mit den Jahren der Übung fällt mir dieser Perspektivwechsel immer leichter, trotzdem muss ich mich noch immer bewusst dazu entscheiden.

Selbstreflexion als erster Schritt

Wie sprecht ihr denn mit euch selbst? Keine Sorgen, innere Dialoge sind völlig normal. Es gibt sogar Kommunikationsforscher, die der Meinung sind, dass wir etwa 90 Prozent all unserer Kommunikation im inneren Dialog verbringen. Um so wichtiger ist es doch, dass wir gut mit uns umgehen, großzügig mit uns selbst sind und in der Lage sind uns selbst und unsere Bedürfnisse zu verstehen. Vielleicht entscheidet ihr euch ja beim nächsten mal, wenn es in euch so richtig am brodeln ist, der Wolf heult und ihr am liebsten die Zähne zeigen würdet (wem auch immer), mal die Giraffenperspektive einzunehmen und in Giraffensprache zu kommunizieren: Das heißt, ihr beobachtet euch zunächst einmal und hört euch gut zu. Versucht im ersten Schritt eure Gefühle zu benennen und im zweiten Schritt die Bedürfnisse zu greifen, die sich hinter diesen Gefühlen verstecken. Der abschließende Schritt ist dann um die Erfüllung, Stillung, Befriedigung eurer Bedürfnisse zu bitten. Denn erst wenn das Bedürfnis gestillt ist, sind auch die Gefühle weg, die euch zum heulen gebracht haben.

Wenn ihr es schafft, mit euch selbst “giraffisch” zu sprechen, könnt ihr dann im zweiten Schritt auch mal versuchen, eure Antennen auf das Wolfsheulen der anderen zu richten, um durch empathisches und wertfreies Zuhören und vielleicht durch das Stellen der richtigen Fragen die Gefühle und Bedürfnisse eures Gegenübers zu verstehen.

Eigentlich ist Gewaltfreie Kommunikation nicht schwer. Schwer ist es manchmal Giraffe zu sein…

Alles das erklärt natürlich noch immer nicht, warum diese Giraffe sich dazu entschieden hat, mir in den Sekt zu spucken. Ich empfand das alles andere als gewaltfrei! Aber ich bin ja großzügig und habe ein großes Herz, deshalb will ich dieser Giraffe nichts unterstellen und nehme es lediglich wertfrei zur Kenntnis! Und hey, wem hat schon mal eine Giraffe in den Sundowner gespuckt???

Eure Constance