Kommunikation

Über flache Hierarchien und informelle Machtstrukturen - Die schöne neue Welt der Lähmung und der Intrigen...

Denn Macht ist böse…

Macht ist pfui! Und weil wir dem Aberglauben erliegen, dass Macht in unseren Organisationen immer auch mit Position einher geht hat man nun also entschieden, Hierachieebenen aus Organigrammen rauszunehmen und Hierarchie fortan flacher zu gestalten! Agilität lässt grüßen! Der Lead ist plötzlich “Servant”, Einzelbüros sind abgeschafft und auch anhand der Zuteilung der Parkplätze im firmeneigenen Parkhaus kann man die Positionen der einzelnen Mitarbeitenden nicht mehr ablesen. Ob Hierarchie dadurch tatsächlich flacher wird, lasse ich mal dahingestellt. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang was mit der Macht passiert.

Ich beginne mal mit einer Reise zurück in die Zeit in der ich angefangen habe, mich intensiver mit systemischer Beratung, bzw. systemischen Change Management auseinanderzusetzen. In besonders guter und lebhafter Erinnerung ist mir ein Video von Dr. Gunther Schmidt geblieben. -Wahrscheinlich einer der Väter der systemischen Beratung In Deutschland. Er sprach von Organigrammen und dass Organigramme für systemische Berater im Prinzip nichts als Bilder wären. Wären sie etwas schöner oder künstlerisch wertvoller könnte man sie bestenfalls ins Museum hängen. Aber wer wolle sich schon Organigramme anschauen?! Wichtig in der (systemischen) Beratung ist nicht die theoretische Struktur, sondern die gelebte Dynamik. Er sprach davon, dass die machtvollste Person im Konstrukt häufig im Organigramm höchstens als Randnotiz auftauche. Er hatte hierbei die Vorstandsassistenz im Kopf! Simples Beispiel, aber recht hat er. Hier wird entschieden wer wann vorgelassen wird. Rein hierarchisch betrachtet dürfe an dieser Stelle nicht so viel Macht sein. Aber Macht hat nicht zwangsläufig etwas mit Position zu tun. In der meiner Zeit in der Luftfahrt war die Unterscheidung zwischen “Positional Power” und “Personal Power” bereits definiert und es war klar, dass es beides unabhängig voneinander gibt und es im besten Fall zusammenkommt. Diese Konstellation schafft am meisten Klarheit. Die Luftfahrt hatte übrigens kein Problem damit, beim Kapitän totale Macht in Form der absoluten Entscheidungsgewalt zu zentralisieren. § 12 des Luftsicherheitsgesetzes macht diesen allmächtigen Kapitän auch noch zum sogenannten Beliehenen des Polizeirechts. Das heißt der Chef war auch noch die staatliche Exekutive.

Die dunkle Seite der Macht

Was ich mit meinem ursprünglichen professionellen Hintergrund lange nicht verstanden habe ist, warum Hierarchie und die damit einhergehende Macht einen derart schlechten Ruf hat. In meiner alten Welt hat das alles ganz wunderbar funktioniert. Im Alltagsverständnis der Menschen wird Macht jedoch häufig mit Autorität, Machtmissbrauch und entsprechenden Seilschaften in Verbindung gebracht und spätestens seitdem die sogenannte dunkle Triade schlechter Führung, die Kombination aus auch narzisstischen, machiavellistischen und psychopathischen Charakterzügen, überdurchschnittliche häufig in den Etagen der Top-Manager zu finden ist, scheint der Ofen aus! Macht ist schlecht! Ich halte dagegen: Nicht Macht ist schlecht, sondern die Tatsache, dass sich das Kant’sche Ideal des weisen Anführers nicht durchgesetzt hat.

Der große Vorteil von Macht als solches ist, dass sie durch Hierarchie formalisiert wird und somit schneller gearbeitet und entschieden werden kann. Besonders in einem komplexen und dynamischen Umfeld kann das Vorteile haben und wenn es wie in der Luftfahrt um Menschenleben geht, sollte man nicht mit basisdemokratischen Diskussionen beginnen, die ohne einen klaren hierarchischen Bezug häufig schnell zu persönlichen und destruktiven Konflikten führen und damit Entscheidungen unnötig und gefährlich in die Länge ziehen und irgendwann zu Mustern wie Grüppchenbildung und Intrigenspinnereien führen können. Der Konflikt wird zum Dauerzustand und es geht Menschen schließlich nicht mehr um Fakten und Lösungen, sondern um Positionen. Derartiges Verhalten und dessen Auswüchse lässt sich übrigens ganz wunderbar in der sehr machtorientierten Spitzenpolitik beobachten. Und wie erfolgreich Spitzenpolitik in wirtschaftlichen Kontext ist zeigen Projekte wie Stuttgart 21 oder Großflughafen Berlin-Brandburg recht deutlich. Läuft bei uns im Land!

Luhmanns Erben: eine kurze systemtheoretische Betrachtung

Klar, eine Formalisierung von Macht bietet besonders all jenen, die besser niemals in der Verantwortung kommen sollten, Macht zu haben, ungeahnte Möglichkeiten ihre Macht zu missbrauchen, auszunutzen, andere klein zu halten und sich selbst geradezu gottgleich zu erhöhen. -Oder sich einfach völlig zu überschätzen! Somit ist die Forderung “Weg mit der Macht! - Weg mit der Hierarchie!” völlig berechtigt. Allerdings wäre das viel zu einfach. Folgt man der Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist Macht ein Kommunikationsmedium, das direkt auf das Handeln abzielt und so ermöglicht Prozesse zu beschleunigen, Entscheidungen zu treffen, seinen Einfluss geltend zu machen und andere ins Handeln zu bringen. -Aus organisationaler Sicht erstmal nichts Schlechtes. Ferner beschreibt Luhmann, dass wo immer sich Menschen organisieren, Macht automatisch Teil des Systems ist. Über Hierarchien ist diese Macht am transparentesten greifbar oder sichtbar. Aber selbst, wenn man die organisationale Konstruktion der Hierarchie formal oder durch einen neue Rollendefinition (z.B. der Leader ist jetzt eine Servant Leader) aus dem System herausnimmt verschwindet die Macht damit nicht. Sie entkoppelt sich von der Position, taucht ab und verteilt sich schließlich neu. Aus formeller Macht wird informelle Macht. Dahinter steckt ein festes Muster, dass sich “Systemtheoretischer Machterhaltungssatz” nennt. -Im Prinzip wie das Energieerhaltungsgesetz, das der ein oder andere vielleicht aus der Physik kennt... - Die Macht im System bleibt immer die gleiche, egal ob als Hierarchie sichtbar, oder eben in der informellen Variante unsichtbar, aber eben so problematisch, wenn sie in die falschen Hände fällt.

Wie gute Kapitäne im Flugzeug müssen gute Teammitglieder in New Work Strukturen lernen, weise mit ihrer Macht umzugehen. Kapitäne sind in der Lage das zu lernen, weil sie sich ihrer Macht bewusst sind. Ich erlebe es gerade im Rahmen von Transformationen hin zu dem was die einen Agilität und die anderen New Work nennen noch viel zu selten, dass transparent über das Thema informelle Macht auf Ebene der Mitarbeitenden gesprochen wird. Dementsprechend ist es auch nicht möglich die Mitarbeitenden zu sensibilisieren und im weisen Umgang mit Macht zu schulen. Kant stand ja leider noch nie in den Amazon-Bestseller-Listen. Ohne eine Sensibilisierung für Macht ist es fast zu erwarten, dass die Organisationen nicht schneller oder flexibler werden, obwohl sie gemessen an New Work Standards quasi State of the Art sind. Was anstatt Geschwindigkeit und Flexibilität an der Tagesordnung sein wird, sind gefühlt endlose und ermüdende Diskussion wie beim Elternabend in der Grundschule und endlose Meeting-Kaskaden, die man im virtuellen Setting wenigstens nutzen kann um seine Mails zu checken.

Was gilt es also zu tun? Ganz einfach, über Macht reden, sie nicht tabuisieren und ein Verständnis dafür schaffen, in welchem Kontext oder in welcher Ausprägung Macht etwas ausgesprochen Positives sein kann. So können Machtdynamiken wahrgenommen und als solche identifiziert werden . Und natürlich müssen Rollen im Rahmen eines Hierarchieabbaus neu und eindeutig geklärt werden. Wer darf was und was nicht? Wie teilen wir die Macht neu auf? Besonders Agilität braucht einen sehr klaren Rahmen.

Und zum Schluss doch noch einmal diese dunkle Triade schlechter Führung

Zum Abschluss liegt mir noch ein wichtiger Punkt auf dem Herzen. Denn selbst wenn Hierarchie vereinfacht und abgeflacht wird, wird es trotzdem in den meisten Unternehmen die “oberste Ebene” geben. Nennt sie Geschäftsführung, Top-Management, oder wie auch immer es für euch passt. Sie ist der Beweis dafür, dass Positional Power auch weiterhin existiert, jedoch in deutlich vereinfachter Form. Diese Vereinfachung rückt die Top-Ebene stärker in den Fokus. Ein Repräsentant der dunklen Triade kann in diesem Konstrukt ungleich mehr Schaden anrichten. Er bekommt weniger Gegenwind auf Augenhöhe und dient zu allem Überfluss auch noch als Vorbild für all jene, die nach mehr Macht streben, nicht nur auf Ebene der Führungskräfte, sondern auch auf Ebene der Mitarbeitenden. So kann man sehr verlässlich eine klare Unternehmenskultur gestalten, ob diese jedoch hilfreich ist, lasse ich mal dahingestellt.

Im Umkehrschluss bedeutet das, dass das Top-Management sich noch bewusster darum bemühen muss seine Machtposition positiv auszufüllen.

So einfach und doch zu kompliziert… Systeme sind schon spannend, aber nach zu viel Luhmann brummt mir tatsächlich immer ganz schön der Schädel. Ich geh jetzt ein wenig raus und genieße das Wetter im Schatten. Ich hoffe es liegt auch in eurer Macht, euch ein schönes Plätzchen für diesen Sommersonntag zu suchen!

Eure Constance

Alles unter Kontrolle

Grüße aus der Schaltzentrale der Macht!

Warum Leadership Followership braucht - Ein Beispiel aus dem Flugzeug

Ein Coach auf Abenteuerreise

Heute schreibe ich Euch aus dem schönen Prag, wo ich an diesem Wochenende angehende Flugbegleiter im Human Factors Bereich schulen darf. Ich liebe diese kleinen Ausflüge in meine alte Welt und finde, es ist an der Zeit auch Euch im Rahmen meines Blogs mal wieder in die Flugzeugwelt zu entführen.

Wenn selbst Götter machtlos sind

Als Coach und Berater habe ich momentan einen starken Fokus auf die Begleitung und Entwicklung von Führungskräften. Überhaupt scheint das Thema Leadership ein absolutes Fokusthema der schönen neuen Welt der New Work zu sein. Fakt ist jedoch, dass selbst Götter machtlos sind, wenn niemand an sie glaubt. Was aus meiner Sicht in der Welt außerhalb der High Risk Bereiche sträflich vernachlässigt wird, ist das Thema Followership. Dabei gibt es keinen guten Leadership ohne guten Followership und ebenso, wie man Menschen für das Thema Leadership sensibilisieren sollte, sollte man Menschen auch für das Thema Followership sensibilisieren. Die Luftfahrt ist an dieser Stelle deutlich weiter. -Sicher auch, weil Misserfolge in der Luftfahrt für gewöhnlich ziemlich absolut sind und nicht vertuscht oder schöngeredet werden können. Verunglückt ein Flugzeug ist das ein glasklarer Fakt, den kein Controlling der Welt mehr “schönrechnen” kann. Und bereits seit Ende der siebziger Jahre ist klar, dass der Mensch und das Team eine nicht zu unterschätzende Schlüsselrolle einnehmen, wenn es darum geht, die Dynamik und Komplexität, die es mit sich bringt, wenn man in ziemlich schweren Blechdosen ziemlich schnell um die Erde düst, zu managen. Somit blickt die Luftfahrt auf viele Jahre Erfahrung im Bereich des Human Factors Training zurück und versteht es nicht nur Leadership, sondern auch Followership zu schulen.

Die eigenen Wurzeln stets vor Augen

Wann immer ich eine Gruppe junger, angehender Flugbegleiter vor mir habe, muss ich daran denken, wie es war, als ich damals im 134. Flugbegleiterlehrgang der Condor saß. Es war aufregend, interessant, sehr anstrengend und manchmal sogar schockierend. In der Retrospektive muss ich allerdings sagen, dass es aber auch kein Hexenwerk war. Das Handwerk ist schnell gelernt, die Routine kehrt schnell ein. Man hat viele Check-Listen, die einem Sicherheit geben. Ja, es ist körperlich zuweilen sehr anstrengend und wenn Menschen mit einem geregelten Tagesablauf sagen, sie sind nach der Arbeit müde, ist das definitiv eine andere Form von müde, als die absolute körperliche Ausgelaugtheit nach einem anstrengenden Nachtflug in Kombination mit Jetlag. Aber auch das ist im Rahmen des Machbaren, sonst wäre ich sicher selbst nicht so viele Jahre geflogen. Es gibt jedoch einen Aspekt, der mir damals, mit Anfang zwanzig nicht bewusst war, der mir jedoch in den darauffolgenden Jahren immer deutlicher und klarer wurde: Um ein gutes Crewmitglied zu sein, bedeutet es zum einen, sich in die Hierarchie einzufügen, gleichzeitig aber auch ein unglaubliches Maß an Eigenverantwortung zu übernehmen. Denn jedes einzelne Crewmitglied übernimmt ganz persönlich Verantwortung für das größte Gut unserer Welt: Für Menschenleben! -Für die Leben der Menschen an Bord. Sich dieser großen Verantwortung bewusst zu sein und ihr im täglichen Tun gerecht zu werden, ist die eigentliche Herausforderung für diese zauberhaften jungen Menschen, mit denen ich heute den ganzen Tag im Lehrsaal und auf der Flugzeugattrappe verbringen durfte.

Als Trainer ist es gar nicht so einfach, diese doch recht abstrakte Verantwortung greifbar zu machen. Hierfür arbeite ich gerne mit konkreten Beispielen. An diesem Wochenende habe ich mich für eine junge, kanadische Flugbegleiterin entschieden, die vor vielen Jahren als einziges Crewmitglied den Absturz einer Maschine der Air Ontario überlebt hat.

Zurück in die Vergangenheit

Wir schreiben den 10. März 1989. Sonia Hartwick arbeitet seit zwei Jahren als Flugbegleiterin bei Air Ontario. Eine attraktive Frau, vielleicht Mitte zwanzig, mit blondem Haar, blauen Augen und einem strahlenden Lächeln. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katherine Say, Kapitän John Morwood und dem Ersten Offizier Keith Mills soll das der letzte Tag eines mehrtägigen Einsatzes sein. Kapitän Morwood freut sich darauf, am nächsten Tag seinen Urlaub mit der Familie anzutreten und alle anderen freuen sich sicher auf zuhause. An diesem Tag soll es mit einer Fokker F28 von Thunder Bay nach Winnipeg mit einem kurzen Zwischenstopp in Dryden gehen. Eigentlich nichts Großes. In Dryden angekommen ist das Flugzeug bereits verspätet und die Verspätung scheint weiter anzuwachsen. - Ein Umstand, der für eine Besatzung immer eine gehörige Extraportion Stress bedeutet. Dem Flugplan hinterherzujagen ist keine Freude. Ein zusätzlicher Stressfaktor für die Piloten ist, dass man entschieden hat, die Maschine mit einer defekten Auxiliary Power Unit (APU), einer Art Hilfstriebwerk, das zum einen die initiale Energie liefert, die man braucht um die Triebwerke zu starten, zum anderen aber auch den Strom am Boden liefert, fliegen zu lassen. Eigentlich ist eine defekte APU kein Beinbruch und ich bin selbst schon oft mit einem solchen Defekt unterwegs gewesen. An Flughäfen gibt es Bodenstromaggregate, die die APU ersetzen. Also alles gut. Allerdings ist der Flughafen von Dryden so klein, dass er an diesem Tag keine Bodenstromaggregate zur Verfügung stellen kann. Um überhaupt wieder starten zu können, müssen die Piloten eines der beiden Triebwerke während der gesamten Bodenzeit laufen lassen. Sie müssen betanken und Boarden während das Triebwerk läuft. Heute wäre ein solches Vorgehen verboten, damals war es akzeptabel. Für die Piloten, besonders für den Kapitän, bedeutet das an diesem Tag eine große Menge Extrastress.

In der Kabine geben Sonia und Katherine ihr Möglichstes, um diesen Stress vor den Gästen zu verbergen und den Unmut der Gäste hinsichtlich der Verspätung zu kompensieren. Während der Flieger in Dryden abgefertigt wird, schlägt das Wetter plötzlich um und es beginnt zu schneien. Der Stress wird größer, denn die Verspätung droht weiter anzuwachsen. Ich weiß gar nicht, ob Sonia Familie hat, auf die sie sich freut, Kinder, die auf sie warten, aber ich weiß, wie sehr man sich an solchen Tagen einen pünktlichen Feierabend wünscht.

Sicher möchte auch Kapitän Morwood nachhause und entscheidet, sich zu beeilen, die Türen zu schließen, und in Richtung Startbahn zu rollen. Was Kapitän Morwood übersieht, ist, dass die veränderte Wettersituation dazu geführt hat, dass sich Eis auf beiden Tragflächen gebildet hat. Fahrlässig, könnte man meinen. Aber wer von Euch hat nicht schon einmal im Stress etwas übersehen? Vielleicht passt auch Kapitän Morwoods mentales Modell nicht dazu, dass es Eis geben würde. Er weiß, dass es für ihn in Dryden keine Möglichkeit gibt, zu enteisen. Zum Enteisen ist nämlich ein Ausschalten beider Triebwerke notwendig, die er auf Grund der defekten APU und des fehlenden Bodenstromaggregates nicht wieder hätte starten können. Es wären also alle erst einmal in Dryden geblieben, bis ein entsprechendes Aggregat eingeflogen worden wäre. Dem alten Motto folgend “Es kann nicht sein was nicht sein darf!” spielt ihm an diesem Tag vielleicht sogar seine Wahrnehmung einen Streich. Ein sehr bekanntes Phänomen.

Allerdings gibt es andere, deren Wahrnehmung funktioniert und die das Eis sehen. Ein Gast spricht Katherine wegen des Eises an. Diese beruhigt den Gast, weil sie annimmt, dass die Tragflächen sich selbst enteisen. -Sehr dünnes Eis des gefährlichen Halbwissens! Es sind lediglich die Spitzen der Tragflächen, die beheizt werden und somit auch enteist werden können. Da hat sie wohl etwas verwechselt!

Sonia weiß es besser und ist sehr besorgt wegen des Eises, entscheidet sich aber, den Kapitän nicht anzusprechen.

So nehmen die Dinge ihren Lauf. Kapitän Morwood leitet im festen Vertrauen darauf, dass alles OK ist und sicher auch mit einer Menge Zeitdruck den Start ein. Zunächst hebt die Maschine ab, verliert dann aber wieder an Höhe und stürzt in den angrenzenden Wald. An diesem Tag verlieren 24 Menschen ihr Leben. -Darunter Sonias Kollegin, ihr Kapitän und ihr Erster Offizier, mit denen sie sicher kurze Zeit davon noch gemeinsam gegessen und gelacht hat. Meine Crew war immer viel mehr als nur das Team, mit dem ich arbeite. Man ist sich nah, vertraut sich und ist aufeinander angewiesen. Heute habe ich Kollegen, die ich sehr mag und schätze. In Uniform hatte ich eine Familie, die mich ganz so wie eine echte Familie manchmal ziemlich genervt hat, die mir aber immer ausgesprochen nah war. Sie zu verlieren? -Ich möchte mir nicht vorstellen, an Sonias Stelle zu sein…

Und was bleibt ist die Frage nach dem “Warum”

Im Nachhinein wurde Sonia gefragt, warum sie nichts gesagt habe. Ihre Erklärung ist ebenso nachvollziehbar, wie traurig. Sonia beschreibt, dass sie Angst davor hatte, es könnte sich rumsprechen, dass sie den Piloten in ihre Arbeit reinrede, den Kapitän kritisiere. Immerhin sei sie doch eigentlich diejenige, die für Tee und Kaffee verantwortlich sei. Sonia hatte Angst, dass sie daraufhin im Kreise der Kollegen weniger beliebt oder angesehen sein könnte, vielleicht sogar schlechtere Flugpläne bekäme.

Ich habe mich mehr als einmal gefragt, ob Sonia den Gedanken hatte, dass ihre Kollegen und all die anderen Menschen noch leben würden, wenn sie mutiger gewesen wäre, wenn sie die Verantwortung übernommen hätte, den Kapitän angesprochen hätte. Was sind schon Flugpläne? Sonia war mehr als einmal in meinen Gedanken präsent, wenn ich in meiner schicken blauen Uniform durchs Flugzeug gelaufen bin. Sie hält mir bis heute vor Augen, was es bedeutet, Verantwortung zu übernehmen, eine gutes Teammitglied, ein guter Follower zu sein. -Auch weil ich ihre Ängste als junge Frau so gut verstehen kann. Auch ich wollte besonders in meinen ersten Jahren auf Reisen vor allem eines: dazugehören! Vielleicht habt Ihr ja auch schon einmal geschwiegen, geschwiegen aus Angst zum Außenseiter zu werden, nicht mehr gemocht zu werden. Menschlich nachvollziehbar. Aber ist es auch verantwortungsvoll?

Natürlich braucht es eine Kultur, die es uns ermöglicht, Verantwortung zu übernehmen. Es braucht Führung auf allen Ebenen, die Rahmenbedingung schafft, die es ermöglichen, den Mund aufzumachen, zu sprechen, kritisch sein zu dürfen. Daran arbeite ich mit Führungskräften in allen Bereichen und auf allen Ebenen. Denn ebenso wie Kapitän Morwood an diesem Tag sein Team gebraucht hätte um eine bessere Entscheidung zu treffen, sind alle Führungskräfte, die in einem dynamischen und komplexen Umfeld agieren, auf ihr Team angewiesen, um gute Entscheidungen zu treffen. Damit Menschen jedoch diesen Raum, der ihnen geboten wird, annehmen, muss ich auch mit den Teams arbeiten dürfen, so wie ich heute und morgen mit den jungen Flugbegleitern arbeiten darf. Es wird immer mehr Gründe geben, besser zu schweigen. Aber wir befinden uns nun mal in einer Welt, die zunehmend Eigenverantwortung auf allen Ebenen einfordert und es ist nur fair, wenn wir Menschen auf diese Verantwortung vorbereiten, sie sensibilisieren und ein Stück weit an die Hand nehmen.

Die Gedanken an Sonia nehme ich morgen sicher wieder mit in meinen Lehrsaal und ich hoffe, dass auch meine Teilnehmer noch ein wenig über Sonia nachgedacht haben. Denn ich bin nicht in der Lage ihnen Verantwortung beizubringen. Ich liefere lediglich das Gedankenfutter, das es braucht, um sich selbst kritisch zu hinterfragen und so zu wachsen.

Genieß Euren Sonntag!

Eure Constance

Geschichten aus der Flugzeug-Mottenkiste

Über Verantwortung und Followership

Wenn das Bessere tatsächlich zum Feind des Guten wird - Vom Change-Manager zum Konfetti-Kehrer

Was man so erzählt…

“Das Bessere ist der Feind des Guten!” -Klingt einleuchtend und wir hören ähnliche Aussagen immer wieder in unserer sich permanent verändernden Welt. Wie schnell ist so ein kluger Satz doch daher gesagt. Aber was bedeutet es, wenn das Bessere tatsächlich zum Feind des Guten erklärt wird? Betrachten wir uns das mal auf Organisationsebene, obgleich es ebenso Gültigkeit für Teamentwicklungen und sogar im Rahmen Deiner ganz individuellen Persönlichkeitsentwicklung hat. Wir sind also Teil einer Organisation. Im zitierten Satz steht das Gute metaphorisch für das Bisherige, die bisherige Zusammenarbeit, die bisherigen Ergebnisse. Wir stellen uns vor, dass dieses Bisherige, das Gute also, nicht schlecht war. Es war gut! Aus diesem Grund sind wir als Menschen in dieser Organisation im Prinzip mit dem Guten in einer positiven Verbindung, gegebenenfalls sogar in einer Allianz. Man könnte fast meinen, wir seien mit dem Guten befreundet. Nun kommt also mit viel Glamour, Glitzer und unter tosendem Beifall das Besser daher, das Neue. Konfetti fliegt! Es sieht ziemlich verlockend aus, verkündet jedoch breit grinsend: “Und ganz nebenbei, ich bin der Feind Eures Freundes, also quasi dann auch ein bisschen Euer Feind! Aber weil ich besser bin, möchte ich Euch bitten, mir ins Leben zu helfen.” Wie motiviert wärt Ihr in einer solchen Situation, dem Bessern tatsächlich in den Sattel zu helfen, es mit Leben zu füllen? -Wo es doch alles, was Ihr bisher geleistet habt, so konsequent zu seinem Feind erklärt. -Konfetti hin, Konfetti her…

Die Bedeutung der Veränderung ergründen

Was ist in unserem Beispiel passiert? Im Prinzip kam es durch dieses allseits beliebte Zitat zu einer Entwertung des Bisherigen, zu einer Entwertung der bisherigen Leistungen der Mitglieder der Organisation. Natürlich drückt das die intrinsische Motivation für die anstehende Veränderung ungemein und der Veränderungsprozess stagniert. Häufig setzten wir uns in Hinblick auf anstehende Veränderungen vor allem mit den Inhalten dieser Veränderungen auseinander. Wir erliegen dem Trugschluss, wenn der Inhalt ganz besonders toll glitzert, wird die Veränderung positive angenommen und gelingen. Das Zielbild muss eben inhaltlich nur schick genug sein. Es ist jedoch die Bedeutung der Veränderung, die letzten Endes entscheidend für die Umsetzung ist. -In unserem exemplarischen Fall wäre die Bedeutung in etwas folgendes: “Das was bisher war, war alles Käse. Erkennt also, dass Ihr bisher Blödsinn getrieben habt und schließt Euch dem Besseren an, das wird Euch schon zeigen, wie es geht!” Erkenne ich also das Bessere als solches an und setze es um, müsste ich mir gleichzeitig eingestehen, dass ich bisher auf dem Holzweg war. Tolle Bedeutung! Danke dafür. Ich befinde mich in einem Dilemma. Das Zielbild sieht vielleicht ganz gut aus, würde ich mich jedoch darauf einlassen, würde es bedeuten, dass ich bisher nicht gut (genug) war.

Diese Frage nach der Bedeutung bringt uns unweigerliche zu der weiterführenden Frage, wer diese Bedeutung gibt. Ich weiß, dass ich in den letzten Wochen Dr. Gunther Schmidt immer wieder zitiert habe. Was daran liegt, dass ich mich gerade in einer Weiterbildung befinde, in der er selbst und seine hypnosystemischen Ansätze sehr präsent sind. Ich fürchte, ich muss ihn auch an dieser Stelle wieder zu Rate ziehen. Dr. Gunther Schmidt würde die Frage, wer im Rahmen eines Veränderungsprozesses die Bedeutung gibt, ganz klar mit “der Sinnstifter” beantworten. Für Schmidt ist der Sinnstifter die machtvollste Person im Beratungssystem -Also der Chef.

Warum Berater die Leads als erstens ins Boot holen sollten

Nicht selten erlebe ich Führungskräfte, die das Etablierte, das Altbewährte in ihrem positiven Ansinnen Teams, Prozesse oder Organisationen weiterzuentwickeln, konsequent herabwürdigen. Das passiert in den aller wenigsten Situationen tatsächlich bewusst oder aus einer gefühlten Respektlosigkeit heraus. -Im Gegenteil. Häufig macht der Chef sich ausführlich Gedanken über eine Kommunikationsstrategie, die mitreißend wirkt, motivierend und positiv sein soll. Glitzernd, verführerisch, bunt, am besten mit einer Party zur Verkündung! Und ja, ich liebe Konfetti und Partys. -Allerdings nicht, wenn ich antreten soll, um das Konfetti wieder zusammen zu kehren. Hat von Euch schon mal jemand versucht, Konfetti zusammen zu kehren. Das ist ausgesprochen mühsam. Ebenso, wie es mühsam für mich als Coach und Berater ist, das Konfetti bunter Change-Kommunikationen wieder zusammen zu kehren. Ja, man kann auch Teams, die nach einer eben solchen Kommunikation in eine aus ihrer Sicht völlig nachvollziehbaren Verweigerungs- oder Enttäuschungshaltung geraten sind, wieder an Bord holen. Das funktioniert, dauert aber seine Zeit, hält auf und ist doch eigentlich nicht nötig.

Wer also keine Lust hat, Konfetti zu kehren, der sollte sich bereits im Vorfeld mit dem Sinnstifter seines jeweiligen Beratungssystems sehr intensiv auseinandersetzen. Im Idealfall habe ich die Möglichkeit, den relevanten Lead oder das relevante Leadership-Team bereits im Vorfeld abzuholen. Somit kann ich meinen Auftrag für mich gut im Vorfeld klären und gebe mir selbst innerhalb des Systems auch das Standing, das ich brauche. Zusätzlich habe ich vielleicht noch die Möglichkeit, die Leads dabei zu unterstützen, eine Kommunikationsstrategie zu wählen, die eine achtungsvolle Wertschätzung des Guten beinhaltet und das Bessere zum Freund des Guten erklärt. Das macht es doch für alles Seite viel einfacher.

Und was, wenn doch Konfetti gekehrt werden muss?

Natürlich sieht die Realität meistens so aus, als dass ich keinen Einfluss auf die Kommunikation der relevanten Leads habe, auch wenn ich natürlich unaufhörlich daran arbeite und inzwischen auch verdammt innovativ dabei geworden bin. Meistens muss ich eben doch Konfetti kehren. Meine wichtigste Erkenntnis der letzten zehn Monate ist jedoch, dass ich das allein nicht schaffe. Ich komme nicht umhin den Leads einen Besen in die Hand zu drücken. Wenn die achtungsvolle Wertschätzung der vergangenen Leistung nicht direkt im Rahmen der ersten Kommunikation von Veränderungsplänen erfolgt ist, ist es immanent wichtig, dass dies schleunigst nachgeholt wird. -Und zwar nicht vom Coach, sondern vom Sinnstifter.

Und was bleibt ist Abraham Maslow

Während ich mich also weiterhin wie Sisyphos mühsam, aber hoch motiviert in meinen Organisationen voran taste, ist es auch an dieser Stelle interessant, dass das, was immer wieder auftaucht, diese zutiefst menschlichen Grundbedürfnisse, wie sie Abraham Maslow seiner Zeit in einer Pyramide zusammengefasst hat, sind. Wir suchen nach Sicherheit, die wir häufig auch in den jeweiligen “Alphas” unserer Systeme zu finden hoffen. Ja, eine Aufgabe von Führung ist und bleibt, Sicherheit zu geben. Und Sicherheit gebe ich natürlich nicht, indem ich verkünde, dass das, was bisher gemacht oder geleistet wurde, Käse ist und deshalb alles anders werden muss. Selbst wenn ich parallel Konfetti werfe und Luftschlangen fliegen lasse. Die Message wird trotzdem klar sein. Nein, wir Menschen möchten hören, dass unsere Bemühungen der Vergangenheit wahrgenommen und wertgeschätzt werden. Wir möchten Respekt für unsere bisherige Leistung. Das hat schon Maslow gewusst. Und ich weiß ganz sicher und erfahre immer wieder aufs Neue, dass von diesem Respekt auf der Seite der Sinnstifter ausgesprochen viel vorhanden ist, jedoch selten darüber gesprochen wird. So muss ich eigentlich nur Bühnen bauen, auf denen dieser Respekt auch verkündet werden kann! -Unglaublich einfach und doch so unfassbar schwer!

In diesem Sinne wünsche ich Dir jetzt einen schönen Sonntag und möchte mit der Frage beschließen, wie regelmäßig Du Dich in achtungsvoller Wertschätzung übst und den Respekt, den Du für die Menschen um Dich herum empfindest, auch kommunizierst? Am Ende ist er der “Schmierstoff” unseres sozialen Miteinanders und ganz nebenbei ist auch eine Familie oder ein Freundeskreis ein System von Menschen, denen es ausgesprochen guttut, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt werden.

Also auf geht’s: Wertschätzung üben!

Eure Constance

Change-Manager und Konfetti-Kehrer

Man tut was man kann und kann was man muss…