Kommunikation

Synchrone und asynchrone Kommunikation - die Muttersprachen virtuellen Arbeitens

Weil Kommunikation immer Teil des Problems ist

Ich gehe fest davon aus, dass die meisten von Euch, Corona sei Dank, im Laufe der letzten beiden Jahre irgendwann einmal in den Genuss des sagenumwobenen “Work from Home” gekommen sind. Wie war das so? Wie hat es sich angefühlt, nun virtuell, oder im besten Fall hybrid mit den Kollegen zusammenzuarbeiten? Keine schnellen Absprachen mehr auf dem Flur oder in der Kaffeeküche? Keine Zufallsbegegnungen mehr, die das ein oder andere Problem wie von Zauberhand gelöst haben? Dafür vielleicht mehr Fokus und Effizienz? Keinen Stau mehr? Und mehr Zeit für die Familie?

Die Erfahrungen aus zwei Jahren “Work from Home” sind durchwachsen. Die einen freuen sich, weil es ihnen zuhause leichter fällt, den Fokus zu halten, oder weil sie den Vorgesetzten tatsächlich häufiger sprechen als vorher, weil es nun feste Termine gibt. Andere wiederum empfinde die Arbeitsbelastung zuhause als größer, weil sie völlig gestresst von Meeting zu Meeting hüpfen und ohnehin viel mehr Stunden vor dem Computer verbringen, als vorher. Wenn der Küchentisch zum Büro wird, ist man da eben auch noch um 22:00 Uhr präsent. Zu dem bemängeln viele Kollegen, mit denen ich mich austausche, dass die Arbeits- und Führungskultur sich nicht mehr weiterentwickelt, dass es keine Anpassung an die neue, virtuelle Realität gibt. Teams brechen zusehends auseinander, weil der soziale Kitt der Kaffeeküche, der gemeinsamen Mittagspause oder der gemeinsamen Zigarette draußen im Regen fehlt und man noch keinen adäquaten Ersatz dafür in der virtuellen Welt gefunden hat.

“Work from Home” ist eine Chance, kann aber auch zu einer Last werden, weil Kommunikation sich verändert und diese Veränderung zu einer Belastung werden kann. Kommunikation ist eben immer Teil des Problems. Nicht zuletzt deshalb tut man gut daran, stets nach kommunikativen Lösungen Ausschau zu halten!

Zwei Muttersprachen der virtuellen Zusammenarbeit

Als Corona angefangen hat, seine Kreise zu ziehen und viele Unternehmen ihre Mitarbeiter fast über Nacht ins Homeoffice geschickt haben, musste alles schnell gehen. Da war keine Zeit, sich im Vorfeld über kommunikative Spielregeln, eventuelle Probleme, etc. Gedanken zu machen. Inzwischen scheint Corona auf dem Rückzug aber viele Unternehmen möchten ihren Mitarbeitern auch weiterhin virtuelles oder hybrides Arbeiten ermöglichen. Als Coach finde ich, sollte es spätestens jetzt an der Zeit sein, sich intensiv Gedanken darüber zu machen, wie man dieser neuen Realität gerecht wird und sie so gestaltet, dass nicht schon Kommunikation selbst zu einer Belastung wird.

Kenn Ihr das: Mitten im Zoom-Marathon flattert eine E-Mail rein. Drei Minuten später klingelt das Diensthandy: “Hast Du meine Mail schon gesehen? -Was meinst du?”

Das macht arbeiten nicht gerade entspannter. Aber was ist da genau passiert, dass uns so sehr stresst? Ganz einfach: Asynchrone Kommunikation wurde mir der Erwartungshaltung an synchrone Kommunikation belegt. Das kann nicht gut gehen.

Was bitte???

Mal von vorne: Wenn wir über Kommunikation in virtuellen oder hybriden Settings sprechen, sprechen wir tatsächlich von zwei unterschiedlichen Arten von Kommunikation, die wir tunlichst voneinander trennen sollten. Es sind sozusagen zwei Muttersprachen, die man nicht mischen sollte. Zum einen ist das die sogenannte synchrone Kommunikation, also die Kommunikation mit direkter und prompter Interaktion, wie zum Beispiel in (Video-) Calls und Konferenzen. Zum anderen ist da die asynchrone Kommunikation, also Kommunikation ohne direkte Reaktion oder Interaktion, wie zum Beispiel über Mails oder Messenger-Nachrichten jedweder Art. Kommuniziere ich nun also asynchron habe an die Kommunikation jedoch eine synchrone Erwartungshaltung, kann das nicht gutgehen. Falscher Kanal! Entweder setze ich mich selbst unter Druck, weil eine Antwort, die ich dringend brauche, nicht sofort kommt, oder ich setze meinen Kommunikationspartner unter Druck indem ich ihn nerve. Vielleicht kennt ihr ja auch Menschen, die bei WhatsApp dafür sorgen, dass die anderen nicht sehen können, ob ihre Nachricht schon gelesen wurde, oder nicht. Gleiches Prinzip: Ich will mich nicht unter Druck setzen lassen, sofort zu antworten. Ich möchte nicht, dass meine Kommunikationspartner asynchrone Kommunikation mit einer synchronen Erwartungshaltung belegen.

Denn Absprache ist alles

Wie soll man denn nun damit umgehen, im virtuellen oder hybriden Arbeitsalltag? Ganz einfach, man spricht drüber, welche Art der Kommunikation wann erforderlich ist. Ziel sollte es hierbei jedoch immer sein, den Anteil der synchronen Kommunikation so gering wie irgend nötig zu halten. Es soll Teams geben, die mehr Zeit in Meetings und Ansprachen verbringen, als bei ihrer tatsächlichen Arbeit. Ich denke, gerade zu Anfang der Pandemie ist so ziemlich jeder in die Falle getappt, die synchrone Kommunikation stark zu überbetonen. Klar, plötzlich fehlen die sozialen Kontakte. Wie macht man das wett? Durch Videokonferenzen. So stillt man nicht nur das menschliche Grundbedürfnis nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe, sondern auch das Bedürfnis nach fachlichem Austausch. Nur zum Arbeiten kommt man so nicht! Deshalb ist meine wichtigste Lesson Learned nach über einem Jahr im Homeoffice, dass man sich ganz genau anschauen sollte, was man wann, wie und über welche Kanäle kommuniziert und natürlich habe ich auch die ein oder andere Idee entwickelt, die mir gerade hilfreich erscheint und die ich gerne mit Euch teilen möchte:

  • Vorbereitung ist alles: je besser ich das Meeting inhaltlich vorbereite, desto effizienter und schneller ist es. Dabei hilft es ungemein, komplexe Themen kurz zu visualisieren. Das sorgt häufig für ein schnelleres Verständnis, als endlose Erklärungen. Auch das Ziel des Meetings und die Agenda sollten am Anfang klar benannt werden.

  • Ergebnis- und Beziehungsorientierung bestmöglich trennen, indem ich zum Beispiel das Meeting etwas früher eröffne, um den Kollegen die Möglichkeit zu geben, sich vorab persönlich auszutauschen, oder indem ich die ersten X Minuten bewusst für den Austausch zu persönlichen Themen zur Verfügung stelle. Denkbar wären sogar Meetings speziell für den persönlichen Austausch.

  • Generell ist es sinnvoll, sich in Meetings diszipliniert zu timen um den sogenannten Gaseffekt zu vermeiden. So wie Gas recht schnell einen Raum einnehmen kann, kann ein Thema, eine Diskussion sehr schnell den kompletten Raum eines Meetings einnehmen, obwohl es eigentlich noch nicht einmal auf der Agenda stand.

  • Außerdem ist es hilfreich, die zur Verfügung stehenden Medienkanäle bewusst zu sortieren, gerne auch mit dem gesamten Team! So ist klar, dass E-Mails und Messages keine direkte und sofortige Antwort bedürfen, weil sie eben asynchron sind. Habe ich ein Thema, das sofortige Reaktion bedarf, muss ich einen synchronen Kanal nutzen.

  • Begleitkommunikation ist in jedem Fall hilfreich und Miro Boards oder andere Social Collaboration Tools können für so viel mehr als nur für Ergebnisprotokolle genutzt werden.

  • Des Weiteren ist es ausgesprochen hilfreich das Wissen im Team transparent zu machen, zu dokumentieren und dafür zu sorgen, dass jeder im Team weiß, wo etwas abgelegt ist, bzw. wo er/sie etwas finden kann. In der guten alten Zeit reichte dafür ja der kurze Ruf Richtung Nachbarschreibtisch. Heute muss es ja direkt eine E-Mail sein, oder doch besser gleich ein Anruf?

Und manchmal hilft nur eins…

Auch bei perfekt vorbereiteten und dokumentierten Meetings kann es trotzdem sein, dass es Menschen gibt, die vor lauter Meeting-Marathon nicht wirklich konzentriert dazu kommen, ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. In diesen Fällen hilft nur eines: Meetings minimieren. Wie ich das machen? Als erstes ist es sinnvoll sich bei jedem Meeting, dass man einplant, kurz zu fragen, was denn wohl passiert, wenn dieses Meeting nicht stattfindet. Ist die Antwort “nichts”, ist die Sache bereits im Vorfeld ziemlich klar! Zusätzlich ist es auch nach jedem Meeting sinnvoll, sich zu fragen, wie hilfreich dieses Meeting war. Hierzu kann man eine einfache Skala von 1 bis 10 nutzen (1 wäre absolut unnötig und nicht hilfreich und 10 wäre sehr, sehr hilfreich) und die Teilnehmer am Ende kurz befragen, um so für die Zukunft zu lernen und ein Gespür dafür zu bekommen, welche Meetings wirklich hilfreich und notwendig sind und welche eben nicht. Ganz nebenbei bemerkt kann es durchaus sein, dass es Kaffeeklatsch-Meetings gibt, die als wichtiger und notwendiger eingestuft werden, als Meetings zum fachlichen Austausch. Dann ist das eben so und sollte unbedingt im Arbeitskontext und im Rahmen der Absprachen berücksichtigt werden. Denn Menschen haben wie bereits erwähnt nicht nur das Bedürfnis, sich fachlich auszutauschen, sondern auch auf der Beziehungsebene Zugehörigkeit zu empfinden. In hybriden oder virtuellen Settings sollte man sehr genau darauf achten, beiden Seiten gerecht zu werden. Es ist wichtig, immer wieder ins Team reinzuhören, ob da gerade ein Bedürfnis dominanter ist, als das andere. Oft verschiebt sich das in regelmäßigen Abständen. Darauf gilt es dann zu reagieren. Denn bei all dieser Technisierung unserer Welt ist und bleibt der Schlüssel zu Erfolg unserer Systeme der Mensch in all seinen Farben und mit all seinen Emotionen und Bedürfnissen!

Habt einen schönen Sonntag.

Eure Constance

PS: Zum Anschluss noch kurz Werbung in eigener Sache: In dieser Woche veröffentlicht der Blog von t2informatik einen Gastbeitrag von mir! So please watch out!!!

Homeoffice!

Der kommunikative Segen oder der ganz große Wahnsinn?

Piper Alpha - was die Business-Welt von einer abgebrannten Bohrinsel lernen kann

Aus Erfahrungen klug werden - die Lernende Organisation

Ich komme aus dem High Risk Umfeld und ja, ich weiß, dass Flugzeuge oder Bohrinseln etwas anderes sind als Banken oder IT-Unternehmen. Aber es gibt auch die ein oder andere Parallele, die es durchaus möglich macht von der scheinbar so anderen Branche zu lernen. Wer sagt denn, dass ich nur aus meinen eigenen Fehlern lernen darf? Manchmal ist es fast klüger, aus den Fehlern der anderen zu lernen. Der ein oder andere, der das hier gerade liest, wird sich sicher schon mehr als einmal gewünscht haben, dass die eigenen Kinder nicht unbedingt alle Fehler selbst machen müssen, sondern auch aus den Erfahrungen der Eltern Lehren ziehen. Tja, seht ihr, auf der einen Seite wirft man dieses Verhalten den eigenen Kindern vor, weil man sieht, dass sie es so viel leichter haben könnten, wenn… Aber auf der anderen Seite sind wir im Eifer des Gefechts auch nicht besser. Oder doch? Du hast jetzt die Möglichkeit, dir fünf bis zehn Minuten Zeit zu nehmen, um aus den Fehlern anderer zu lernen! Viel Spaß dabei!

Lasst uns mit dem anfangen, was Bohrinseln, Flugzeuge, IT Start-Ups, Banken und noch viele weitere Bereiche gemeinsam haben: Alle wollen in dem was sie tun erfolgreich sein, alle sind in ein dynamisches und komplexes Umfeld eingebettet und überall agieren Menschen. Ja, die jeweilige Definition von Erfolg ist komplett unterschiedlich aber die Faktoren auf menschlicher Ebene, die eine Organisation erfolgreich machen, sind überall die gleichen. Auf eben diese fokussieren wir uns in der nun folgenden Fallstudie.

Profit vs. Sicherheit - Wie risikobereit ist eine Organisation?

Piper Alpha war eine Bohrinsel im Piper-Ölfeld der Nordsee. Vor ihrer vollständigen Zerstörung am 06. Juli 1988 förderte sie zehn Prozent des gesamten Nordseeöls und -Gases zu Tage. Dabei war Piper Alpha ursprünglich gar nicht auf die Gasförderung ausgelegt. Jedoch änderten sich Ende der siebziger Jahre gesetzliche Vorgaben und das Erdgas, das als Nebenprodukt der Ölförderung allgegenwärtig war, durfte nicht mehr einfach so abgefackelt werden. Auch das Gas musste fortan gefördert werden. Also entschied man, Piper Alpha baulich ein wenig anzupassen, um weiterhin produktiv zu bleiben. Die entsprechenden Vorschriften verlangten, dass die Bereiche für die Öl- und Gasförderung baulich komplett getrennt sein mussten. Man baute eine Trennwand ein! Diese war sogar feuerfest, allerdings nicht explosionssicher. Eine solche Trennwand hätte es gegeben, aber das entsprechende Risk Assessment hatte irgendwie die Möglichkeit übersehen, dass Gas auch explodieren kann. Na ja, und dann war feuerfest wohl auch günstiger als explosionssicher.

Dahinter steckt natürlich die Frage danach, wie risikobereit eine Organisation ist oder sein möchte. Und natürlich stellt sich die Frage nach der Risikobereitschaft nicht nur in einem direkten Sicherheitskontext, sondern auch in einem abstrakteren Sinne. Nicht vorhandene IT-Sicherheit ist zwar nicht direkt tödlich, kann aber durchaus fatal sein. Und denken wir an Lehman Brothers zurück, dann spielt Risikobereitschaft auch auf den Finanzmärkten eine große Rolle.

Nun gut, die Betreiber von Piper Alpha, Occidental Petroleum und Texaco, haben sich für die risikoreichere Variante entschieden, die auch über zehn Jahre super funktionierte. In dynamischen und komplexen Umfeldern kommt es jedoch manchmal zu Kettenreaktionen, die einfach nicht vorhersehbar sind.

Chronologie des Versagens

In der Woche vor dem 06. Juli wurden neue Gasleitungen verlegt. Aus diesem Grund waren am späten Nachmittag des 05. Julis Taucher an der Plattform zu Gange. Um diese zu schützen, wurde das automatische Löschsystem vorübergehend ausgeschaltet, bzw. auf Handbetrieb umgeschaltet. Man will ja niemanden einsaugen, denn gelöscht wurde mit Meerwasser. Hierzu gab es auch eine klare Arbeitsanweisung, die jedoch besagt, dass man nur das System auf der jeweiligen Seite, an der die Taucher arbeiten, ausschaltet. Auf Piper Alpha hatte sich jedoch eingebürgert, das gesamte System abzuschalten. Das war einfacher und schneller. Aber das war auch ein klarer Regelverstoß und ein eingegangenes Risiko. Nun ist es jedoch so, dass wir alle ständig gegen Regeln verstoßen und Risiken eingehen. Ich erinnere nur ans Autofahren! Dabei verringere ich meine Erfolgsaussichten sicher anzukommen. Bewusst bin ich mir dessen natürlich nicht. Bis zu welchem Grad ein solches Bewusstsein geschaffen wird, ist Teil der Organisationskultur. Ich habe zum Beispiel viel Zeit in Südafrika verbracht. Damals gab es eine Initiative der Regierung, überall am Straßenrand großformatige Bilder von schrecklichen und tödlichen Unfällen aufzustellen. Ich muss nicht erklären, welchen Einfluss das auf meine Risikobereitschaft hatte. Auf Piper Alpha wurde das Thema Risiko im Zusammenhang mit Regelverstößen nie thematisiert. Vielleicht hat man ja auch über Jahre hinweg von der Risikobereitschaft profitiert, weil alles eben schneller ging, wie beim Autofahren. Diese über die Zeit antrainierte Sorglosigkeit nennen wir Human Factors Trainer Complancency. Und der Kölner nennt sie „et hätt noch immer juut jejange“ -oder so ähnlich.

Parallel zu den Wartungsarbeiten der Taucher war ein Arbeiter mit Wartungsarbeiten an einer der beiden Gaspumpen beschäftigt. Hierbei gilt es zu wissen, dass es auf Piper Alpha zwei Gaspumpen gab, jedoch immer nur eine in Betrieb war. Am 05. Juli wurde an der ausgeschalteten Pumpe A gearbeitet, als die Feierabendglocke schellte. Der Arbeiter, der an der Pumpe tätig war, hörte auf ohne fertig zu sein und deckte das Leitungsende mit einer Abdeckplatte aus Metall provisorisch ab. Das ist kein ungewöhnliches Vorgehen und hätte keine Folgen gehabt, wäre alles den Vorgaben entsprechend kommuniziert und damit transparent gemacht worden. Jedoch ist Kommunikation offensichtlich immer Teil des Problems. Der Arbeiter, der also in seinen Feierabend gehen wollte, füllte die Dokumentation vorschriftsmäßig aus, aber anstatt sie dem Schichtleiter, wie vorgesehen, persönlich zu übergeben, legte der Arbeiter sie lediglich auf den Tisch des Schichtleiters, welcher gerade beschäftigt war, annehmend, dass dieser das Formular schon sehen würde. Wie wir alle immer mal wieder, hat unser Arbeiter es eilig gehabt und ist Annahmen unterlegen. Das ist ein normales menschliches Verhalten. In einem dynamischen und komplexen Umfeld, in dem einfach alles zusammenhängt, kann das schwerwiegende Folgen haben. Denn dieses Formular wurde schlicht und ergreifend übersehen. Dann gab es plötzlich einen Ausfall von Pumpe B und damit die Förderung weitergehen konnte, wurde auf Pumpe A umgeschaltet, annehmend, dass die Wartungsarbeiten abgeschlossen wurden. Immerhin lag auch keine andere Information vor…

Transparenz und Kommunikation sind absoluten Säulen der New Work. Hier seht ihr wie unter einem Brennglas warum.

Und was es dann noch braucht, ist Eigenverantwortung und bewusste Selbstführung

Ich fasse mal zusammen: Es ist 21:57 Uhr, die provisorische Abdeckung von Pumpe A gibt nach und es tritt brennbares Flüssiggas aus. Es herrscht große Überraschung, weil die entsprechende Info untergegangen ist. Die daraus folgende erste Explosion tötet wahrscheinlich zwei Arbeiter. Das automatische Löschsystem war komplett abgeschaltet und da es brannte, kam man auch nicht an die manuelle Anschaltvorrichtung für das Löschsystem. Beim Versuch sterben weitere Arbeiter. Was mit zwei winzig kleinen Regelverstößen begann, mündet in einem Inferno. Habe ich erwähnt, dass die Trennwand zwischen Öl- und Gasförderung nicht explosionssicher war? -Ging ja lange genug gut.

Wenigstens ein Aufseher in der Leitwarte reagierte prompt und beendet per Notaus die Förderung auf Piper Alpha. Allerdings ist Piper Alpha durch Leitungsrohre mit zwei weiteren Bohrinseln verbunden: Tartan und Claymore. So fließt durch das Rohrsystem stetig Öl und Gas weiter in die brennende Bohrinsel. Das Notaus hat quasi nichts bewirkt. Die Verantwortlichen in den anderen Bohrinseln trauen sich nicht, ohne Anweisung vom Festland die Entscheidung zu treffen, ihre Förderung zu stoppen. Das könnte teuer werden und vielleicht könnte man am Ende Ärger bekommen. Es war schließlich die einsame Entscheidung eines Mitarbeiters, der dabei noch seinen Vorgesetzten overruled hat, die zum Notaus führte. Leider zu spät. Führung ist eben so viel mehr als Macht. Vor allem ist Führung Verantwortung! Nicht nur auf Bohrinseln. Je höher ich die Karriereleiter klettere, desto einsamer werden meine Entscheidungen gegebenenfalls und desto größer werden die Konsequenzen, mit welchen ich mich auseinandersetzen muss. Aber das ist Teil des Vertrages. Für diesen Mut gibt es das extra große Schmerzensgeld!

Zusätzlich sollte ich als Vorgesetzter auch immer daran interessiert sein, meine Mitarbeiter zu Eigenverantwortung zu motivieren und die Atmosphäre dafür zu schaffen. Dieser eine Kollegen, der den Mut hatte, seinen offensichtlich handlungsunfähigen Supervisor zu overrulen, hat für angemessenes, eigenverantwortliches und situatives Handeln einen Preis verdient. Diese Menschen brauchen wir überall, nicht nur auf Bohrinseln. Menschen, die sich bewusst selbst führen und einen starken inneren Kompass haben, verlieren auch in Hochstresssituationen nicht den Überblick und bleiben handlungsfähig.

Als dieser eine Mutige seine Entscheidung getroffen hat, stand Piper Alpha schon lichterloh in Flammen. Auch herbeigerufene Löschschiffe konnten nichts mehr ausrichten.

Die allermeisten Arbeiter handelten eins zu eins nach den Notfallvorschriften und versammelten sich im Wohnblock unterhalb der Hubschrauberplattform um auf Hilfe zu warten. Leider stand der Wind so, dass der Qualm jede Hilfe unmöglich machte. Einige Arbeiter haben sich entschieden, gegen alle Regeln und Vorschriften zu verstoßen und sind ins kalte Wasser gesprungen, obwohl ihnen im Training immer wieder gesagt wurde, dass das den sicheren Tod bedeute. Sie haben die Situation evaluiert und sind doch gesprungen.

Um 00:45 Uhr versank Piper Alpha schließlich im Meer. 176 Menschen verloren ihr Leben. Es gab nur 61 Überlebende. Es waren die, die sich entschieden haben zu springen. Diese 61 sind ein Beispiel dafür, dass Regelverstoß auch sinnvoll sein kann, wenn er auf bewusster Selbstführung und bewusstem Abwägen der Situation beruht. Denn wer sich selbst bewusst führt und somit den Überblick behält, ist in der Lage jede noch so komplexe und dynamische Situation rational zu bewerten und seine Handlungsalternativen bewusst einzuschätzen, ohne dabei von Stress, Bequemlichkeit, Frust, Wut oder Euphorie getrieben zu sein. Überhaupt bin ich als Coach der Meinung, dass bewusste Selbstführung eine der wichtigsten persönlichen Qualitäten ist, die es braucht um in dieser komplexen und dynamischen VUKA Welt nicht den Überblick zu verlieren. Ich kann jedem nur wärmstens ans Herz legen, sich damit auseinanderzusetzen.

Was bleibt ist die Frage nach der Schuld

Aber wieder zurück zu Piper Alpha und ihrem fatalen Ende: Wenn Menschen sterben, bleiben wir oft fassungslos zurück und natürlich hat man intuitiv das Bedürfnis, einen Schuldigen zu finden, um all diese Gefühle zwischen Wut und Trauer kanalisieren zu können. Aber wer ist denn nun schuld an der Katastrophe? Diejenigen, die keine explosionssichere Trennwand eingebaut haben, oder die, die gesetzlich verboten haben, Gas abzufackeln? Oder diejenigen, die wie so viele vor ihnen das automatische Löschsystem komplett ausgeschaltet haben? Vielleicht der Arbeiter, der wie so viele vor ihm das Formular lediglich auf den Tisch des Schichtleiters gelegt hat? Der Schichtleiter, weil er es übersehen hat? Vielleicht sind ja auch die Diensthabenden auf Titan und Claymore schuld, weil sie nicht den Notaus betätigt haben? Oder die Bosse auf dem Festland, weil sie den wirtschaftlichen Druck gemacht haben, der diese Entscheidung für die jeweiligen Schichtleiter unmöglich gemacht hat? Man könnte auch sagen, diejenigen die das Sicherheitstraining konzipiert haben, waren Schuld. Wären sie nicht gewesen, wären mehr Menschen ins Wasser gesprungen und hätten womöglich überlebt. Aber vielleicht war ja auch der Wind schuld, der an diesem Tag leider aus der falschen Richtung geweht hat…

In einem dynamischen und komplexen Umfeld ist es fast unmöglich, den einen Schuldigen zu finden. Manchmal findet man noch nicht mal einen, der genügend Rückgrat hat, die Verantwortung zu übernehmen. Häufig handelt es sich um ein systemisches Versagen und da wir alle Teile von Systemen sind, können wir auch Teil eines eben solchen Versagens sein. Was wir dagegen tun können? Bewusste Selbstführung, Risikobewusstsein, Selbstreflexion… Und natürlich können wir alle an unserem System arbeiten. -So, dass es transparent ist, Kommunikationswege genutzt werden, wir können an einer Kultur arbeiten, die Menschen Angst vor Entscheidungen nimmt, in dem Führung einen unterstützenden Charakter hat und wir können Feedback geben, in alle Richtungen, um eventuelle Missstände zu benennen und um täglich besser zu werden. So entstehen Lernende Organisationen und jeder von uns kann seinen Beitrag dazu leisten. Ihr dürft gerne direkt darüber nachdenken, welcher eurer sein kann.

Eure Constance

In einem dynamischen und komplexen Umfeld ist es fast unmöglich, den einen Schuldigen zu finden

Manchmal findet man noch nicht einmal jemanden, der genügend Rückgrat hat, die Verantwortung zu übernehmen

Warum es ohne Konflikte niemals zu High Performance kommt

Die zweite Dysfunktion (agiler) Teams: Angst vor Konflikten

All jene unter euch, die meinen Blog regelmäßig lesen, erinnern sich sicher noch daran, dass ich in der letzten Woche die fünf großen Dysfunktionen agiler Teams vorgestellt habe. Während ich mich in der letzten Woche schließlich auf die erste Dysfunktion, den Mangel an Vertrauen, fokussiert habe, weil diese Dysfunktion für mich so etwas wie die Mutter aller Dysfunktionen ist, möchte ich mich in dieser Woche mit der zweiten Dysfunktion, der Angst vor Konflikten, auseinandersetzen. Diese Dysfunktion steht völlig zurecht auf Platz zwei der Liste, da ohne Konfliktfähigkeit, das heißt ohne die Fähigkeit, Konflikte auszutragen, keine High Performance entstehen kann. Warum? Weil man ohne, dass man sich über unterschiedliche Meinungen und Ansichten auszutauschen, diesen wertvollen Input nicht zum Wohle des Teams nutzen kann. Oder wie Winston Churchill es ausgedrückt hat: “Wenn zwei Menschen immer die gleiche Meinung haben, ist einer von beiden überflüssig.” Ferner ist es so, dass ohne offene Auseinandersetzungen schwelende Konflikte im Team nicht aufgearbeitet und gelöst werden können. Ist das der Fall, wie soll man in einem Team blind zusammenarbeiten? Wie soll ich voller Vertrauen und auf meine Arbeit fokussiert Höchstleistung erbringen, wenn persönliche Bedürfnisse nicht eingebracht werden können, unterschiedliche Sichtweisen nicht ausgetauscht werden und Ärger übereinander einfach heruntergeschluckt wird? Richtig, gar nicht! All diese “rosa Elefanten” halten mich mal mehr und mal weniger von dem ab, was ich eigentlich tun sollte.

Merkmale von Teams mit Konfliktangst

Wissend, dass eine angemessene Konfliktkultur nun wichtig für die Performance eines Teams ist, stellt sich nun die Frage, woran ich als Vorgesetzter, Teamleiter, (Agile) Coach, Scrum Master, Product Owner, etc. merken kann, dass mein Team durch mangelnde Konfliktfähigkeit in seiner Performance gehemmt wird? Ich erzähle euch mal, wann ich als Agile Coach hellhörig werde:

  1. Taktieren hinter dem Rücken der Betroffenen stehen an der Tagesordnung: zum Beispiel werden in Einzelgesprächen mit mir als Coach, mit den Scrum Master, dem Product Owner oder dem Vorgesetzten Probleme benannt, die in Teamgesprächen jedoch nicht erwähnt werden. Insgesamt wird häufig übereinander gesprochen und der Flurfunk läuft sehr hochfrequent.

  2. Meetings sind eher langweilig und formal: eigentlich belanglose oder untergeordnete Themen werden in epischer Breite besprochen, ohne jedoch des Pudels Kern zu benennen und insgesamt wird am liebsten über rein formale Themen gesprochen. Persönliches und Zwischenmenschliches hat keinen Platz.

  3. Kontroverse Themen, die wichtig für den Erfolg des Teams sind, werden weitestgehend ignoriert: kontroverse Themen werden nur in Einzelgesprächen benannt, in Meetings und der täglichen Arbeit jedoch ausgeblendet. Auch wichtige Entscheidungen werden gerne so lange ignoriert, bis sie jemand anderes für das Team trifft (hier gerne der Chef, der Scrum Master, der Product Owner). Selbstverständlich werden die getroffenen Entscheidungen anschließend ausführlich diskutiert und in Frage gestellt. Es versteht sich von selbst, dass das nicht offen, sondern hinterm Rücken getan wird!

  4. Unterschiedliche Meinungen oder Perspektiven werden kaum gehört. Lieber wird geschwiegen.

  5. Die einzelnen Teammitglieder verbringen viel Zeit mit zwischenmenschlicher Absicherung und persönlicher Selbstdarstellung: in Meetings werden vor allem Erfolge und unkritische Themen hervorgehoben. Positive Aspekte werden gerne als persönliche Erfolge verkauft, während für negative Aspekte gerne schon im Vorfeld Ausreden und Entschuldigungen zurechtgelegt werden.

Und? Habt ihr etwas wiedererkannt?

Ich muss gestehen, wenn ich derartige Listen runtertippe, bekomme ich ein ums andere Mal Gänsehaut, weil ich natürlich das ein oder andere wiedererkenne. Mal habe ich es in Teams erlebt, mal habe ich es sogar selbst getan. Die Wahrheit ist nämlich, dass wir Menschen alle so aufgestellt sind, dass wir Konflikte tendenziell nicht toll finden und würden wir vorher gefragt werden, ob wir diesen oder jenen Konflikt haben möchte, würden wir diese Frage sicher klar mit Nein beantworten. Wir alle müssen unseren inneren Schweinehund überwinden, um potenziell konfliktträchtige Themen zu benennen. Jedoch ist den meisten von uns sicher klar, dass genau das nicht nur im privaten, sondern auch im beruflichen immanent wichtig ist, um erfolgreich zu sein. Schaffen es ganze Teams nicht, ihre inneren Schweinehunde zu überwinden und baden dafür lieber in einer oberflächlichen Harmonie, hat das nicht nur negativen Einfluss auf die Produktivität dieses Teams, sondern auch auf die Kreativität und Innovationskraft. Als Führungskraft, Product Owner, Scrum Master oder eben auch als (Agile) Coach muss ich hier aktiv werden.

Was kann man denn schon tun, als Coach oder Führungskraft

In so einer Situation ist guter Rat natürlich teuer und glaubt mir, auch für eine Coach und Mediator wird das niemals zur Routine, also zu mindestens nicht für mich. Steht ein konkreter, unausgesprochener Konflikt im Raum, muss dieser gelöst werden, eh er die Atmosphäre nachhaltig schädigt. Der Profi hierfür ist der Mediator und auch Coaches sind durchaus in der Lage, ein entsprechendes klärendes Gespräch zu moderieren. Liebe Führungskraft, wenn du dich mir einer derartigen Situation überfordert fühlst, ist das absolut OK, wahrscheinlich ist es sogar normal. Hol dir Hilfe!

Ist das akute Problem aus der Welt geschafft, empfehle ich einen Workshop, der im ersten Schritt aufzeigt, woher unterschiedliche Meinungen und Perspektiven kommen und warum es gerade diese Unterschiedlichkeit ist, die Teams besonders erfolgreich machen. Im zweiten Schritt empfiehlt es sich, den Workshop-Teilnehmern konkrete Tools rund um das Thema Kommunikation, Konfliktmanagement und Feedback mitzugeben. Zu meinem Repertoire gehört hierbei natürlich Schulz von Thun, die Konflikteskalation nach Glasl, das Harvard Prinzip, gegebenenfalls Gewaltfreie Kommunikation, auf jeden Fall aber das Drei-Welten-Modell von Bernd Schmitt und das WWW-Prinzip als Struktur für ein Feedback. Über alles habe ich im Rahmen meines Blogs bereits berichtet. Also blättere gerne zurück!

Darüber hinaus ist es wichtig, im Anschluss an den Workshop für Nachhaltigkeit zu sorgen. Als Coach ist es sinnvoll, mit besonders konfliktscheuen, ruhigen oder unsicheren Mitarbeiter das Einzelgespräch zu suchen. Für das gesamte Team empfehle ich regelmäßige Debriefings oder Retrospektiven, in denen die Zusammenarbeit besprochen wird. Derartige Termine sind gute Möglichkeiten für Coaches, potenzielle unausgesprochenes durch strategisch kluge Moderation ans Tageslicht zu befördern. Je häufiger die Kollegen die Erfahrung machen, dass Meinungsverschiedenheiten kein Drama sind, sondern mit Team gelöst werden können, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass der Coach als Moderator nicht mehr benötig wird! Tja, gute Coaches schaffen sich mit der Zeit eben leider selbst ab!

In diesem Sinne wünsche ich euch einen schönen Sonntag! Genießt den Sommer! Wir haben lange genug auf ihn gewartet!

Eure Constance

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Ran an die anderen Meinungen!

Kopf in den Sand oder Augen verschließen ist niemals hilfreich…