Gesellschaft

Sind wir die, die unendlich viel wissen und nichts mehr verstehen?

Die Suche nach Bedeutsamkeit

Nach meinem Workshop an der Uni in Maastricht Anfang Dezember schrieb mich eine der Studentinnen an. Sie untersucht im Rahmen ihrer Masterarbeit den Zusammenhang zwischen dem Konzept der “Job Meaningfulness”, also welche tiefere Bedeutung oder welchem Sinn wir unserem täglichen Tun geben, und Business Coaching. -Oder kurz gesagt welche Rolle Meaningfulness im Business Coaching spielt. In einem ersten Austausch zum Thema habe ich Jana spontan geantwortet, dass für mich als Coach die wichtigste aller Fragen, im Business wie auch privat, “Wofür?” ist. In einer zunehmend komplexen und immer dynamischeren Welt läuft der Mensch immer deutlicher Gefahr, die Richtung zu verlieren. Dieser Verlust an Richtung hat unterschiedliche Auswirkungen. Ich weiß, dass Burnout ein sehr vielschichtiges Krankheitsbild darstellt. Aber ich persönlich glaube nicht, dass Menschen primär ausbrennen, weil sie zu viel arbeiten, sondern weil sie nicht verstehen, wofür das alles gut sein soll. Wenn ich das Hamsterrad am Laufen halte, um das Hamsterrad am Laufen zu halten, kann das definitiv zu Frust, Demotivation und depressiven Verstimmungen führen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich das Thema “Social Change in Human Factors” für einen Workshop in der Luftfahrt beleuchtet habe. Damals, in den achtziger Jahren, war, so glaube ich mich zu erinnern, Volvo das erste “Fließbandunternehmen”, das verstanden hat, dass Mitarbeitende bessere Leistungen erbringen, weniger krank und zufriedener sind, wenn sie den Sinn und Zweck ihrer Arbeit im Kontext des großen Ganzen verstehen und nicht einfach tagein, tagaus die gleiche Schraube ins gleiche Loch drehen um die Schraube ins Loch zu drehen. Der Mensch hat ein intrinsisches Bedürfnis nach Bedeutsamkeit und Sinn. -Und kann auch nur so Höchstleistungen erbringen. Die Straße zum Erfolg ist somit also mit magischer Bedeutsamkeit gepflastert.

Auch im Rahmen von Entscheidungsfindungsprozessen spielt das Wofür, bzw. das Ziel oder die Bedeutung hinter der Entscheidung eine wichtige Rolle. Leider fehlt es uns im Alltag scheinbar immer wieder an Zeit, uns die Wofür-Frage zu stellen. Als Coach im Business-Kontext biete ich meinen Kunden, Einzelkunden, wie auch Teams oder ganzen Organisationsstrukturen, den Raum, sich dahingehend zu reflektieren. Mein “Wofür” als Coach sehe ich vor allem auch darin, Menschen dabei zu unterstützen, in einer unübersichtlichen Welt, die im Außen immer weniger Orientierung bietet, ihre Orientierung im Innen zu finden, ihren inneren Kompass, der dem eigenen Tun im Einklang mit individuellen Werten und Glaubenssätzen Sinn oder Bedeutung gibt. Denn machen wir uns nichts vor: Am Ende möchte niemand von uns ganz und gar bedeutungslos sein. So kann es die Bedeutung sein, die unseren Entscheidungen in einer mehrdeutigen und unübersichtlichen Welt die nötige Richtung gibt.

Ich bin sehr gespannt auf mein offizielles Interview im Rahmen von Janas Forschung und natürlich auf ihre Ergebnisse.

“… randvoll mit Wissen aber mager an Erkenntnis.”

So ging ich also in die Weihnachtszeit. Das Thema “Bedeutung” hat mich aber nicht mehr losgelassen. Warum, oder WOFÜR braucht es Armadas von Coaches, die Menschen dabei unterstützen ihre Richtung zu finden? Offensichtlich haben sich meine werten Kolleginnen und Kollegen ähnliche Gedanken gemacht. Vielleicht sind diese Gedanken Teil des Zeitgeistes… Bei LinkedIn bin ich über ein Zitat von Roger Willemsen gestolpert, das mit folgenden Worten endete: “Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Information, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erkenntnis.” Oder wie Oscar Wilde es viele Jahre zuvor ausdrückte: “We read too much to be wise.” Und auch damit stand der von mir so verehrte Wilde nur in der Tradition einer Erkenntnis, die noch viel älter war. “Sapere Aude!” -”Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen,” rief Immanuel Kant der Menschheit bereits 1784 zu. Aber was ist, wenn wir glauben, keine Zeit mehr zu haben, um zu denken. Unser Verstand ist langsam und träge. Das hat schon Daniel Kahneman ausführlich beschrieben.

In einer zunehmend digitalen Welt, in der Informationen in einer ungefilterten Flut überall und stets verfügbar sind, sind wir alle dazu verführt zu konsumieren, was das Zeug hält. Nehmen wir uns die Zeit, alles das in einen Kontext zu setzen, darüber zu reflektieren, uns bewusst zu werden, was das alles denn nun wirklich für uns bedeutet? -Wofür das alles hilfreich oder hinderlich ist? Ich kann nur für mich sprechen, aber mir fällt es durchaus schwer, mir dieses Zeit zu nehmen, weil ich immer wieder behaupte, dass ich sie nicht habe.

Die Stilblüten dieses Verhaltens nehmen wir meiner Meinung nach inzwischen selbst in höchsten politischen Diskussionen wahr. Vor ein paar Tagen sagt der Präsident des Verfassungsschutzes in einem Bericht der guten alten Tagesschau (ich bin super “old school” was meinen eigenen Medienkonsum betrifft!), dass er unsere Demokratie in Gefahr sieht! “Hoppala,” dachte ich mir. Die schweigende Masse müsse sich erheben. Und wahrscheinlich hat der damit irgendwie recht. Aber nun stelle ich mir vor, dass auch noch die schweigende Masse auf allen Kanälen ihre Meinung kundtut. Das entschleunigt in keinster Weise. Vielleicht trägt genau das sogar zu einer weiteren Eskalation bei.

Informationsflut bis zum Ende der menschlichen Freiheit?

Wie sollen wir als Gesellschaft nun umgehen mit diesem Überangebot an ungefilterter Information in einer Welt, die sich immer schneller zu verändern scheint? Die Diskussionen über die Kontrolle sozialer Medien oder über den Umgang mit künstlicher Intelligenz sind allgegenwärtig und ich merke, dass ich absolut zwiegespalten bin. Meine Freiheit (auch in Hinblick auf die Wahl meiner Informationskanäle) ist einer meiner höchsten Werte und bei dem Wort Medienkontrolle oder Zensur dreht sich mir der Magen um. Gleichzeitig denke ich an Kant: Für ein friedliches und erfolgreiches gesellschaftliches Miteinander braucht es vor allem auch Weisheit. Nun ist es so, dass wir ganz so wie Oscar Wilde es beschrieben hat vielleicht wirklich zu viel lesen, hören, sehen um wirklich weise zu sein. Was uns fehlt ist die Zeit selbst zu denken, zu hinterfragen, die Ziele hinter den Zielen zu erkennen, weil die omnipräsenten Fragen “wie?”, “wann?” und “warum?” sind. Verloren geht das Wofür. Wäre es hilfreich, mediale Kommunikation stärker zu regulieren? - Um Masse und Komplexität zu reduzieren, damit sich wieder mehr Menschen die Frage nach dem Wofür stellen können? Keine Ahnung…

Zurück zum Business Coaching

Wie um alles in der Welt komme ich von der Frage nach der Bedeutsamkeit im Business Coaching auf das Ende der Demokratie? Inzwischen überrascht es mich nicht mehr, wenn meine Themen aus dem Business Coaching mich dahintreiben, die großen gesellschaftlichen Fragen zu beantworten. Denn am Ende ist auch Business oder Job eingebettet in etwas viel Größeres, das wir Zeitgeist oder Kultur nennen. Und wie immer lässt sich dieser Zeitgeist im Nachhinein immer leichter beschreiben. Die allgegenwärtig Informationsflut, die gefühlte Demokratisierung von Information, die inzwischen für jeden in Echtzeit verfügbar ist, zeichnet unsere Zeit aus meiner Sicht besonders aus. Chats und Mail fliegen hin und her und ermöglichen uns, dass alles viel, viel schneller passiert. Diese Dynamik wächst stetig an. Durch diese unfassbare Dynamik verändern sich die Dinge immer schneller. Getrieben durch Globalisierung hängt plötzlich alles mit allem zusammen und eine Veränderung in Wuhan legt mein Leben in einem Dorf bei Frankfurt gefühlt in Nullkommanix lahm…

Eingebettet in diesen Zeitgeist macht unser Business-Umfeld es uns nicht leicht, den Überblick zu bewahren, zumal schnelle Reaktionen überlebenswichtig sind. Entscheidungen müssen getroffen und umgesetzt werden, wieder und wieder und schneller als die Konkurrenz. Menschen suchen fast verzweifelt nach einem Wegweiser im Außen. Doch auch diese Wegweiser im Außen verändern sich schneller als wir sie finden können. Aus diesem Grund wird unser innerer Wegweiser zur gefühlt wichtigsten Konstante in unserem Leben, um die Richtung zu halten. Nennt es Purpose, Meaningfulness, Wofür… Die aus meiner Sicht wichtigste Fähigkeit, die wir Menschen benötigen um in dieser dynamischen, komplexen, mehrdeutigen und unübersichtlichen Welt, die wir nun wohl VUKA nennen, ist die, unseren eigenen Kurs zu halten. Ja, Organisationen geben ihr Bestes, mit Hilfe von Strategien, KPIs oder Purposes Bedeutung und Richtung zu geben. Aus meiner Sicht braucht es jedoch vor allem die eigene innere Richtung, die Bedeutung oder den Sinn, auf den ich mein Tun ausrichte, um mit Klarheit entschlossen durch dieses Chaos zu schreiten. Ich als Business Coach bin der Rahmen, den es braucht um aus der täglichen Raserei auszusteigen, innerzuhalten und das Wofür zu klären. Ist die Bedeutung, das Ziel hinter dem Ziel, geklärt, passiert der Rest häufig von allein.

Liebe Jana, liebe Lesende, natürlich geht es im Leben und im Business immer auch um Erfolg. Dieser Erfolg ist aus meiner Sicht jedoch eng verwoben mit dem Wofür, mit dem höheren Ziel (eines Individuums, eines Unternehmens, einer Gesellschaft). Somit ist der Weg zum Erfolg aus meiner Sicht mit der magischen Erkenntnis der Bedeutsamkeit gepflastert. Deshalb möchte ich euch zum Abschluss Willemsens vollständiges Zitat nicht vorenthalten: “ Wir hatten unserem Verschwinden nichts entgegenzusetzen, rieben uns auf im engen Horizont einer Arbeit, die ein Unternehmen stärker, erfolgreicher, effektiver machen sollte, aber nicht Lebensfragen beantwortete, die das Überleben sichern helfen würden. Wir waren jene, die wussten, aber nicht verstanden, voller Information, aber ohne Erkenntnis, randvoll mit Wissen, aber mager an Erkenntnis.”

Wachstum um des Wachstums Willen nennt man in der Medizin Krebs. Rennen um des Rennen Willens, schneller-höher-weiter hin zu einem Ziel, das keiner jemals definiert hat, ist vielleicht das Krebsgeschwür unseres Zeitgeistes.

Habt einen Sonntag voller Sinn und Bedeutung!

Eure Constance

Lasst es magisch werden…

Der Weg zum Erfolg ist gepflastert mit der magischen Erkenntnis der Bedeutsamkeit unseres Tuns.

Weihnachtswunder und mehr: Die Wunderfrage als Coaching-Tool

Mein Weihnachtsgeschenk

In den letzten Jahren habe ich meinen letzten Artikel vor Weihnachten immer dazu genutzt eine kleine Anleitung zum “Selbst-Coaching” zu verschenken. Diese Tradition möchte ich in diesem Jahr gerne fortsetzen und habe entschieden, dieses Mal eine meiner liebsten Coaching-Tools mit euch zu teilen, auch weil es um Wunder geht und diese doch so wunderbar zu Weihnachten passen.

Steve de Shazer - Meister der Wunder

Die Methode, die ich gerne mit euch teilen möchte, ist Steve de Shazers Wunderfrage, die so viel mehr als nur eine Frage ist. Gemeinsam mit Insoo Kim Berg hat de Shazer diese lösungsorientierte Methode für kurzzeittherapeutische Ansätze schon in den 1980er Jahren entwickelt. Über die systemische Therapie hat die Wunderfrage sehr schnell Einzug ins Coaching gehalten.

Lehne dich zurück und entspanne dich…

Vielleich hast du ja gerade ein Thema, das du gerne gelöst hättest, oder ein Ziel, das du unbedingt erreichen möchtest. Das darf etwas ganz Kleines sein, aber auch gerne etwas ganz Großes. Wäre ich eine gute Fee, was dürfte ich für dich über Nacht wegzaubern, verändern oder neu hinzufügen? Welche eigene Verhaltensweise würdest du gerne ändern. Oder gibt es diesen einen Mensch, der dich immer wieder auf die Palme bringt, ohne dass du das möchtest? Ich weiß, da ist etwas. Nimm dir gerne einen Moment Zeit während du dich entspannt zurück lehnst und dein Thema findest.

Nun stell dir vor, heute Nacht passiert ein Wunder. Du wachst morgen auf und dein Thema hat sich gelöst, du hast dein Ziel erreicht. Schließe gerne für einen kurzen Moment die Augen und gehe durch deine Morgenroutinen, um für dich festzustellen, woran du als allererstes spürst, dass das Wunder eingetreten ist. Stehe auf, gehe vielleicht ins Bad um dich fertig zu machen, oder koch dir erstmal einen Kaffee oder Tee. Du putzt die Zähne, ziehst dich an, vielleicht machst du dir ein Frühstück, oder du gehst ohne Frühstück aus dem Haus. Gehe Schritt für Schritt durch deine ganz eigenen Morgenroutinen und beobachte an welcher Stelle du merkst, dass das Wunder über Nacht eingetreten ist. Reise danach gedanklich weiter durch deinen Vormittag. Woran merken die Menschen um dich herum, dass das Wunder eingetreten ist? Wer merkt es als erstes?

Schau dir die Szenen deiner Vorstellung ganz genau an. Was siehst du um dich rum? Welche Farben sind vielleicht besonders präsent? Gibt es etwas, das du hörst oder riechst? Hast du einen bestimmten Geschmack auf der Zunge? - Vielleicht Kaffee oder Tee, oder das Nutella Brot?

Du hast dein Ziel erreicht. Nimm deinen Körper einmal ganz genau wahr. Wie genau fühlt er sich an, nun, da du dein Ziel erreicht hast? Wo genau spürst du, dass du dein Ziel erreicht hast? Was hat sich in deiner Körperwahrnehmung verändert?

Und nun schau voller Stolz zurück, um den Weg zu betrachten, den du gegangen bist. Was war dein allererster kleiner Schritt hin zur Realisierung deines Ziels? Was war die erste kleine Veränderung, die du initiiert hast?

Vielleicht möchtest du dir diesen ersten Schritt kurz aufschreiben und dir deine Notiz anschließen noch einmal bewusst, Wort für Wort, durchlesen… Gibt es etwas, das dich davon abhält, diesen ersten Schritt gleich morgen zu gehen? - Wenn “nein” dann los! Worauf wartest du!? Wenn “ja” kannst du genau mit diesem Thema nochmals in die Wunderfrage einsteigen!

Die Wunderfrage: Viel mehr als eine Frage!

Ich nutze diese Methode oder Frage tatsächlich recht häufig und schon mehr als einmal habe ich das Feedback von sehr ausführlich gecoachten Menschen bekommen, dass sie diese Wunderfrage schon mehrfach in anderen Coachings gestellt bekommen haben, sie bei mir aber nun zum ersten Mal zu funktionieren scheine. Woran liegt das? Weil die Wunderfrage keine Frage ist, die man kognitiv beantworten kann. Vielmehr ist die Wunderfrage eine Methode, die dabei helfen kann, den Fokus vom Problem weg hin zur Lösung zu richten. Das Wichtigste hierbei ist aus meiner Sicht, nicht nur rein kognitiv zu arbeiten, sondern meinen Coachee ins Ganzheitliche erleben zu bringen. Es geht darum Bilder und Sinneswahrnehmungen zu konstruieren, die ein Lösungserleben ermöglichen. So unterstütze ich nicht nur einen Perspektivwechsel, sondern erhöhe mit einem einfach Trick die Wahrscheinlichkeit. dass mein Coachee sein oder ihr Thema auch wirklich angeht.

Das Gehirn und seine Eigenarten

Warum ist es so hilfreich, den Zielzustand in der Vorstellung in allen Details zu erleben? Ganz einfach: Weil unser Gehirn Erfahrungen in Form von Bildern, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäcken und Körpergefühlen abspeichert. Unser Gehirn unterscheidet hierbei prinzipiell nicht zwischen tatsächlich gemachten Erfahrungen und gut und detailreich konstruierten oder vorgestellten Erfahrungen. Ich verankere also den wundersamen Zielzustand tief in meinem Erfahrungsschatz und mach den gewünscht Zielzustand so greifbarerer und klarer.

Ein weiterer interessanter Aspekt hinsichtlich unseres Gehirns ist, dass Zeit keine natürliche Rahmenbedingung ist, sondern ein menschgemachtes Konstrukt darstellt. Wir Menschen haben uns Zeit und Zeitmessung als Möglichkeit zur Kategorisierung geschaffen, um unsere dynamischen und komplexe Welt zu sortieren, um die Dynamik und Komplexität unseres Alltags für uns zu reduzieren. Unser Gehirn kennt keine Maßeinheiten für Zeit. Auch eine detailliert konstruierte Erfahrung aus der Zukunft wird das Gehirn als Erfahrung abspeichern, als Erfahrung ohne zeitliche Kategorisierung. Und nun dürft ihr selbst einmal kurz überlegen, was der Unterschied ist, wenn ich eine herausfordernde Aufgabe zum ersten oder zum zweiten Mal mache… Genau, beim zweiten Mal fühlt es sich einfacher an, wirkt weniger einschüchternd oder sogar beängstigend. Und nun stellt euch mal vor, ihr habe dieses große Ziel, diese große Aufgabe und anstatt Sorge davor zu haben sagt euch euer Gehirn “Hey, kein Thema, das haben wir doch schon einmal gemeistert!”.

Weihnachten - Zeit für Wunder

Mit diesen Gendanken verabschiede ich mich in meine Weihnachtspause. Ich bin am 14. Januar mit meinem nächsten Blog zurück. Bis dahin wünsche ich euch allen eine friedliche Weihnachtszeit voller Wunder. Vielleicht habt ihr ja nun Lust bekommen, auch euer ganz eigenes Wunder zu initiieren.

Eure Constance

Wunder zu Weihnachten…

Habt einen wunderbaren, wundervollen, wunderschönen dritten Advent!

Maastricht und ich - Runde II

Mein ganz persönliches Weihnachtswunder…

Auch als ich in diesem Jahr nun schon zum zweiten Mal die Universität Maastricht betrat um den Masterstudentinnen und Studenten im Bereich Wirtschaftspsychologie einen Workshop anzubieten, kam es mir erneut surreal vor. Verrückt, wie sich die Dinge für mich gefügt haben. Ich weiß noch genau, wie ich zum ersten Mal darüber nachdachte, wie man die Ideen der Luftfahrt zum Managen eines dynamischen, komplexen und mehrdeutigen Umfeld in die Welt hinaustragen könnte, Und nun stehe ich hier, in diesem altehrwürdigen Gebäude mitten im Zentrum Maastrichts. Ich liebe das Sprachen-Wirrwarr in den Gängen und diese flüchtigen Begegnungen: “Das ist XY. Er forscht bei uns im Department an…!” Und ich denke mir nur: Wow! Eigentlich müsste ich mal für sechs bis acht Wochen als Praktikant zu Gast sein um überall reinzuschnuppern. Es ist alles so spannend und zeigt mir wieder und wieder wie viel es noch zu lernen gibt! Mein eines kleines Leben wird dafür kaum ausreichen.

Völlig selig und voller Vorfreude bereitete ich meinen Raum vor und begrüßte die ersten Studierenden. Immer an meiner Seite meine liebe Freundin Conny. Uns hat das Schicksal (oder besser gesagt ihr Onkel) während Connys Bachelorarbeit zusammengeführt. Damals schaute sie sich eines meiner Trainings in der Luftfahrt an. Sie forscht in Maastricht für ihre Doktorarbeit und ich darf von ihrem großen Wissen profitieren und vor ihr lernen. Conny war wahrscheinlich die erste, über die ich meine Idee, den Ansatz des Human Factors Trainings aus der Luftfahrt hinaus in die Welt getragen habe.

So könnte man meinen, mein Erfolg hinge auch viel mit dem Glück der zufälligen Begegnungen zusammen. Sicher hatte ich das große Glück, viele wunderbare Menschen kennenzulernen. Aber dieses Glück hat sicher jeder, der mit offenen Augen und einem offenen Herzen durchs Leben geht. Ich stehe heute da wo ich stehe, weil ich all dieses zauberhaften Begegnungen gepflegt habe, ich habe hart gearbeitet und meinen Tram nie aufgegeben, weil ich an diesen Traum und auch an mich selbst geglaubt habe. -Selbst in den Momentan, in denen ich von anderen dafür belächelt wurde.

Was die Business-Welt von der Luftfahrt lernen kann…

Mit Conny lächelnd in der ersten Reihe sitzend ging mein zweiter Workshop in Maastricht also los. Was wollte ich den Studierenden vermitteln? In der Business-Welt geht es inzwischen wie auch in der Luftfahrt darum, Dynamik und Komplexität zu managen. Die Luftfahrt hat bereits vor Jahrzehnten verstanden, dass einzelne Menschen Dynamik und Komplexität gar nicht managen können. Es braucht Teams mit multiplen Perspektiven, einer breiten Wissensbasis um der stetig anwachsenden Dynamik und Komplexität unserer Zeit gerecht zu werden. Aus diesem Grund ging es in meinem Workshop vor allem darum, was Teams brauchen um erfolgreich zusammenzuarbeiten. Und, was sagt ihr? Was brauchen Teams um erfolgreich zu sein? Als aller erstes brauchen sie einzelne Teammitglieder, die den Mut haben, Verantwortung zu übernehmen und den Mund aufzumachen. Teams laden gerne dazu ein, sich als Individuum hinter dem Kollektiv zu verstecken. Nur so funktioniert es eben nicht. Ich erzähle den jungen Studierenden von diesem Co-Piloten, der nicht den Mut hatte, seinen Kapitän auf etwas anzusprechen, das ihm falsch erschien. An diesem Tag verloren 583 Menschen ihr Leben und ich stelle die Frage, wer nun Schuld sei, der Kapitän, der den Fehler gemacht hat, oder vielleicht doch der Co-Pilot, der den Fahler kommen sah, den Mund jedoch nicht aufgemacht hat. In einem komplexen Umfeld ist die Schuldfrage meistens nicht eindimensional zu klären. Vielmehr gilt es Systeme zu konstruieren, die die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolges minimieren. Hierbei zählt jeder einzelne Akteur, jede einzelne Perspektive. Ich weiß noch, wie ich damals, als ich meine Grundschulung als Stewardess hatte, verstanden habe, dass meine Perspektive nicht wichtig ist, obwohl ich jung und unerfahren war, sondern weil ich jung und unerfahren war.

Psychological Safety als Basis

Wie schwer es trotzdem ist, im täglichen Tun den Mund stets aufzumachen, merkte ich fortan auf jedem Flug. Und bis heute erlebe ich täglich, dass der Unterschied zwischen Theorie und Praxis in der Praxis einfach größer ist, als in der Theorie. Bis heute habe ich immer und immer wieder Momente, in denen ich wider besseren Wissens lieber schweige, als spreche. Was braucht es also, um zu sprechen? Es braucht das Gefühl, dass es OK ist zu sprechen, dass es sicher ist zu sprechen.

Da tauchte sie also wieder auf, diese sagenumwobene Psychological Safety. Sie ist so schwer zu umschreiben und doch so klar zu spüren. Also habe ich den Teilnehmenden meines Workshops eine praktischen Übung mitgebracht, um eben auch erfahrungsorientiert zu lernen, zu fühlen eben. Denn Psychological Safety kann ich niemanden beibringen. Ich kann bestenfalls Gedankenfutter, Food for Thought, mitbringen, das meinen Teilnehmenden hilft ihre Richtung hin zum großen Ziel zu finden. Weiß ich, wie sich das Ziel anfühlt und welchen Beitrag ich dazu leisten kann, ergibt sich der Weg.

Ich habe mich unglaublich gefreut, dass auch die beiden anwesenden Professor*innen Therese und Wim mitgemacht haben. Und auch Conny, meine Freundin und Doktorandin, war mit Feuereifer dabei. Die Gruppe hat ganz hervorragend interagiert und konnte im Nachgang viele der Punkte, die sie zuvor im Rahmen ihres Studiengangs theoretisch besprochen haben, auch im praktischen Miteinander analysieren. Besonders spannend war die Frage, welche Rolle die Teilnahme von Wim und Therese hinsichtlich der Teamdynamik gespielt hat. Für Therese und Wim wohl eine recht große, da beide sich bewusst zurückgehalten haben, damit die Studierenden sich nicht eingeschüchtert fühlen und frei und offen interagieren. Eine der Studentinnen sagte dazu, dass für sie die Teilnahme der beiden an der Übung absolut keine Rolle gespielt habe. Sie hat nicht darüber nachgedacht und sich komplett frei verhalten. Wie besser kann man ein psychologisch sicheres Lernumfeld beschreiben oder analysieren? - Aber auch die Rolle von Führung, die Menschen Raum gibt, sich selbst zurücknimmt, damit die anderen wachsen können.

Ich war ausgesprochen glücklich, diese Interaktion beobachten zu dürfen. Betrachten wir uns unsere Themen und Probleme, die globalen und die lokalen, die großen und die kleinen, dann braucht es eine junge Generation, die in einem Umfeld groß wird, in dem sie von Anfang an dazu ermuntert werden, ihren Mund aufzumachen. Denke ich an meine Schulzeit zurück, wurde ich zur Zurückhaltung erzogen. Galt ich doch als jung und ahnungslos. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich wirklich ausreichend Mut hatte, offen kritisch zu sein, zu hinterfragen und Ideen anzubieten. Diese Zeit hat die nächste Generation wahrscheinlich nicht, wenn sie dieser Welt die neue Richtung geben will, die es braucht.

Was haben sich die Studierenden mitgenommen?

So verging mein Workshop wie im Fluge und ich habe um das akademische Viertel überzogen. Was ich mir jedoch nicht nehmen lassen wollte, war die Frage nach den Takeaways:

  • Eine positive Teamdynamik kann Fehler verhindern, auch wenn die Bedingungen und Umstände alles andere als gut sind.

  • Kultur und Haltung verspeisen auch in Transformationsprozessen Struktur und Prozesse zum Frühstück.

  • Speak up!

Gedanken zum Abschied…

Im Gehen haben Conny, Therese und ich noch darüber gesprochen, dass wir in einem kulturellen Wandel von der Tragweite der Industrialisierung stecken ohne es wirklich zu verstehen. Digitalisierung ist das große Thema unserer Zeit und wird Arbeitswelten und Arbeitskultur nachhaltig verändern. Auch deshalb braucht es ganz neue Ideen und Perspektiven. Ich erlebe noch immer vor allem qualitative und quantitativ messbare Veränderungsprozesse. Prozesse werden optimiert, was das Zeug hält… Aber am Ende schreit unsere Zeit wahrscheinlich nach substantiellen Veränderungen. Auch dafür brauche wir eine frische und neue Generation, die in der Lage ist, alles anders zu sehen, als wir. Unsere Herausforderung wird es sein, das auszuhalten! Der gegenwärtige Generationenkonflikt ist für mich durchaus greifbar.

Wo mich diese Veränderung hinführt? Keine Ahnung. Aber Coaches werden immer gebraucht. Denn der Mensch ist und bleibt die einzige Instanz, die in der Lage ist, Dynamik und Komplexität proaktive zu managen, wenn er denn die Richtung und den Überblick nicht verliert. Und ich als Coach bin an dieser Stelle wie eine Art Navigationshilfe für Individuen und ganze Organisationen. Ich persönlich denke, der Coaching-Markt wird sogar noch ein bisschen wachsen.

In diesem Sinne gehe ich jetzt auf den Weihnachtsmarkt und wünsche euch einen schönen ersten Advent!

Eure Constance

Maastricht und ich…

Und auch im nächsten Jahr wird sich das Riesenrad für mich weiterdrehen!