Führung

Wie Watzlawicks Konstruktivismus in der Luftfahrt Leben rettet und jeden einzelnen von uns vor Fehlern bewahren kann

Pippi und Paul in Teneriffa

Um zu verstehen warum das Wissen um Watzlawicks Konstruktivismus in der Luftfahrt Leben retten kann, müssen wir uns zunächst einmal anschauen, warum Flugzeuge überhaupt abstürzen. Achtung, es folgen ein paar Zahlen und ein kurzer Ausflug in die Unfallforschung!

Zahlen, Daten, Fakten

In seinen im August 2014 veröffentlichten statistischen Zusammenfassungen zum Thema Flugsicherheit stellt der US-Flugzeughersteller Boeing unter anderem dar, dass die Anzahl der Totalverluste (also Flugzeugabstürze) in der zivilen Luftfahrt von fast 40 pro 1 Millionen Flüge pro Jahr im Jahr 1959 auf statistisch fast null pro 1 Millionen Flüge pro Jahr im Jahr 2013 gesunken ist. Die zivile Luftfahrt ist in den letzten 50 Jahren also deutlich sicherer geworden. Der britische Psychologe James Reason, der als einer der Vordenker im Bereich der Flugsicherheit gilt, hat sich in einem Interview mit dem Fernsehsender 3Sat sogar zu der Aussage hinreißen lassen, dass ein schweres Flugzeugunglück nur sehr schwer herbeizuführen sei. Falls doch, erfordere dies eine fatale Kombination oder Verkettung mehrerer sehr unterschiedlicher Faktoren, Defekte, Fehler oder Nachlässigkeiten.

Ein bisschen was aus der Unfallforschung

Reasons Idee folgend gibt es in komplexen Hochrisikobereichen wie der Luftfahrt immer gleichzeitig mehrere sehr unterschiedliche Schutz- und Sicherungsmaßnahmen. Jede diese Maßnahmen stellt Reason in seinem Schweizer-Käse-Model als Käsescheibe dar. Fehler und Schwachstellen erachtet Reason als systemimmanent, weshalb jede dieser Käsescheiben Löcher hat. Schweizer Käse eben, kein englischer Cheddar! Im unwahrscheinlichen Fall eines Unfalls liegen diese Löcher in den unterschiedlichen Käsescheiben auf einer Linie. So entsteht eine Flugbahn durch alle Käsescheiben hindurch, auf der alle Sicherheitsbarrieren überwunden werden können.

Im Einzelnen stehen Reasons Käsescheiben für so unterschiedliche Faktoren wie Wettereinflüsse, Anflugrouten, Flugzeugtechnik, Flugsicherung, Navigationssysteme, menschliches Können oder menschliche Fehler und so weiter.

Swiss_Cheese_Model.JPG

The Swiss Cheese Model

James Reason

Anfang der 2000er Jahre hat die Deutsche Lufthansa im Rahmen einer zweijährigen Studie alle diese Faktoren in vier unterschiedliche Gruppen eingeteilt:

  1. Operationelle Faktoren, das heißt zum Beispiel Wetter, Wind, durch Topografie erschwerte Anflugbedingungen, etc. Alles Faktoren, die nicht beeinflussbar sind und worauf Piloten im Rahmen von Trainings entsprechend vorbereitet werden müssen.

  2. Der Faktor Mensch oder Human (die Luftfahrt liebt ihre Anglizismen!) ist in der nächsten Käsescheibe zusammengefasst. Dieser Faktor Mensch hat es echt in sich. Deshalb bin ich ja auch Human Factors Trainer geworden. Hier geht es um die menschliche Fehleranfälligkeit, getriggert durch Wahrnehmungsfehler oder Fallen (ich erinnere hier gerne an meinen letzten Blog), durch Stress, Übermüdung, etc.

  3. Auch die dritten Kategorie befasst sich wieder mit Menschen, allerdings hier mit der menschlichen oder sozialen Interaktion innerhalb des Teams oder der Besatzung. Hierbei geht es um Kommunikation, Führung, Konfliktmangement, Arbeitsteilung und das Verständnis darüber, dass jedes einzelne Teammitglied eine wichtige Ressource darstellt.

  4. Der vierte Bereich setzt sich mit der Technik auseinander, nicht nur der des Flugzeugs selbst, sondern auch der Technik am Boden, die der Flugsicherheit dienen soll.

Der Mensch als Schlüssel zum (Miss-) Erfolg

Besonders interessant für mich ist hierbei, dass zwei von vier Kategorien sich mit dem Menschen befassen. Der Mensch scheint im Bereich der Flugsicherheit also eine ganz besondere Rolle zu spielen. Das Bewusstsein darüber ist jedoch tatsächlich eher neuerer Natur. Wir gehen mal zurück in die Anfänge der eben zitierten Boeing Studie. Im Jahr 1959 endeten von einer Millionen Flüge also 40 in einer Katastrophe. Fliegen war damals augenscheinlich verdammt gefährlich. Die Gründe für alle diese sogenannten Totalverluste waren tatsächlich vor allem technischer Natur. Aus diesem Grund war es auch das oberste Ziel all jener, die sich das Thema Luftsicherheit auf die Fahnen geschrieben haben, die Flugzeuge zu verbessern, die Technik verlässlicher zu machen und so Unfälle zu verhindern. Absolut nachvollziehbar und das hat so auch sehr gut funktioniert.

So wurde Flugzeuge immer besser und imposanter. Man war auf einem guten Weg. 1969 hatte Boeings erster Doppeldecker, die B747 oder einfach der Jumbo, seinen Jungfernflug und Fliegen wurde immer mehr zu einem Massenphänomen. Allerdings ereignet sich am 27. März 1977 auf der Ferieninsel Teneriffa ein Unglück, dass die Luftfahrtindustrie dazu zwang, ihre Bemühungen um höchste Sicherheit neu zu überdenken.

Warum Flugzeuge abstürzen - ein Fallbeispiel

Die traurigen Ereignisse dieses Tages begannen mit einer Bombenexplosion auf dem Flughafen Gran Canaria, welcher infolge erstmal geschlossen wurde. Sehr viele Flugzeuge, die eigentlich dort hätten landen sollen, wurden auf den Flughafen von Teneriffa umgeleitet. Dies führte natürlich zu einer ziemlich trubeligen Situation in Teneriffa. Der Tower musste Tetris spielen, um alle Flugzeuge entsprechend zu sortieren und zu parken. Selbst Rollwege wurden als Parkplätze genutzt.

Unter den Flugzeugen, die auf ihren Weiterflug nach Gran Canaria warteten, waren auch ein Jumbo der US-amerikanischen Pan Am (die Älteren werden sich erinnern!) und einer der niederländischen KLM. Als der Flughafen von Gran Canaria wieder öffnete, erhielten beide Flugzeuge fast zeitgleich das OK loszurollen, um sich auf den Weg Richtung Nachbarinsel zu machen. Die KLM war als erstes an der Startbahn. Im Cockpit saß der Chefpilot und das Aushängeschild der Airline, Kapitän van Zanten, gemeinsam mit einem Ersten Offizier und einem Flugingenieur. Kapitän van Zanten hatte es eilig. Er wollte so schnell wie möglich nach Gran Canaria und zurück nachhause, nach Amsterdam. So stand die KLM Maschine startbereit an der Bahn. Inzwischen war starker Nebel aufgezogen. Deshalb konnte man die Pan Am Maschine, die gerade ein Stück über die Startbahn rollte, da der Rollweg mit geparkten Flugzeugen blockiert war, nicht sehen. Allerdings hörte zumindest der Flugingenieur Absprachen zwischen der Pan Am und dem Tower, in welchen Pan Am mitteilte, dass sie sich noch auf der Startbahn befinde. Zeitgleich erbat Kapitän van Zanten Startfreigabe, die der Tower ihm nicht erteilte. Die Pan Am befand sich ja noch auf der Bahn. Allerdings erteilte der Tower Kapitän van Zanten schon mal die Streckenfreigabe für seine geplante Route nach Gran Canaria. Ab hier überschlugen sich die Ereignisse wie im Zeitraffer. Es ist davon auszugehen, dass Kapitän van Zanten es inzwischen so eilig hatte, dass er die Streckenfreigabe als Startfreigabe missverstehen wollte. Der Flugingenieur fragt nur kurz, ob denn nicht die Pan Am noch auf der Bahn sei. Diese Frage hat Kapitän van Zanten ignoriert und Gas gegeben. Als die beiden Maschinen aufgrund des Nebels endlich Sichtkontakt hatten, versuchte Kapitän van Zanten noch den Flieger hoch zu ziehen. Der Kapitän der Pan Am versuchte sein Flugzeug noch neben die Bahn zu lenken. Zu spät! Es kam zur Katastrophe, bei der 583 Menschen ihr Leben verloren. Bis heute das größte Unglück der zivilen Luftfahrt ohne terroristische Beteiligung.

So viele Tote! Da wünschen nicht nur Angehörige eine angemessene Aufklärung. Die Unfallermittlung war dieses Mal aber irgendwie anders. Es gab kein technisches Problem. Und so stellte man recht schnell fest, dass es hier zu einem heftigen menschlichen Versagen gekommen ist. Zum Glück gab man sich aber nicht einfach damit zufrieden, den toten Kapitän van Zanten alle Schuld zu geben, weil er einen Fehler gemacht hatte. Man schaute sich ganz genau an warum er diesen Fehler gemacht hatte.

Pippi und Paul

Ab hier wird es dann richtig spannend, weil das führt uns zu Pippi und Paul und dem Konstruktivismus. Denn Kapitän van Zanten hatte den Ruf ein guter und kompetenter Pilot zu sein. Er wusste was er tat und hätte niemals absichtlich so viele Menschenleben, inklusive seines eigenen, riskiert. Er war der festen Überzeugung, richtig zu handeln. Das Pippi-Prinzip! Frei nach Pippi Langstrumpf machte er sich seine Welt, wie sie ihm gefällt. An diesem Tag hat es ihm dann eben gut gefallen, dass er eine zügige Startfreigabe bekommen hat, damit die Verspätung nicht ins Unermessliche anwächst. Weil Kapitän van Zanten das Recht hatte, sich seine Welt passend zu machen, hatte dies auch der Flugingenieur. Gleiches Recht für alle. Auch er durfte Pippi sein. Und in der Welt, die ihm gefallen hat, war es vielleicht deutlich wahrscheinlicher, dass der spanische Tower und die Piloten der Pan Am Blödsinn erzählen, als dass der am höchsten dekorierte Pilot seiner Airline einen Fehler macht.

Ein Jahr vorher, 1976, veröffentlichte Paul Watzlawick sein “Wie wirklich ist die Wirklichkeit” und es dämmerte auch den Unfallermittlern, dass Kapitän van Zanten zwar einen fatalen Fehler gemacht hat, allerdings nur, weil er so war wie Menschen eben sind. Das war die Geburtsstunde des Human Factors Training in der Luftfahrt. Die Bedeutung von Watzlawicks Konstruktivismus für die Flugsicherheit spielt bis heute eine wichtige Rolle. Hierbei geht es nicht darum, darzustellen, dass die menschliche Wahrnehmung mangelhaft ist. Der Mensch ist gut so wie er ist. Es geht darum, die unterschiedlichen Wahrnehmungen unterschiedlicher Menschen zu nutzen, um erfolgreicher zu sein. Es geht darum zu erkennen, was für eine großartige Ressource ein Team sein kann, wenn man nur den Mut hat, das auch so zu nutzen. Ich komme immer nur auf meine fünf Prozent (bewusst verarbeiteter Reize), interpretiert durch meine Persönlichkeit. Da sollte ich doch dankbar für jedes Teammitglied sein, dass die Dinge ganz anders sieht als ich. Denn so kommen wir vielleicht auf zehn oder zwanzig Prozent!

Für Führungskräfte

An dieser Stelle muss sich ein kleiner Exkurs für all jene unter euch in Führungsverantwortung anschließen. Vor einigen Jahre durfte ich im Rahmen einer Flugsicherheitskonferenz einen ehemaligen Techniker der KLM kennen lernen. Er kannte auch Kapitän van Zanten und sagte, er wäre ein beeindruckender Mann und ein guter Pilot gewesen, aber widersprochen hätte man ihm besser nicht… Mag sein, dass der Flugingenieur sich auch einfach nicht getraut hat, seinen Kapitän zu hinterfragen. Diese Art der Hierarchie und Unnahbarkeit leistete wahrscheinlich noch einen zusätzliche Beitrag zum Lauf der Dinge am 27. März 1977. Liebe Führungskräfte, seid ihr so aufgestellt, dass eure Leute euch im Zweifelsfall vor einem großen Fehler bewahren würden? Wie geht ihr mit Menschen um, die anderer Meinung sind? Pain in the ass? Seid ihr tolerant? Oder seid ihr wirklich schon so weit, andere Meinungen konsequent zum Wohl eures Unternehmens nutzen?

Für uns alle

Und ihr anderen? Wie geht ihr mit Kollegen um, die die Dinge anders sehen, als ihr? Die Erkenntnisse dieser Katastrophe helfen nicht nur der Luftfahrt. Denn Mensch ist Mensch, egal ob man ihn in eine Pilotenuniform, in einen Krankenschwesterkittel, in den schicken Anzug eines Investmentbankers oder in die Arbeitskleidung eine Koches steckt. Das einzige was uns unterscheidet, ist unsere jeweilige Definition von Erfolg. Lasst uns doch einfach alle so erfolgreich wie möglich sein. Das dann am besten mit dem Wissen darüber, dass wir alle löchrige Käsescheiben sind (und das ist OK so), wir aber darauf vertrauen dürfen, dass unsere Mitmenschen ihre Löcher wahrscheinlich an einer anderen Stelle haben. Nur gemeinsam sind wir dann doch eher Cheddar als Emmentaler!

Eure Constance

(Dieses “bleibt gesund” wollte ich mir eigentlich sparen, weil Corona langsam nervt, aber irgendwie gehört es dieser Tage wohl aus tiefstem Herzen und nicht als übliche Floskel dazu. Also: Bleibt gesund!)

Der Mechaniker und die Harvard Professorin

To be continued…

Ich plane nicht, dass die einzelnen Beiträge meines Blogs in irgendeiner Form aufeinander aufbauen. Vielmehr soll jeder einzelne Beitrag für sich ein kleiner Appetithappen sein, der Lust macht, ein wenig nachzudenken. Heute ist das etwas anders, denn ich möchte heute gerne nochmal auf unseren Automechaniker vom letzten Mal zurückkommen. Der Mechaniker, der dem Chef nicht gesagt hat, dass er keinen passenden Schlüssel hat um das Rad zu wechseln, das Rad aber trotzdem irgendwie gewechselt hat.

“Doof!” denkt sich der geneigte Leser und denke ich mir eigentlich auch. Von außen betrachtet wirken manche Fehler so glasklar, dass man leicht zu der Arroganz gelangen kann, dass einem selbst das so niemals passiert wäre. Vor allem, weil es von außen betrachtet ja auch kein großes Ding war: “Hey, Chef, ich kann das Rad so nicht wechseln. Mir fehlt der passende Schlüssel, um alles richtig fest zu ziehen.”

Selbstreflexion für Einsteiger

An dieser Stelle ist es Zeit für uns, ein wenig in uns zu gehen und für einen kurzen Moment ernsthaft darüber nachzudenken, ob es auch in unserer beruflichen Laufbahn Situationen gab, in denen wir eigentlich hätten etwas sagen sollen, es aber nicht getan haben. Je länger man nachdenkt, desto mehr dieser Situationen schießen einen durch den Kopf. Keine Sorge, das ist normal. Ihr seid normal funktionierende Menschen und keineswegs das, was man gerne als unprofessionell bezeichnet. Auf dieses Wort bin ich ohnehin einigermaßen allergisch, weil es das nicht gibt. Es gibt nur menschlich und es ist menschlich seinen Mund zu halten. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie es unsere bunte Welt ist. Sagt ihr mir, warum ihr den Mund gehalten habt. Ich habe es getan, weil ich nicht auffallen wollte, Angst vor einem Konflikt hatte, Angst davor, ein Außenseiter zu sein, Sorgen vor möglichen disziplinarischen Konsequenzen, Angst davor, zuzugeben, dass ich offensichtlich die Einzige im Team war, die mit etwas nicht klar kommt und so weiter und so fort. Überhaupt spielen Ängste und Sorgen beim Mund halten offensichtlich eine große Rolle.

Nun wissen wir nicht nur durch die von mir bereits erwähnte Harvard Professorin Amy C. Edmondson, dass das Lernen aus Fehlern eine absolute Basis für den Erfolg von Gruppen, Teams oder ganzen Unternehmen darstellt. Amy schreibt, dass erfolgreiche High Performance nur in sogenannten Lernenden Organisationen möglich ist. Wie aber soll die Organisation lernen, wenn alle Angst davor haben, Probleme anzusprechen oder Fehler zuzugeben.

Halbgötter in weiß

Einen Teil ihrer Forschung hat Amy C. Edmondson in Krankenhäusern betrieben. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass diejenigen Krankenhäuser, die von sich selbst sagten, dass es häufig zu Fehlern käme, insgesamt erfolgreicher waren (und hier wurde nicht der wirtschaftlich Erfolg gemessen, sondern Sterblichkeitsraten, Kunstfehler, etc.), als diejenigen Krankenhäuser, die behaupteten, bei ihnen würden -wenn überhaupt- nur selten Fehler gemacht. Spätestens hier dämmerte es Amy sicher: Fehler müssen etwas ziemlich gutes sein. Fehler retten Leben! Zugegebenermaßen, eine gewagte These. Es folgt die Einschränkung: Fehler retten Leben, wenn sie aufgearbeitet werden und dazu genutzt werden, Leistung und Prozesse zu optimieren.

Das Problem ist, dass viele unserer Fehler erstmal keine wahrnehmbaren Konsequenzen nach sich ziehen und deshalb bietet es sich geradezu an, diese unter den Teppich zu kehren, getreu dem Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch immer jot jejange! Die Gefahr ist hierbei immer, dass sich irgendwann zu viele kleine Fehler summieren, eine Fehlerkette entsteht und es den großen Schlag tut.

Zurück in die KFZ-Werkstatt

Die Frage, die sich hier unweigerlich stellt, ist, wie es gelingt, Menschen dazu zu bringen, Fehler aus freien Stücken zuzugeben und zu beleuchten. In der Praxis müssten wir uns fragen, was unser Automechaniker gebraucht hätte, um zu seinem Chef zu gehen und entweder schon vorher zu sagen, dass er die Aufgaben nicht erledigen kann, weil…, oder danach zum Chef zu gehen und zu sagen, dass er Mist gebaut habe. So hätte der Chef vielleicht den Kunden noch warnen können, eh der Unfall passiert wäre. Außerdem hätte er mit einer kleinen Investition seine Werkstatt retten können. Hierzu hat Amy eine ganz revolutionäre Idee (die eigentlich jedem von uns ebenso hätte einfallen können)! Wenn Angst uns davon abhält, den Mund aufzumachen, brauchen wir Sicherheit, die ein Gegengewicht zu unseren Ängsten darstellt. Sie nennt diese Sicherheit neuhochdeutsch Psychological Safety.

Wann immer ich im Rahmen meiner Workshops oder Vorträge auf dieses Thema zu sprechen komme, gibt es im ersten Schritt große Zustimmung. Psychological Safety ist super wichtig und alle möchten sie haben. Da man diese Sicherheit aber nicht auf dem Silbertablett serviert bekommt und ich auch leider noch keinen Weg gefunden habe, sie in Geschenkboxen zu verkaufen, entbrennt im zweiten Schritt für gewöhnlich eine sehr lebhafte Diskussion darüber, wer denn nun für diese Sicherheit verantwortlich sei. Ihr dürft gerne kurz selbst darüber nachdenken, eh ihr weiter lest.

Ich gebe unumwunden zu, dass Führungskräften auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion diesbezüglich eine besondere Rolle zuteil wird, aber spätestens wenn wir feststellen, dass auch Führungskräfte nur Menschen sind (ich weiß, das kommt für einige überraschend), die ebenso ein Sicherheitsbedürfnis haben und wir uns fragen, wer denn den Führungskräften Sicherheit gibt, merken wir relativ schnell, dass die Katze sich irgendwie in den Schwanz beißt. Am Ende sind wir alle für diese ominöse Psychological Safety verantwortlich. Alles in allem handelt es sich hier um ein unternehmenskulturelles Thema. Und wenn ich von Unternehmenskultur spreche, meine ich keineswegs diese schicken bunten Codes of Conduct, die alle Unternehmen in irgendeiner Form ausgearbeitet und den Mitarbeitern zum auswendig lernen übergeben haben. Ich meine das, was gelebt wird, jeden Tag, Hierarchien übergreifend. Hinterfragt Euch doch einfach mal, wie ihr mit euren Kollegen und Schnittstellen umgeht. Gebt ihr den Leute um Euch Sicherheit? Seid ihr nahbar genug, dass Kollegen euch auch jederzeit mit einem ihnen unangenehmen Thema ansprechen würden? Fühlt doch auch mal in euch rein, ob es jemanden in eurem beruflichen Umfeld gibt, der euch ein ganz besonderes Sicherheitsgefühl gibt. Woran liegt das? Kann ich mir davon vielleicht sogar etwas abschauen?

Wenn wir ein besonders hohes Leistungsniveau erreichen möchten, ist die Psychological Safety eine der beiden großen Grundvoraussetzungen. Die zweite möchte ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen. Denn wenn ich mich nur sicher fühle, schaffe ich es allenfalls in meine Komfortzone. Da ist es zwar ganz nett, auf Dauer aber auch todlangweilig. Innovation findet hier nicht statt. Um in die Weiterentwicklung zu gehen, brauche ich auch jemanden der mich fordert und mich sanft und behutsam aus meiner Komfortzone lockt. Ich verspreche, dass es dazu sicher auch noch einen Beitrag geben wird. Bis dahin kann ich euch nur ermuntern, an der Psychological Safety in euren Arbeitsumfeld zu arbeiten. Denn für heute soll es das gewesen sein.

Vielen Dank fürs durchhalten bis zum Schluss. Bleibt gesund!

Constance

Immer auf der Suche…

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