Wer versucht sich alle Türen offen zu halten...

… der läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen!

Meine neue Website ist online und damit auch meine neues, schärferes Profil als Coach und Consultant. Die für mich größte Veränderung ist, dass ich nach exakt 25 Jahren Luftfahrt dieser unendlich spannenden Branche den Rücken kehre. Es war zugegeben ein Abschied auf Raten. Schon vor vier Jahren habe ich meine geliebte Condor verlassen und war heilfroh, dass ich weiterhin als Human Factors und Security Trainer nebenbei einen Fuß in der Tür der Luftfahrt hatte. So habe ich mir diese Tür vier Jahre lang erfolgreich offen gehalten. -Aus Wehmut, aus Angst, aus Spaß, aus Unsicherheit… Ich glaube die Gründe waren vielfältig.

Mit meinem Re-Branding habe ich mich entschieden das Kapitel Luftfahrt nun für mich zu schließen. Bin ich wehmütig? -Oh ja! Ist mir die Entscheidung leicht gefallen? -Oh nein! Aber eine kluge Frau und Mentorin hat mir vor einigen Jahren einen Satz mitgegeben, den ich nicht nur in meiner Rolle als systemischer Change Manager immer wieder zitiere: “Keine Veränderung ohne Preis!”. Der Preis, den ich nun zahle, um in meiner Rolle als Coach und Consultant den nächsten Entwicklungsschritt zu gehen, ist der endgültige Abschied aus der Welt der Flugzeuge, die ich jedoch sicher immer im Herzen tragen werde.

Über Risiken und Chancen

Wer versucht sich alle Türen offen zu halten, läuft Gefahr sein Leben auf dem Flur zu verbringen. Dieser landläufige, flotte Spruch verdeutlicht den verzweifelten versuch, sich alle Optionen offen zu halten, ohne eine klare Entscheidung zu treffen. Letztlich verharrt man dadurch in einem Zustand der Unentschlossenheit oder Passivität, anstatt aktiv zu werden und seinen Weg zu gehen. Aber “Wege entsteh dadurch, dass man sie geht” (F. Kafka). Dieser Spruch ist inzwischen nicht nur zum Motto meines Coaching Instituts geworden, sondern auch zu meinem ganz persönlichen.

Klar, wer immer auf dem Flur bleibt, meidet Risiken. -Ein nicht unerhebliches Argument in unseren gefühlt unsicheren Zeiten. Allerdings verpasst man so auch Chancen und die Möglichkeit, tiefere Erfahrungen zu machen, oder etwas bedeutendes zu erreichen. Das Leben ist nun mal eine Aneinanderreihung von Möglichkeiten, die wiederum mutige Entscheidungen einfordern, auch wenn das bedeutet, manche Optionen aufzugeben. Ansonsten fliegen diese Möglichkeiten und somit unser Leben einfach so an uns vorbei.

Warum bleiben Menschen manchmal lieber auf dem Flur?

Es gibt sicher mehrere, vielleicht auch gute Gründe, warum Menschen lieber auf dem Flur bleiben, also in einem Zustand der Unentschlossenheit verweilen. Vielleicht kennt ihr diese Flurmomente ja auch aus dem eigenen Erleben. Woran lag es, oder liegt es, dass ihr euch auf dem Flur aufgehalten habt, nicht durch die Tür gegangen seid um euren Weg entstehen zu lassen? Hier eine kleine Liste der häufigsten Gründe für Unentschlossenheit:

  1. Angst vor Fehlern und Konsequenzen: Viele Menschen fürchten, eine falsche Entscheidung zu treffen, die negative Konsequenzen für sie haben könnte. Diese Angst vorm Scheitern oder einem möglichen Verlust lässt sie zögern und kann zu Vermeidungsverhalten führen.

  2. Perfektionismus: Perfektionismus lässt uns oft nach der bestmöglichen Entscheidung suchen. Da es in unserer komplexen Welt selten die eine perfekte Wahl gibt, bleiben Menschen manchmal in der Analysephase stecken, stets auf der Suche nach weiteren Informationen und besseren Optionen.

  3. Überforderung durch zu viele Möglichkeiten: In einer Welt voller Optionen kann die Vielzahl an Entscheidungsmöglichkeiten überwältigend wirken. Dieser fast schon als “Tyrannei der Wahl” empfundene Zustand kann dazu führen, dass Menschen sich lieber gar nicht entscheiden, um nicht mit ihrer Wahl einer Option eine andere Möglichkeit auszuschließen.

  4. Mangelndes Vertrauen in die eigene Urteilskraft: Wenn Menschen sich hinsichtlich ihrer Entscheidung unsicher sind, zweifeln sie oft auch an sich selbst. Sie wollen sich alle Optionen offen halten um nicht mit den Konsequenzen ihrer Unsicherheit konfrontiert zu werden.

  5. Verlustangst: Eine Entscheidung bedeutet auch immer sich auf etwas festzulegen und damit andere Möglichkeiten aufzugeben. Es gibt Menschen, die von einer tiefen Angst etwas zu verpassen oder zu verlieren getrieben sind und deshalb lieber in einem Zustand der Offenheit bleiben. Neuhochdeutsch bezeichnet man dieses Phänomen heute als FOMO - Fear of Missing Out.

  6. Sozialer Druck und Erwartungen: Der Wunsch die Erwartungen anderer zu erfüllen, oder wenigstens nicht negativ aufzufallen, kann ebenfalls dazu führen, dass Menschen Entscheidungen meiden oder hinauszögern. Sie wollen es allen recht machen und meiden deshalb klare Positionen,

  7. Unbewusster Gewinn: Manchmal hat das Vermeiden von Entscheidung den Vorteil, dass man keine Verantwortung übernehmen muss, man bleibt in einer bequemen Positionen und meidet das Risiko sich zu exponieren oder gar zu versagen.

Diese Faktoren können alleine oder in Kombination dazu führen, dass Menschen sich schwer tun, eine Tür zu durchschreiten und lieber auf dem Flur bleiben. Um diesen Zustand zu überwinden braucht es Selbstreflexion, Mut und die Akzeptanz, dass nicht jede Entscheidung perfekt sein muss. In meinen Trainings in der Luftfahrt habe ich den Teilnehmenden immer versucht mitzugeben, dass die einzige absolut falsche Entscheidung die ist, die nicht getroffen wird. Denn dafür fliegen Flugzeuge einfach zu schnell! Und wenn mir mal ehrlich sind fliegt auch unser Leben zu schnell an uns vorbei, als dass wir es uns wirklich leisten könnten in abwartender Passivität zu verharren.

Keine Veränderung ohne Preis!

Ich habe meine Entscheidung nun also getroffen und selbstverständlich gab es auch Faktoren, die es mir leichter gemacht haben, das Thema Training und vor allem die Luftfahrt hinter mir zu lassen, meinen Preis zu zahlen.

Ob ich das Fliegen vermisse, hat mich auf meinem Rückflug aus dem Urlaub vor einer Woche eine ehemalige Condor-Kollegin gefragt. Nein, gar nicht! Ich habe etwas gefunden, das mich mich heute so erfüllt, wie es vor einigen Jahren die Luftfahrt getan hat. In meinem Leben ging und geht es in erster Linie um Menschen. Flugzeuge waren hierbei nicht mehr und nicht weniger als ein unglaublich cooles Hilfsmittel. Es sind die Menschen um mich herum, die mich in all ihren Facetten faszinieren. Ich bin neugierig auf die Menschen um mich, möchte über sie lernen und ich möchte verstehen. Das ist es, was mich wirklich antreibt. Und das ist es, was es mir möglich macht, Türen hinter mir zu schließen. Ich kenne mein Ziel, ich weiß wo ich hin möchte, habe meinen Purpose gefunden. Das macht es einfacher, Dinge zurück zu lassen und sie gleichzeitig weiterhin im Herzen zu tragen. -Deshalb volle Kraft voraus in die Richtung, die ich vor 25 Jahren als junge Stewardess in meinem ersten Human Factors Training eingeschlagen habe.

Ich wünsche euch einen schönen, herbstlichen Sonntag.

Eure Constance

Schön, so ein Flur

Aber es wäre doch auch sicher spannend, in das ein oder andere Zimmer hineinzutretet, zu schauen, was es dort gibt!

Goldene Buddhas und verschüttete Persönlichkeiten

Zeit für einen Cut

Bei mir werfen große Ereignisse ihre Schatten voraus. Im September werde ich mich für einen Sabbatical-Monat zurückziehen. In dieser Zeit wird auch mein Blog pausieren und am 6. Oktober in neuem Gewand zurück sein. Meinen freien Monat werde ich für einen ausführlichen Hausputz nutzen. Impuls bekommt ein komplettes Make-over. Seid gespannt – ich bin es tatsächlich auch! Auf Instagram nehme ich euch gerne mit auf meine Reise durch den Sabbatical-Monat. Den Link zu meinem Instagram-Profil findet ihr auf meiner Homepage unter "Kontakt". Dort wird nicht nur das Make-over für Impuls eine Rolle spielen, sondern auch der Umgang eines Workaholics wie mir mit verdammt viel Freizeit! Ein Teil von mir freut sich wie verrückt auf diese Auszeit, ein anderer Teil ist recht nervös. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so viel freie Zeit hatte und ich bin mir noch nicht sicher, was ich damit anfangen werde. Ganz entspannt einfach mal nichts tun – das ist eine große Fähigkeit, die ich über die letzten Jahre ziemlich verlernt habe.

Für meinen letzten Artikel vor meiner Auszeit habe ich eine Metapher gewählt, basierend auf einer wahren Geschichte, die mich selbst seit letztem Wochenende so fasziniert, dass ich sie nun auch auf diesem Wege mit euch teilen möchte.

Seit einigen Wochen nehme ich gemeinsam mit drei wunderbaren Coach-Kolleginnen und -Kollegen an einem Peer-Coaching-Programm zur Persönlichkeitsentwicklung teil. Denn auch, oder gerade, als Coach ist man nie ganz fertig mit sich selbst. Im Rahmen dieses Programms gibt es spannende Tagesimpulse, wöchentliche Meetings in der Peer-Gruppe und an jedem Wochenende ein umfangreiches Programm zum Schwerpunktthema der kommenden Woche. In dieser Woche war und ist das Thema Empathie mit sich selbst, um nicht zu sagen: Selbstliebe. Ich weiß nicht, wie sehr und wie bedingungslos ihr euch liebt oder ob ihr, wie ich, gerne Bedingungen wie Leistung und Perfektion an eure Liebe zu euch selbst knüpft. Schon verrückt! Ich wünschte, ich wäre mit mir selbst so liebevoll, geduldig und empathisch, wie ich es mit anderen sein kann. Woher kommt diese relative Härte zu sich selbst? Im Rahmen meines Programms habe ich letzten Sonntag diese Geschichte gehört, die als Metapher großartig zur Liebe zu uns selbst und zu all den Bedingungen, die wir häufig daran knüpfen, passt.

Der Goldene Buddha von Bangkok

Ich hatte das Glück, schon einige Male den beeindruckenden Goldenen Buddha von Wat Traimit sehen zu dürfen. Diese gefühlt alles überstrahlende Statue ist über drei Meter hoch und besteht aus massivem Gold. Sie wiegt etwa fünf Tonnen. Schätzungen gehen davon aus, dass diese Statue etwa 700 Jahre alt ist. Tief beeindruckende Rahmenparameter, deren ich mir durchaus bewusst war, als ich ehrfürchtig vor dieser im Lotussitz sitzenden Buddhastatue stand. Was ich nicht kannte, waren die Details des bewegten Lebens, das dieses Abbild Buddhas bereits hinter sich hatte. Die monumentale Statue wanderte in den Jahrhunderten durch die Hände diverser Könige innerhalb und außerhalb Thailands. Als es wieder einmal zu einer Welle von Angriffen aus dem Ausland kam, entschieden die Mönche des Klosters, in dem sich die Statue befand, den wertvollen Buddha komplett in Gips zu hüllen, um bei eventuellen Plünderungen seinen wahren Wert zu verschleiern. Bei den erwarteten Angriffen kamen wahrscheinlich alle Mönche des Klosters ums Leben. Somit gab es niemanden mehr, der den wahren Wert dieser Statue kannte. Selbst als die Statue 1935 in einen neuen Tempel gebracht wurde, da ihr ursprünglicher Standort einem Sägewerk weichen musste, ahnte niemand ihren wahren Wert. Erst als die Statue bei Bauarbeiten im Jahr 1955 vermeintlich beschädigt wurde, sprang der Gipsmantel auf – und was zum Vorschein kam, war pures Gold!

Unser aller goldener Kern

Um den Gefahren des Lebens zu trotzen, um sich zu schützen, legte sich der Goldene Buddha von Wat Traimit eine Schale zu, die seinen wahren Kern verschleierte. Diese Schale, dieser Mantel aus Gips, wurde so selbstverständlich, dass die inneren Werte des Buddhas in Vergessenheit gerieten. Man sah nicht das strahlende Gold, sondern diesen unscheinbaren Panzer, der den Buddha schützen sollte.

Ähnlich verhält es sich mit unserer Seele, dem tiefen goldenen und strahlenden Kern unserer Persönlichkeit. Wir werden als reine, strahlende Persönlichkeiten geboren – angstfrei und voller Urvertrauen in uns selbst und die Welt. Leider lernen wir viel zu schnell, dass das Leben gefährlich ist. Egal, wie liebevoll umsorgt ein Baby ist, beginnt es schon früh zu kämpfen oder sich anzupassen, um sein Überleben zu sichern. So beginnt sie ganz langsam zu wachsen, diese Gipsschicht, die unseren strahlenden Kern überlagert. Nennt diese Gipsschicht Glaubenssätze, Traumata, Urängste, Erfahrungen, innere Antreiber … Sie werden mehr und mehr, je älter wir werden. Die Gipsschicht um unseren strahlenden Kern wird immer dicker. Wir finden unseren Weg durchs Leben, gehen in den Kindergarten und die Schule, lernen, uns anzupassen, um Anerkennung zu bekommen, Freunde zu finden, geliebt zu werden. Brave Mädchen machen keinen Ärger! Leistung und Anpassung generieren Liebe. Die Gipsschicht wächst weiter und weiter, getrieben von der Angst vor Ablehnung, der Angst, nicht gut genug zu sein, keine Freunde zu haben, keinen Partner zu finden, im Beruf nicht erfolgreich zu sein. So entwickeln wir Verhaltensweisen, die uns schützen sollen, uns aber gleichzeitig stets in einem Zustand des Kämpfens halten. Angespannt sind wir immer irgendwie auf der Hut. Wir agieren aus Angst und dem Bedürfnis, uns schützen zu müssen. So werden wir nicht nur mit anderen streng oder kritisch, sondern auch mit uns selbst. Wir müssen diesem perfekten Bild entsprechen, um gut, sicher und geliebt durchs Leben zu gehen. Aber was passiert, wenn der Gipsmantel springt, unsere strahlende Persönlichkeit zum Vorschein tritt, die nicht aus Motiven der Angst und des Selbstschutzes, sondern aus Vertrauen und Liebe heraus agiert? Im Umgang mit sich selbst und auch im Umgang mit anderen? Was, wenn wir nicht das Schlechteste in anderen Menschen und in den Möglichkeiten, die sich uns bieten, sehen? Was, wenn wir stattdessen nur das Beste, das Liebenswerte und die Chancen sehen? Wahrscheinlich hüpfen wir dann glücklich wie Kinder strahlend und neugierig durch unser Leben – durch ein Leben, das sich im Außen sicher nicht ändert, sich aber ganz sicher anders anfühlen wird.

Ich werde die nächsten Wochen auch dazu nutzen, noch regelmäßiger und routinierter mit diesem goldenen Kern, diesem strahlenden Persönlichkeitsanteil von mir, in Kontakt zu treten. Er ist da, vollumfänglich. Über all die Jahre des Selbstschutzes und des Kämpfens ist er jedoch ein wenig verschüttet und in Vergessenheit geraten, ganz so wie der goldene Kern des Buddhas von Wat Traimit. Ich möchte noch neugieriger und noch wohlwollender mit den Menschen um mich herum sein. Denn die Liebe, der Respekt, die Achtung und Wertschätzung zu sich selbst schließen Liebe, Achtung und Wertschätzung für andere nicht aus. Die eine Form der Liebe bedingt die andere.

Wenn ihr Lust habt, tut es mir gleich. Und solltet ihr euch Begleitung auf eurer ganz individuellen Reise hin zu mehr (Selbst-)Liebe und mehr (Selbst-)Vertrauen wünschen, um noch erfolgreicher, klarer und selbstbewusster durchs Leben zu gehen, wüsste ich da einen guten Coach. Meldet euch gerne – auch schon im September. Es ist nicht auszuschließen, dass ich mich sehr darüber freue, wenn ich etwas zu tun bekomme!

Genießt die letzten Sommertage und den bunten, magischen Übergang zum Herbst – und bleibt meinem Blog auch Anfang Oktober treu.

Eure Constance

Auf der Suche nach dem inneren Strahlen

Die Schutzschilder des Lebens stets im Blick.

Resilienz als Kernkompetenz in einer komplexen und dynamischen Welt

Von Hypes und Modeerscheinungen

Resilienz- Modeerscheinung oder Kernkompetenz? Der Begriff selbst geistert nun schon seit einigen Jahren durch die Wirtschaftswelt und unweigerlich stellt sich die Frage, ob das Thema wirklich so groß und wichtig ist, oder ob es sich um die nächste sprichwörtliche Sau handelt, die durch jedes Dorf getrieben wird. Wir sprechen inzwischen nicht nur von resilienten Individuen, sondern auch von resilienten Systemen und Prozessen, resilienten Teams und sogar von resilienten Organisationen. Was ist dran an diesem vermeintlichen Allheilmittel? Ich selbst bin erstmals vor zwölf Jahren als Human Factors Trainer in der Luftfahrt über dieses Thema gestolpert, als Resilienz in den verpflichtenden Trainingssyllabus für Cockpit- und Kabinenbesatzungen aufgenommen wurde. Was hat es auf sich mit dieser Resilienz? Welche Bedeutung hat dieses Phänomen in einem dynamischen und komplexen Umfeld wie zum Beispiel der Luftfahrt? Dazu musste ich zunächst einmal verstehen, was Resilienz genau ist.

Resilienz - eine Begriffsklärung

Der Begriff Resilienz entspringt dem lateinischen Wort “resilire”, das auf Deutsch so viel heißt, wie “zurückspringen” oder “abprallen” und ursprünglich wurde dieser Begriff auch gar nicht in der Psychologie, sondern in der Physik verwendet. Hier beschreibt er die Eigenschaft eines Körpers (wie zum Beispiel einer Feder), nach seiner Verformung in seinen ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Die Psychologie hat den Begriff irgendwann übernommen und beschreibt mit dessen Hilfe die psychische Widerstandsfähigkeit, Krisen zu bewältigen, bzw. die Fähigkeit während oder nach stressvollen Ereignissen seine psychische Gesundheit zu erhalten, bzw. schnell wieder herzustellen. So weit weg von der ursprünglichen Idee der Physik ist das für mich tatsächlich nicht. Ich stelle mir vor, dass meine Seele (oder wie auch immer ihr euer Gefühlsleben zusammenfassen möchtet) durch ein einschneidendes Ereignis kurzzeitig ein wenig aus der Form gerät, dann jedoch wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet und auf dem Weg dahin sogar noch etwas über sich selbst lernt. In der Praxis kann man Resilienz zum Beispiel an Menschen wahrnehmen, die unter widrigsten Umständen groß werden, trotzdem nicht von ihrem Weg abkommen und sich später erfolgreich in die Gesellschaft einordnen. In diesem Zusammenhang hat die US-amerikanische Psychologin Emmy Werner (die übrigens in Eltville am Rhein geboren wurde) in der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts eine richtungsgebende Studie durchgeführt, die unter dem Namen Kauai Studie in die Annalen der Resilienzforschung eingegangen ist.

Eine weitere viel beachtete Studie hat der US-Amerikaner Aaron Antonowsky mit Holocaust-Überlebenden durchgeführt. Hier fiel auf, dass es Überlebenden von Verfolgung und Konzentrationslagern gab, denen es nach ihrer Befreiung recht schnell gelang wieder Fuß zu fassen und sich ein erfülltes und glückliches Leben aufzubauen. Andere hat der Schrecken der Schoah zeitlebens so intensiv verfolgt, dass sie nicht mehr in der Lage waren, sich ein normales und zufriedenstellendes Leben aufzubauen. Erlebt hatten beide Gruppen durchaus Vergleichbares. Der Unterschied war, dass die Teilnehmenden aus der ersten Gruppe allesamt eine höhere Resilienz aufwiesen, als die der zweiten Gruppe. Mit einer hohen Resilienz ist es den Menschen schneller gelungen, sich an neue Rahmenbedingungen anzupassen, im Schrecken, wie im Schönen, und den Blick in die Zukunft zu richten, um die Vergangenheit weitestgehend zurückzulassen.

In der Psychologie wird Resilienz auch immer wieder Zusammenhang mit Menschen verwendet, die jede nur denkbare Art der Lebenskrise (schwere Krankheit, Krieg, Drogenabhängigkeit, etc.) erfolgreich durchstehen, oder die sich von plötzlichen Traumata (plötzlicher Verlust eines nahen Angehörigen, Vergewaltigung, etc.) zügig und vor allem abschließend erholen. Es geht also um die Flexibilität unserer Seele.

Wo kommt meine eigene Resilienz her?

Die wissenschaftliche Suche nach den Ursprüngen der individuellen Resilienz ist eine noch recht junge und aktuelle Suche. In den Jahren 2008, 2012 und 2014 kamen drei unabhängige Studien mit Zwillingen zum Schluss, dass etwa 40 Prozent unserer individuellen Resilienz genetisch bedingt ist. Ob das jetzt viel oder wenig ist? Keine Ahnung. Immerhin bleiben ganze 60 Prozent übrig, die zum einen durch individuelle Erfahrung geprägt sind, die wir insbesondere im Laufe unserer Kindheit und Jugend machen. Zum anderen hängt Resilienz auch mit unserer inneren Haltung oder unseren inneren Bewertungsprozessen zusammen. Manchmal ist es einfach nur eine bewusste Entscheidung, ob das Glas denn nun halb voll oder halb leer ist. Bei all der Genetik und dem Umstand, dass ich neben meinen Genen auch meine Kindheit nicht mehr ändern kann, empfinde ich das als tröstlich. Ich kann offensichtlich selbst an meiner Resilienz arbeiten. Es gibt zahlreiche Hinweise, dass Resilienz tatsächlich trainierbar ist. Die US Army führt seit 2009 gemeinsam mit der Universität von Pennsylvania ein sehr aufwendiges und kostenintensives Resilienztraining für ihre Soldaten durch und auch bei der Bundeswehr gewinnt die “psychische Ressourcenstärkung” zunehmend an Bedeutung. In diesen Trainings geht es ähnlich wie in meinen Coachings vor allem um Mindset-Arbeit, um die bewusste Reflexion der eigenen Haltung und um Strategien zur bewussten Gestaltung dieser Haltung. Die Zielsetzung dieser speziellen Trainings im Kotext der Streitkräfte ist es, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer posttraumatischen Belastungsstörung nach einem traumatischen Erlebnis im Einsatz zu minimieren. Je resilienter der Mensch, desto geringer die Wahrscheinlichkeit als Folge eines Traumas an einer PTBS zu erkranken.

Und was ist mit all jenen, die nicht in den Krieg ziehen?

Auch wenn sich unsere dynamische, komplexe, mehrdeutige und ungewissen Welt, die wir inzwischen kurz als VUKA beschreiben, ein bisschen nach Krieg, oder wenigstens nach einer schweren Schlacht anhört, ist wirklicher Krieg für die meisten von uns zum Glück sehr weit weg. Ja, der ein oder andere Kunde, Chef oder Kollegen lässt anderes vermuten und auch die Konkurrenz stellt hier und da ein verdammtes Drohszenario dar. In den aller wenigsten Fällen hat das jedoch wirkliches Potenzial für ein Trauma! Also was um alles in der Welt sollen wir Otto-Nomarlos in Friedenszeiten mit Resilienz?

Resilienz als Kompetenz in einer komplexen und dynamischen Welt

Unsere (Arbeits-) Welt ist in den letzten 30 Jahren immer dynamische und komplexer geworden und wir Menschen sind gut beraten uns immer wieder und wieder anzupassen. “Change” oder Veränderung ist schon lange kein singuläres Event mehr, sondern vielmehr ein Dauerzustand. Nichts ist so gewiss wie die Ungewissheit und nichts ist so sicher wie die Veränderung. Um hier flexibel mitgehen zu können, braucht es eine flexible Seele, oder eine hohe Resilienz.

Auch Führung hat sich in diesem Kontext stark verändert. Traditionell war es der Chef, der die höchste fachliche Kompetenz hatte und aus dieser Kompetenz heraus genau sagen konnte, wer was wie und wann machte, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Inzwischen geben Chefs nach wie vor das Ziel vor. Der Weg dort hin ist nicht selten eine Einzelfallentscheidung. Rahmenbedingungen und auch technische Voraussetzung verändern sich so schnell, dass auch der Weg zum Ziel sich stetig verändert. Und an dieser Stelle betrachten wir ausschließlich die gestiegene Dynamik. Das Thema Komplexität lasse ich hier zur Vereinfachung der Betrachtung außen vor. Der Job von Führung im Rahmen der Zielerreichung ist es folglich vor allem Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer die Mitarbeitenden selbstständig erarbeiten, was genau sie wann und wie tun müssen, um das Ziel zu erreichen. Diese neue große Freiheit auf Teamebene hat einen Preis: Der oder die einzige, die mich in diesem neuen Kontext, den wir gerne als New Work bezeichnen, vor einer Überlastung bewahren kann, bin ich selbst. Gefragt ist an dieser Stelle die Fähigkeit der sogenannten bewussten Selbstführung, die uns differenziert entscheiden lässt, wie stark wir uns abgrenzen müssen oder möchten, wo wir eine ausgewogene Balance zur Perfektion ziehen und wie bewusst wir unsere Erfolge wahrnehmen, um nicht im Hamsterrad der New Work verloren zu gehen. Nun sind wir also wieder beim Modell von Iris Fischer, das ich euch bereits in meinem letzten Artikel vorgestellt habe und kehren zurück zu meiner initialen Frage: Ist Resilienz eine Modeerscheinung? -Ganz klar nein! Aus meiner Sicht handelt es sich bei Resilienz nicht nur um eine absolute Kernkompetenz in der modernen Arbeitswelt, sondern auch um eine wertvolle Überlebensstrategie in wunderschönen, aber auch dynamischen, komplexen und unklaren Zeiten.

Wie leer oder voll sind eure Gläser? Wie ist es um euere Haltung bestellt und wie flexibel seid ihr? Die Beschäftigung mit diesen oder ähnlichen Fragen ist ein erster Schritt, sich dem großen Thema Resilienz selbstständig anzunähern. Für all jene, die tiefer eintauchen wollen oder vielleicht sogar das Gefühl haben zu müssen, stehe ich in meiner Rolle als Coach sehr gerne zur Verfügung. Die ein oder anderen Idee, wie ich arbeite, habe ich euch ja bereits im letzten Artikel dargestellt.

Eure Constance

Resilienz

Die Anpassungsfähigkeit an jede Umwelt…