Der Humble Consultant - beraten in Demut und Bescheidenheit

Und weiter geht die wilde Fahrt

In den letzten Jahren teile ich in meinem Blog nicht nur fachliche Themen, sondern immer mal wieder auch persönliche Meilensteine. Mein letzter Meilenstein war meine Reise nach Maastricht im letzten Dezember und heute ist es erneut an der Zeit über einen nächsten wichtigen Schritt zu schreiben. Seit erstem April (und nein, es ist kein Scherz) arbeite ich hauptberuflich nicht mehr als Agile Coach, sondern als Organizational Effectiveness Consultant. Aus dem Coach wurde also über Nacht ein Consultant! Abgesehen davon, dass der Titel sich bestimmt recht spannend anhört, ist das vielleicht attraktivste an diesem Job, dass er sich noch entwickelt und die abschließende Tätigkeitsbeschreibung in Teilen noch im Werden ist. Ich darf also selbst gestalten. Für Manche recht chaotische Voraussetzungen, für mich ein Traum. Ich bleibe in meiner Abteilung, gemeinsam mit meinen bisherigen Kolleg:innen. Eigentlich ändert sich erst einmal nicht so viel und trotzdem war das Thema Rollenfindung oder genauer gesagt Rollendefinition bereits im Vorfeld ein recht Großes für mich. “Coach oder Consultant?”, war die große Frage.

Der Berater, der weiß wie es geht, sagt wie es geht und dann wieder verschwindet…

Irgendwo in meinem Kopf versteckt sich noch immer ein recht stereotypes Bild eines Beraters oder Consultants: natürlich männlich, teurer Anzug und noch viel teurere Uhr, stets busy, busy, busy. So rauscht er rein ins Unternehmen, analysiert Zahlen und Prozesse nach festen Schemata und erstellt basierend auf diesen Analysen Empfehlungen. Er spricht laut und lacht noch viel lauter mit seinen Berater-Freunden! Zahlen, Daten, Fakten! Gedacht wird in FTEs und nicht in Menschen. Kognitive oder emotionale Diversität lassen sich nicht berechnen oder analysieren und kommen deshalb nicht vor. Ängste übrigens auch nicht! In meiner kunterbunten Welt mit absolutem People-Fokus ist das kein besonders schmeichelhaftes Bild und sollte keinesfalls zum Selbstbild werden! Somit habe ich mich sehr intensiv damit beschäftig, welche Art Beraterin oder Consultant ich sein möchte oder sein kann.

Für mich ist jede Organisation, jede Organisationseinheit, jedes Team eine Art lebender Organismus, individuell und einzigartig, mit ganz individuellen Bedürfnissen und Gesetzmäßigkeiten. Schema-F gab es bei mir noch nie. Die Basis für den Erfolg dieser Organisationen sind aus meiner Sicht ihre Menschen, in ihrer Individualität, Diversität und Emotionalität. Dem gilt es auch in der Beratung Rechnung zu zollen. Erfolg bedeutet für mich heute mehr denn je, die Dynamik, Komplexität und Unklarheit unserer Zeit erfolgreich zu managen. Das geschieht nur bedingt durch Prozesse. Diese stellen lediglich eine gute Basis dar, weil sie das Potenzial haben, Menschen zu entlasten. Auch Algorithmen und zunehmende Digitalisierung haben nicht das Potenzial Dynamik und Komplexität zu managen. Sie können in Hinblick auf Komplexität vielleicht entlasten. In Hinblick auf die Dynamik unserer Zeit bin ich davon überzeugt, dass zunehmende Digitalisierung und Automatisierung die Dynamik noch zusätzlich befeuern. -Fast ein kleiner Teufelskreis! Welche Instanz bleibt nun also um durch erfolgreiches Managen von Dynamik und Komplexität für Erfolg zu sorgen? -Natürlich: der Mensch, bzw. Gruppen aus Menschen die ihr Wissen, ihre Perspektiven und ihre Erfahrungen erfolgreich im Team nutzen.

Der Mensch als Schlüssel zu Erfolg unserer Systeme

Wie kann ich nun also ausgerechnet den Schlüsselfaktor Mensch in meinen Effizienzanalysen außer Acht lassen? Wie kann ich für unterschiedliche Systeme immer wieder die gleichen Lösungen anbieten? Dies soll mein Weg nicht sein! Ich möchte bei den Menschen beginnen. Ich möchte beraten, indem ich mich auf die Menschen in den jeweils betrachteten Systemen einlasse, mich mit ihnen auseinandersetze und ihnen einen Raum schaffe, ihre Lösungen zu finden. Als Beraterin möchte ich bescheiden, fast demütig sein, da ich mir sicher bin, dass niemand ein System so gut kennt, wie die Menschen, die Teil des Systems sind. Dementsprechend werden diese Menschen auch stets in der Lage sein, eine deutlich passendere Lösung für ihre jeweiligen Systeme zu finden, als ich. Ich habe Ideen, Erfahrung und Vorschläge, aber es wäre doch töricht zu glauben, ich hätte allgemeingültige Lösungen…

Und dann kam Edgar H. Schein

So haderte ich nun also mit mir selbst und meiner Rollendefinition, als mir ein Buch in die Hände fiel: “Humble Consulting - die Kunst des vorurteilslosen Beratens” von Edgar H. Schein. Der Titel hat mich direkt gefangen und auch der Umstand, dass der im Januar verstorbene Professor Emeritus des MIT Ed Schein als einer der Begründer dessen gilt, was wir heute Organisationsentwicklung oder Change Management nennen, sprach für sich. Ich habe es quasi über Nacht gelesen und kann nun voller Stolz verkünden: ich bin ein Humble Consultant, eine bescheidene und vorurteilslose Beraterin!

Hier für euch, die Kerngedanken aus Scheins Ansatz, die mich sofort vereinnahmt haben:

Die Voraussetzung für Humble Consulting ist eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Berater:in und Kund:in. Schein nennt sie Level 2 Beziehung, die aus seiner Sicht tiefer geht als eine klassische respektvolle Business-Beziehung (Level 1), jedoch mehr Abstand und Abgrenzung erlauben als intime Beziehungen, die Schein als Level 3 bezeichnet. Diese vertrauensvolle Beziehung ist die Basis dafür, dass Berater:in und Kund:in gemeinsam die wahren Sorgen und Probleme im betrachteten System ergründen können, offen und vorurteilsfrei. Im Rahmen dieses Prozesses ist es unabdingbar, dass der/die Berater:in offen und neugierig zuhört. Das Gehörte wiederum wird genutzt, um authentische Fragen zu stellen, die auch dazu dienen, ganz neue Denkprozesse in Gang zu bringen. Spätestens hier ist der Übergang zwischen Humble Consulting und (systemischen) Coaching fließend, empfiehl Schein doch an dieser Stelle die komplette Palette systemischer Fragen. So erarbeiten sich Kund:in und Berater:in gemeinsam und mit Hilfe eines Insider-Blickes und der Perspektive von außen ein tieferes Verständnis der Themen, die das System oder die Organisation einschränken.

Aus diesem gemeinsamen Verständnis entstehen im Sinne von Humble Consulting eine Intervention, die schrittweise oder iterativ erfolgt. Diese bedachtsamen Anpassungen entwickeln sich im stetigen Austausch mit den Menschen im betrachteten System.

Natürlich spielen auch im Rahmen dieses Beratungsprozesses Performance-Indikatoren oder Kennzahlen eine wichtige Rolle und auch prozedurale Abläufe, Schnittstellen und der Bereich Performance Management wird durchaus betrachtet. Deren Analyse stellt jedoch nicht den ersten Schritt meiner Arbeit dar, sondern ergeben sich ggf. aus der gemeinsamen Analyse mit meinen Kunden und Kundinnen. Die komplexen, oder eigentlich schon fast chaotischen Herausforderungen unserer Zeit benötigen eben ein menschenzentriertes Modell des Beratens, Coachens, Unterstützens.

Ja, ich denke so passt das für mich. So kann ich arbeiten. Schein schreibt, dass sein Modell des bescheidenen oder vorurteilslosen Beratens davon ausgeht, dass Berater:innen sich dafür engagieren, unterstützen zu dürfen, eine Menge echter Neugier mitbringen und eine fürsorgliche Grundeinstellung haben, was bedeutet, dass Humble Consultants die Bereitschaft haben, herauszufinden, was ihre Kunden und Kundinnen tatsächlich bewegt oder beunruhigt. Ich finde das passt doch ganz gut zu mir. Und was den teuren Anzug und die noch teurere Uhr anbelangt kann ich ja einfach mal schauen, was die Zukunft so bringt!

Habt einen wunderschönen Sonntag und bis in zwei Wochen.

Eure Constance

Coach oder consultant?

Oder vielleicht Consultant mit dem Mindset eines systemischen Coaches?

Angst ist eine Leistung - wirklich!

“Wer Angst hat, hat Zukunft.” G. Schmidt

“Was?”, dachte ich mir, als ich mich im Rahmen der Jahreskonferenz der Milton Erickson Gesellschaft für meinen ersten Workshop bei Gunther Schmidt angemeldet habe. Nun gut, er wird schon wissen, wie er seine Workshops tituliert. Aber Angst und Zukunft…?

Ich war also in Kassel und sollte mich unter der Überschrift “Out of Fear” drei Tage lang mit Ängsten beschäftigen. Ängste sind keineswegs Therapeuten vorbehalten. Auch im Business Coaching lauern sie überall. - Versagensängste, Existenzängste, Angst vor Digitalisierung, Angst nicht gut genug zu sein, Angst nicht mithalten zu können, zum alten Eisen zu gehören, Angst vor der Blamage, Angst vor der Veränderung, Angst vor Gesichtsverlust … Ich kenne sie alle, auch aus dem eigenen Erleben. Warum also nicht drei Tage lang dazulernen, um mich als Coach noch kompetenter mit diesem Thema auseinandersetzen zu können?!

Ich nehme vorweg, das Angebot war riesig. Ich habe mich für zwei Workshops bei Gunther Schmidt entschieden um mehr über hypnosystemische Ansätze in der Arbeit mit Ängsten zu lernen, ich war bei Ortwin Meiss, der sich mit Versagensängsten in Hochleistungssituationen auseinandergesetzt hat. Prof. Bernhard Pörksen hat die durch die moderne Medienlandschaft initiierte Angstspirale beschrieben. Von Tilman Rentel habe ich wertvolle Impulse zur idiolektischen Gesprächsführung für das Coaching bei Angstthematiken bekommen und von Charlotte Cordes und Florian Schwartz durfte ich einiges zur provokativen Szenenarbeit im Coaching lernen. Im Prinzip sollte ich zu jedem einzelnen Workshop einen Blog schreiben. Vielleicht werde ich das auch Schritt für Schritt tun. Allerdings möchte ich heute damit anfangen, davon zu berichten, wie ich am letzten Wochenende meine eigenen Perspektive auf Angst grundlegend verändert habe.

“Die Arme, sie leidet so unter ihren Ängsten!”

Ich gebe zu, so oder so ähnlich schallte es in meinem Kopf, wann immer ich mit den Ängsten anderer konfrontiert wurde. Und dann kam Gunther Schmidt, der erklärte, dass die große Stärke von Menschen mit Ängsten ihre Zukunftsorientierung sei. Angst habe ich für gewöhnlich nicht “nach” etwas, sondern “vor” etwas, also vor etwas, das im zeitlichen Kontext vor mir liegt. Angst blickt konsequent in die Zukunft. Klar spielen hier auch Erfahrungen aus der Vergangenheit eine Rolle, aber der Fokus liegt auf der Zukunft. Überhaupt ist Angst etwas ausgesprochen Kraftvolles und Aktives. So jedenfalls stellte es Gunther Schmidt dar. Wie alle Emotionen hält auch sie uns “in motion”, also in Bewegung, lässt uns aktiv werden.

Das alles klingt nicht besonders bemitleidenswert. Gunther Schmidt fuhr fort und berichtete, dass Angst im Prinzip eine Leistung des Organismus sei, um bestimmte Ziele zu erreichen. Angst darf als Wegweiser in die Sicherheit betrachtet werden, oder wie Gunther Schmidt es beschrieben hat: als Undercover-Verkleidung unserer Sehnsucht nach Sicherheit. Evolutionshistorisch betrachtet waren es Ängste, die wie Bodyguards auf uns aufgepasst haben, dafür gesorgt haben, dass wir in Bewegung geblieben sind, das Ziel der Sicherheit stets im Kopf und im Herzen. Angst als unwillkürliches Phänomen hat also das Überleben der Menschheit gesichert, wird aber in unserer modernen Gesellschaft zunehmend zum Thema.

Mein Haus, mein Auto, meine Ängste und ich

Was ist passiert, auf dem Weg von der Höhle in unsere coolen, neuen Smart-Homes? Die Menschheit hat begonnen das unwillkürliche Phänomen der Angst zu objektivieren und sich damit in ein Opferempfinden manövriert: “Meine Angst, sie ist schuld! ICH will so ja gar nicht reagieren, aber ES passiert einfach!” Mit mir geschieht etwas und ich fühle mich ausgeliefert und hilflos. Die objektivierte Angst übernimmt meinen Körper, meinen Geist, meine Seele. Besessen von den kleinen Dämonen meiner Angst erlebe ich vor allem Ohnmacht oder Handlungsunfähigkeit. Nun ist guter Rat teuer. Was tun, um meine Ängste loszuwerden? Vielleicht wäre es ja hilfreich, im ersten Schritt zu überlegen, ob es überhaupt klug ist, meine Ängste loszuwerden. Immerhin helfen sie mir dabei, zukunftsorientiert zu sein, sie passen auf mich auf und sorgen dafür, dass ich in Bewegung bleibe, in Bewegung Richtung Sicherheit. Will ich in diesen verrückten Zeiten wirklich auf meinen Bodyguard verzichten? Unter Umständen könnte es viel besser sein, meinen Bodyguard einfach wie alle anderen guten Angestellten sicher zu führen, anstatt in rauszuschmeißen.

Mein Bodyguard namens Angst

Wie in der tatsächlichen Mitarbeiterführung ist es auch im Rahmen der Führung meines inneren Teams immanent wichtig jeden einzelnen Mitarbeitenden bestmöglich zu kennen, um ihn als Ressource zielorientiert zum Einsatz zu bringen. Also lasst uns diesen Bodyguard namens Angst etwas besser kennenlernen.

Dieser Bodyguard wird genährt durch meine Aufmerksamkeitsfokussierung auf ein einziges mögliches Szenario in der Zukunft. Wir alle kennen unsere Zukunft nicht. Wir alle haben tausende oder gar millionen mögliche Zukünfte. Unser Bodyguard, die Angst, pickt sich aus all diesen möglichen Szenarien eines heraus, auf das er all unsere Aufmerksamkeit richtet. Wichtig ist es nun zu verstehen, dass unser Bodyguard nicht so vorgeht, um uns zu ärgern. Nein, unser Bodyguard macht das, um bestmöglich auf uns aufzupassen. Wer stets vom Schlimmsten ausgeht, ist jederzeit bestmöglich auf alle Gefahren vorbereitet. Im Verlauf der Evolution hat sich bei uns Menschen eine selektive Priorität für Gefahren entwickelt. Wir alle haben uns aus der Genetik der “Angstbereiten” entwickelt. Die Mutigen waren zu langsam und am Ende nicht in der Lage ihre mutigen Gene weiterzugeben.

So sind wir gut ausgestattet mit den Bodyguards unserer Ängste. Ich bin mir sehr sicher, dass nicht nur ich davon berichten kann, wie ich mich fühle, wenn mein Bodyguard zur Höchstform aufläuft. Vielleicht gibt es noch andere Menschen, die schon einmal versucht haben, diesen Bodyguard zu bekämpfen und vielleicht bin ich nicht die Einzige, die die Erfahrung gemacht hat, dass der sicherste Weg ein Problem zu verstärken ist, es zu bekämpfen. Druck erzeugt eben immer Gegendruck, auch in der Mitarbeiterführung im innen wie im außen.

Ich werde es zukünftig auf einem anderen Weg versuchen: Ich werde nicht mehr gegen meine Ängste ankämpfen, sondern versuchen meinen Fokus zu verändern. Eine bedrohliche Zukunft macht doch nur dann Angst wenn ich mich ohnmächtig fühle und davon überzeugt bin, dass diese bedrohliche Zukunft meine einzige mögliche Zukunft ist. Ja, das schlimmstmögliche Szenario kann durchaus eintreten, das bestmögliche aber auch. - Und viele andere, die irgendwo dazwischen anzusiedeln sind. Ich gönne mir den Gedanken, dass es gefährlich ist, mit 180 über die Autobahn zu düsen. Lässt mich dieser Gedanke von Todesangst gelähmt zurück? -Oder in Schrittgeschwindigkeit auf dem Standstreifen? Nein, denn es gibt auch viele Szenarien, in denen ich lebend an mein Ziel komme. Mein Bodyguard ist bei mir und passt auf, dass ich nicht zu leichtsinnig oder unachtsam werde, aber er übernimmt nicht mein gesamtes Denken und Handeln. Ich fühle mich nicht fremdbestimmt, sondern selbstbestimmt.

Ängste im Business Coaching und der Beratung

Was nehme ich für meine Rolle als Coach und Berater mit nachhause? Zum einen natürlich die Idee, dass Ängste nicht etwas Schwaches oder gar Bemitleidenswertes sind, sondern eine großartige Leistung unseres Organismus. Außerdem zeugen sie davon, dass ich ausgesprochen zukunftsorientierte Menschen vor mir habe, wenn mir diese von ihren Ängsten oder Sorgen berichten. Ich werde (noch) wertschätzender mit der großen Kompetenz der Angst umgehen.

Zum anderen denke ich natürlich auch über meine Arbeit mit ganzen Organisationen oder Organisationseinheiten nach. Mein Kernthema heißt Psychological Safety und tagein tagaus mache ich mir Gedanken darüber, wie Organisationen Rahmenbedingungen schaffen können, die die Voraussetzungen für eine Kultur der subjektiv empfundenen psychologischen Sicherheit bestmöglich unterstützen. Hierzu habe ich über die Jahre hinweg ein recht gutes Repertoire entwickelt, das ich nach dem Workshop mit Gunther Schmidt besonders in Organisationen, die sich in einem Veränderungsprozess befinden, oder einen solchen planen, um einen Punkt erweitern möchte: Ich werde besonders die Führungskräfte dazu ermuntern, nicht nur eine Zukunftsvision zu entwickeln, sondern mehrere, damit den vielen Bodyguards der Mitarbeitenden möglichst von Anfang an klar ist, dass es nicht nur ein oder zwei Szenarien gibt. Für gewöhnlich sind das ja immer die schöne neue Welt in den Köpfen der Chefs und die überfordernde Horrorvision der Zukunft in den Köpfen der besorgten, skeptischen, ängstlichen Mitarbeitenden. Ich kann mir vorstellen, dass es hilfreich ist, unterschiedliche Szenarien zu zeichnen um den Fokus von Anfang an breiter zu halten.

In diesem Sinne entlasse ich euch in einen wunderschönen Sonntag. Vielen Dank für das Interesse an meinem Blog. Ich melde mich nach Ostern mit ein paar News zu meiner ganz persönlichen Rollenfindung. Seid gespannt, denn bei mir hat sich ein bisschen was getan! -Aber keine Angst, alles recht positiv!

Eure Constance

Out of fear?

-Ich doch nicht! Und das ist gut so.

Warum Reden Silber und Schweigen noch immer Gold ist...

Schon Oma hat es gewusst…

Ich war von jeher ein recht gesprächiges Wesen. Als Kind hatte ich sicher das Potenzial Menschen die Ohren blutig zu quatschen. So habe ich diesen alten Spruch meiner Oma “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!” nie wirklich gemocht, konnte ich doch meine Klappe einfach nicht halten, wusste aber dank Omas Weisheiten, dass das nicht der beste Weg war. So hatte ich schon recht früh immer mal wieder das Gefühl, irgendwie falsch, oder wenigsten nicht ganz richtig zu sein.

Ich wurde älter und auch ein klein wenig stiller. “Wer spricht von Kuchen, dass der Krümel sich meldet?” Die Direktive war, den “Großen” zuzuhören und schweigend zu lernen. Ich war dabei halbwegs erfolgreich, denke ich wenigstens. Die Schulzeit habe ich von einer Handvoll Eklats abgesehen unbeschadet durchlaufen. Gut, einmal musste mir ein Lehrer in mein Zeugnis schreiben, dass einige meiner Ausführungen zu emotional seien… Aber was soll ich sagen, emotional betrachtet war ich im Recht. Recht hin Recht her, zu Reden hat mir trotzdem nur Scherereien eingebracht.

Ich wurde also zum Schweigen erzogen, ebenso wie unzählige junge Menschen in unserer schönen Welt. So kam ich mit Anfang zwanzig zur Condor und plötzlich wurde von mir erwartet, den Mund aufzumachen, zu sprechen oder auch kritisch zu hinterfragen. Und das nicht obwohl ich jung und unerfahren war, sondern weil ich jung und unerfahren war. Mir wurde erklärt, warum eben auch diese Perspektive wichtig für ein Team ist, um erfolgreich in einer komplexen und dynamischen Welt agieren zu können. Was für ein Kulturschock! Aus dem einst so frei plappernden Kind, dem taktlosen und emotionalen Teenager wurde eine junge Frau, der es fast unmöglich war, offen und kritisch zu sprechen, obwohl sie sogar dazu aufgefordert wurde. Ich gebe zu, selbst heute muss ich mich manchmal ganz besonders ermutigen, bestimmte Fragen zu stellen, oder Feedback zu geben.

Ein gesellschaftliches Paradox

Ich schreibe das hier nicht, um die große Frage aufzuwerfen, ob unser Bildungssystem noch zeitgemäß ist, oder ob es jungen Menschen tatsächlich die Werte und Fähigkeiten vermittelt, die in der schönen neuen Welt der New Work unbedingt gebraucht werden. Diese Frage wird sich hoffentlich an anderer Stelle gestellt, an einer Stelle, die tatsächlich Einfluss nehmen kann. Ich konstatiere einfach, dass mein Werdegang vom Kind zur Berufstätigen mir die Fähigkeit in Teilen genommen hat, die laut Harvard Professorin Amy C. Edmondson diejenige Fähigkeit ist, die es am dringlichsten braucht, um in einem dynamischen und komplexen Umfeld erfolgreich zu sein.

In ihrem Buch “Die angstfreie Organisation” stellt Edmondson eine interessante Rechnung auf, warum Schweigen eben doch noch immer Gold ist und in unserer internen Abrechnung immer wieder gegen Reden gewinnt.

Wer profitiert davon, wenn ich spreche, unangenehme Fragen stelle und mich dem daraus resultierenden Gegenwind aussetze? Oder sogar Fehler öffentlich zugebe, die ansonsten keiner mitbekommen hat? - Ganz klar: die Organisation und /oder mein Kunde. Wann wird dieser Mehrwert spürbar? - Für gewöhnlich erst mit einer zeitlichen Verzögerung. Und wie sicher ist es, dass dieser Mehrwert sich auch wirklich einstellt? - Auf jeden Fall nicht hundert Prozent sicher! Wie viele Situationen habe ich schon erlebt, in denen reden mir nichts als Stress eingebracht hat?

Schaue ich mir hingegen an, wer davon profitiert, dass ich schweige, dann bin ich das selbst. Außerdem profitiere ich sofort und ohne Zeitverzögerung, ganz, ganz sicher, denn ich vermeide Gegenwind, Nachfragen, potentielle Schuldzuweisungen, Konflikte und so weiter. “Be Grey!” lautet die Überlebensstrategie im Business…

Meine Bilanzrechnung ist hier sehr eindeutig! Denn diese Bewertung wurde mir kulturell anerzogen und Kultur lässt sich nun mal nicht über Nacht ändern. Allerdings verändert sich unsere Welt manchmal sogar mehrfach über Nacht. Die Dynamik unserer Zeit ist immens. Aus diesem Grund sind Organisationen sehr gut beraten, sich über dieses Reden-Schweigen-Dilemma Gedanken zu machen und sich zu Fragen wie sie es schaffen diesen inneren Kreislauf des Schweigens zu durchbrechen.

Psychological Safety… - Mal wieder!

So landen wir einmal mehr bei diesem Thema, das mich seit Jahren umtreibt. Stellt euch vor, wir würden uns in unseren Organisationen so sicher fühlen, wie ich als Kind bei meiner Oma? So sicher, dass wir sprechen, einfach so? - Denn wir wüssten, dass uns niemand böse wäre, dass man uns zuhören und wohlwollend mit unseren Fehlern und Fehltritten umgehen würde, da wir ja noch am Lernen sind! Stellt euch vor, wir würden uns in einem Umfeld wiederfinden, in dem wir ganz sicher wüssten, dass jeder uns mit absolutem Wohlwollen betrachtet? Utopisch sagt ihr? Ja, klar, der Weg ist lang, fordert er von uns doch nicht mehr und nicht weniger als eine kulturelle Revolution, weg vom Misstrauen und Besserwissen hin zu einem wohlwollenden Menschenbild. So würde sie lebendig werden, die lernende Organisation wie sie Amy C. Edmondson immer wieder beschreibt.

Einfach nur den ersten Schritt gehen

Ja, ich gebe zu, diese lernenden Organisationen stehen vor uns wie ein riesiger und unbezwingbarer Berg. Vielleicht fühlt ihr euch vor diesem Berg so klein und unbedeutend wie ich. Diese Perspektive lädt auf jeden Fall zur Resignation ein. Mir hilft es dann, mich nicht auf den ganzen Berg, sondern auf meinen nächsten Schritt zu konzentrieren. Und sind wir mal ehrlich, was oder wer hält mich ganz persönlich davon ab, anderen mit dieser wohlwollenden Haltung zu begegnen? Gelegentlich ist es höchstens mein eigener innerer Tasmanischer Teufel, der manchmal Spaß daran hat, mit mir Achterbahn zu fahren. Er setzt mir Flausen in den Kopf, die mich glauben lassen, dass mein Gegenüber gegen mich ist, mich ärgern oder ausstechen will. Dahin ist die wohlwollenden Haltung und ich bin im Überlebenskampf. Vielleicht ist jeder weitere Schritt Richtung Gipfel jeder einzelne Moment, in dem es mir gelingt, mich nicht von diesem kleinen Quälgeist führen zu lassen, sondern ihn zu führen und auf die stille Treppe zu verbannen, ein Schritt hin zu diesen sagenumwobenen lernenden Organisationen.

Betrachten wir uns, wie Kultur entsteht, oder wie sie sich verändert, dann handelt es sich dabei niemals um Handlungsdirektiven, die von oben oder von außen vorgegeben werden. Die tatsächliche Kultur wird immer von denjenigen definiert, die sie leben, tagtäglich. Und vielleicht haben ja ein paar von euch Lust, Kultur zu verändern und als ersten Schritt mit der eigenen inneren Haltung zu beginnen. Ich glaube jedenfalls ganz fest daran, dass es unendlich viele Menschen gibt, die diesen Wandel mittragen. Deshalb glaube ich auch ganz fest an die Idee der psychologisch sicheren und lernenden Organisation und werde nicht müde diese mitgestalten zu wollen.

Habt einen wunderschönen Sonntag. Redet und hört wohlwollend zu, auch euren Kindern und Teenagern. Sie sind unsere Zukunft und es wird sehr wichtig sein, dass sie alle ihr Potenzial einbringen können, um diese Welt zu bewahren und besser zu machen. Dazu müssen sie angstfrei reden können, anstatt unsicher zu schweigen. Denn Reden ist Gold und Schweigen ist Stillstand!

Eure Constance

PS: In zwei Wochen wird mein Blog pausieren. Ich werde in Kassel sein, auf dem Jahreskongress der Milton Erickson Gesellschaft. Unter der Überschrift “Out of Fear” werde ich mich ein langes Wochenende damit beschäftigen, welche Möglichkeiten ich als Coach im Umgang mit Ängsten habe. Und ja, Ängste spielen auch im Business Coaching eine Rolle. Angst vor Veränderung, Angst vor Jobverlust, Angst vor Digitalisierung, Angst nicht gut genug zu sein, nicht (mehr) mithalten zu können… All diese Ängste sind sehr aktuell und haben das Potenzial ganze Organisationen zu lähmen. Auf LinkedIn und Instagram nehme ich euch mit auf die Reise und in drei Wochen gibt es meinen nächsten Blog, der sicher das ein oder andere Takeaway beinhalten wird.

Speak up! Aber höchstens ganz leise…

Warum Schweigen Stillstand und Reden Gold ist