Persönlichkeit

Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher

Die Suche nach dem Glück

Vierter Advent! Weihnachten steht vor der Tür und ein Jahresrückblick jagt den nächsten. Auch ich habe mein ganz eigenes Jahr Revue passieren lassen. Die Bilanz war desaströs! Objektiv betrachtet hätte ich von schweren Depressionen geplagt die meiste Zeit in der hintersten Ecke meines Zuhauses sitzen müssen. 2020 war nicht nett und hat sehr viele gute Gründe zum Unglücklich-Sein geliefert. Komischerweise war ich aber gar nicht unglücklich. Insgesamt würde ich sogar sagen, es war für mich trotz aller Sorgen und Ängste und dem Gefühl zu wenig zu tanzen und zu viel allein zu sein ein glückliches Jahr! Verrückt, oder? Grund genug für mich, um mir einmal ausführlich Gedanken darüber zu machen, was Glück denn überhaupt ist und wo es herkommt. Meine kleine Abhandlung zum Glück möchte ich gerne mit einem Zitat aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper einleiten:

Ja renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Und das Glück rennt hinterher
— B. Brecht

Das wirklich spannende am Glück ist, dass es so viele Ideen davon gibt, was Glück sein könnte, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Aristoteles schrieb, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei. Für Pessimisten ist Glück die Abwesenheit von Leiden. Hedonisten würden sagen, dass Glück Konsum sei (Schuhe kaufen macht definitiv glücklich!). Albert Schweitzer war der Meinung, Glück sei eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis. Für Harald Juhnke war Glück leicht einen sitzen und keine weiteren Termine zu haben. Für den Neurobiologen ist Glück ein biochemischer Vorgang, der am einfachsten durch die Einnahme von Drogen hervorzurufen sei (Glühwein tut es dieser Tage vielleicht auch!). Es gibt Länder, die angeblich besonders glücklich oder besonders unglücklich sind. Es gibt Lebensphasen, in denen der Mensch glücklicher ist, als in andern. Am unglücklichsten sind wir wohl zwischen 35 und 54, sagt die Neurowissenschaftlerin Tali Sharot. Es gibt die Idee, dass Geld glücklich mache. Hierzu sagt der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, dass dafür 65.000 Euro Jahresgehalt ausreichend seien, die Soziologin Hilke Brockmann hingegen sagt, das hänge davon ab, wieviel die Menschen um uns herum so hätten. Ungleichheit mache unglücklich. Das ist laut Brockmann übrigens der Hauptgrund dafür, warum die skandinavischen Länder beim Glücksindex stets ganz weit vorne landen: geringe soziale Unterschiede! Was definitiv unglücklich macht, sind Hunger, Krieg, Korruption. Am Ende der aktuellen Glücksliste befinden sich der Südsudan, Syrien und der Jemen.

Wir brauchen Fakten!

Fakt ist, die Suche nach dem Glück scheint so alt wie die Menschheit. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, dass die Suche nach dem Glück ausgesprochen unglücklich machen kann. Forscher der University of Reading haben anhand einer Studie belegt, dass die Menschen, die sich besonders darum bemühen, glücklich zu sein, am häufigsten am Glück scheitern und ein erhöhtes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Dieser Cocktail aus körpereigenen Opiaten, wie zum Beispiel Endorphin, welches unser Hirn ausschüttet, wenn es feststellt, dass sein Mensch gerade glücklich ist, hat offensichtlich verdammtes Suchtpotenzial. -Biochemie eben.

Als ich mich also auf die Suche nach dem machte, was mich auch in diesem, für mich eher einsamen, Jahr glücklich gemacht hat, tauchte eine These immer wieder auf: Glück ist immer auch eine Entscheidung! Aber ist das wirklich so?

Während meiner Recherchen bin ich zunächst auf die Aussage gestoßen, dass unser Gehirn gar nicht dafür gemacht ist, permanent glücklich zu sein. In den Fünfzigerjahren gab es hierzu eine Studie des Psychologen James Olds, der das Belohnungszentrum von Ratten mit Strom stimulierte, wann immer diese einen bestimmten Hebel drückten. Die Ratten drückten diesen Hebel bis zur Erschöpfung. Sie vergaßen sogar zu essen. Dieses unendliche Glücksgefühl hat sie fast umgebracht. Wer von euch hatte auch schon einmal Phasen, in denen er permanent und fast blind für potenzielle Gefahren auf der Suche nach dem nächsten Kick war? -Biochemie eben.

Der verrückte Professor und das Glück

Wenn Wissenschaftler sich mit Glück beschäftigen, gehen sie häufig von zwei unterschiedlichen Arten von Glück aus:

  1. Das Glück als Hochgefühl, dieser Kick, dem sich die Ratten in Olds’ Versuch hemmungslos hingegeben haben, weil dieses Hochgefühl ein flüchtiger Zustand ist, der schnell vorbeigeht und einen mit Hunger auf mehr zurücklässt.

  2. Das Glück als Zustand der Zufriedenheit, den wir allgemein in unserem Leben spüren. Im Gegensatz zur ersten Erscheinungsform von Glück, ist diese Form von Glück deutlich nachhaltiger.

Vom Glück und der Zufriedenheit

Für den Neurobiologen Gerhard Roth ist diese zweite Glücksform so etwas wie ein Ausgangslevel, von dem aus wir das Hochgefühl des Glücks erleben. Dieses Ausgangslevel ist bei uns Menschen auf unterschiedlichen Niveaus angesiedelt. In Zwillingsstudien wurde festgestellt, dass dieses Ausgangslevel, diese allgemeine Lebenszufriedenheit, in Teilen sogar genetisch bedingt ist. Der Rest hängt zum einen von Umweltfaktoren und Sozialisation ab, aber auch davon, wie wir mit Chancen und Möglichkeiten umgehen. Das heißt, ein Teil dieser Lebenszufriedenheit liegt in unserer eigenen Hand.

Laut Roth halten diese berauschenden Glücksmomente, die Glück Nummer eins Hervorruft, bei Menschen mit einem hohen Level an Lebenszufriedenheit (also Glück Nummer zwei) deutlich länger an.

Das ist spannend! Ich sollte also nicht in erster Linie nach dem Glück suchen, sondern lieber erstmal nach Zufriedenheit, denn je zufriedener ich bin, desto berauschender fühlen sich auch schon winzig kleine Glücksmomente an.

Insgesamt stellte sich Gerhard Roth tatsächlich als dankbare Quelle für meine Glückssuche heraus, habe ich bei ihm doch nicht nur Erklärungen dafür gefunden, was Glück ist, sondern auch durch was es hervorgerufen wird. Hierbei unterscheidet er zwischen drei unterschiedlich gelagerten Quellen für Glück:

  1. Als erste Quelle für Glück nennt Roth die materielle Belohnung (wie zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder eine Bonuszahlung). Hierbei wird im Gehirn eine Region stimuliert, die sich Nucleus Accumbens nenne. Diese Region ist ein kleiner Nimmersatt, der recht schnell auf einen Stimulus anspringt, genauso schnell aber wieder abflacht und dadurch ein ausgesprochen vergängliches Glücksgefühl verursacht, das postwendend nach mehr verlangt und dauerhaft nur schwer zu stillen ist. Liebe Chefs, Gehaltserhöhungen oder Boni sind toll, wenn ihr der Meinung seid, dass der Mitarbeiter sich das durch seine Leistung verdient hat. Zur nachhaltigen Motivation ist beides aber total ungeeignet! -Biochemie eben!

  2. Quelle Nummer zwei ist in Roths System die soziale Belohnung. -Also Anerkennung, Lob oder auch das gefährliche Gefühl von Macht. Hierbei werden Hirnareale stimuliert, die auf einer bewussteren Ebene angesiedelt und deshalb auch etwas nachhaltiger sind. Doch auch diese Glücksquellen sorgen nicht für dauerhaftes Glück und müssen deshalb immer weiter gefüttert werden. Bei Lob, Respekt und Anerkennung sehe ich das erst einmal unkritisch. Wird der Machthunger jedoch zum Selbstläufer, kann es unschön enden und vor allem die Mitmenschen unglücklich machen.

  3. Roths dritte Quelle ist die einzige aller Glücksquellen, die nicht stetig durch ansteigende Dosen an Belohnungen stimuliert werden muss. Roth spricht hier vom sogenannten intrinsischen Glück, das sich direkt mit der eigenen Lebenszufriedenheit verbindet und somit deutlich länger in unserem Leben zu Gast bleibt, als all die anderen Glücksformen. Dieses intrinsische Glück hat seinen Ursprung in der Erfahrung, Freude und Sinnhaftigkeit bei dem zu empfinden, das man tut. Hierbei kann es sich um die Familie oder Hobbies, aber auch um die Arbeit handeln. Wirklich glücklich sind eben am Ende die, die nicht das Gefühl haben, ihre kurze Zeit auf Erden sinnlos zu verstolpern!

Vom Glück und der Entschleunigung

Was ich jetzt aus diesen Infos für mich mitnehme? Sehr gute Frage. Manchmal fange ich einfach an zu tippen und weiß nicht, wo die Buchstabensuppe mich hintragen wird! Was nehmt ihr denn mit? Habt ihr mal darüber nachgedacht, was eurem Leben Sinn gibt, euch Freude macht? Sich diese Frage zu stellen und sie auch mutig zu beantworten, bringt uns dem Glück viel näher als Brechts Rennerei, stetig getrieben von einer Gesellschaft, deren Kardinalsfehler es ist, Erfolg mit Glück gleichzusetzen.

Warum ich dieses Jahr glücklich war? Weil Corona mich dazu verdammt hat, aus der Rennerei auszusteigen um die Zeit zu nutzen, meinen inneren Kompass neu zu finden. Es war der Luxus, mir die Frage stellen zu dürfen, was mein intrinsisches Glück ausmacht, in welche Richtung mich mein innerer Kompass führen möchte, damit ich meine Zeit auf Erden eben nicht verstolpere. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne arbeite, dass meine Arbeit ein für mich essentieller Teil meines Lebens ist. Mir ist dieses Jahr tatsächlich bewusst geworden, dass ich noch mindestens 24 Jahre arbeiten werde. Ich kam nicht umhin, mich fragen zu müssen, wie diese Jahre aussehen sollten, um auch weiterhin glücklich zu sein. Mir wurde klar, dass ich eine Perspektive brauche, um mich weiterentwickeln zu können und ich musste mir eingestehen, dass ich diese Perspektive bei meinem so geliebten Arbeitgeber nicht habe. Aristoteles hat neben seiner Idee, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei, auch festgestellt, dass zum Glück immer auch Mut gehört. Das kann ich bestätigen. Weil ich mutig war, konnte ich die Chance, die sich mir im November geboten hat, ergreifen. Im Januar schlage ich ein ganz neues Kapitel in meinem Leben auf, dass mir sicher für einige Jahre die Möglichkeit bietet, zu lernen, zu wachsen und mich weiterzuentwickeln und dabei der von mir so geliebten und als sinnhaft empfundenen Arbeit als Human Factors Trainer oder jetzt eben als Agile Coach nachgehen zu dürfen, ganz nah am Menschen!

Sinnessuche zu Weihnachten

Heute, da ich diese Zeilen niederschreibe, ist Freitag. Am Vormittag habe ich meine Arbeitsmaterialien und Unterlagen, inklusive Dienstausweis, abgegeben. Ein wirklich emotionaler Moment. Besonders emotional wurde es jedoch vor etwa fünf Minuten. Es gibt Geschichten, die nur das Leben schreiben kann und Kreise, die sich stillschweigend schließen. So habe ich gerade die Information bekommen, dass die Kollegin, die vor 21 Jahren meine Grundausbildung geleitet hat, heute verstorben ist. Liebe Astrid, Stewardessen sterben nicht, sie fliegen nur etwas höher… Unsere Zeit auf Erden ist in der Tat kostbar und wir wissen alle nicht, wo unsere Uhr steht. Aber durch Rennen halten wir diese Uhr nicht an und durch Rennen geben wir unserem Leben keinen Sinn. Manchmal ist das Gegenteil der Fall: wir rennen so schnell, dass wir an diesen flüchtigen Glücksmomenten vorbeilaufen, ohne sie wahrzunehmen… Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher.

Ich wünsche euch allen ein friedliches, gesegnetes Weihnachtsfest mit Glücksmomenten und viel Zufriedenheit. Aber vor allem wünsche ich euch Zeit zum glücklich sein!

Eure Constance

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Glückskinder

DIY lautet die Devise!

Der Agile Coach, der keiner ist, aber verrückt genug ist, als solcher arbeiten zu wollen! -Über die Macht der eigenen Ressourcen und Kompetenzen

Der Agile Coach, der keiner ist, es aber trotzdem einfach tut…

Der geneigte Stammleser hat ja zwischenzeitlich sicher mitbekommen, dass ich mich ab Januar beruflich auf komplett neue Füße stellen werde. Noch nicht erzählt habe ich euch, was ich zukünftig mit meiner Arbeitskraft vorhabe: ich werde als Agile Coach arbeiten. Das Verrückte ist, dass ich gar kein Agile Coach bin. Darüber darf ich gar nicht zu genau nachdenken, nicht, dass ich auf den letzten Drücker doch noch auf die Idee komme, zu glauben, dass ich das, was ich machen werde, gar nicht kann!

Wie um alles in der Welt kommt man also dazu, als etwas arbeiten zu wollen, das man gar nicht ist! Ganz einfach: man entscheidet sich einfach das zu tun, was man kann, weil man sich seiner Fähigkeiten und Ressourcen bewusst ist! Für mich war das ein großer Schritt, da ich mir eigentlich immer eher dessen bewusst war, was ich alles (noch) nicht kann! Mitte November hatte ich dann jedoch einen echt hellen Moment, den sich jeder von Zeit zu Zeit gönnen sollte. Aber ich fange mal von vorne an…

Hilfe, kein Toilettenpapier…

Damals, als Corona gerade angefangen hat, um sich zu greifen und ich noch fest daran glaubte, dass dieses Virus so schnell wieder verschwindet, wie seinerzeit das Toilettenpapier aus den Regalen unserer Supermärkte, hatte ich eines dieser Gespräche mit meiner Kollegin, Chefin, Mentorin Annette. Nachdem ich nun einige Jahre von einer Weiterbildungsmaßnahme zur nächste gestolpert bin, fragte sie mich eher beiläufig, wo ich denn mit all diesen Zertifikaten hinmöchte und meinte schließlich, dass man irgendwann auch mal schauen muss, was man denn alles schon kann und was man damit anfangen möchte. Ja, stimmt schon, ABER die und die Weiterbildung müsste ich doch noch dringend machen, weil ich ja wie so oft das Gefühl hatte, noch immer nicht gut genug zu sein. Zunächst verpuffte das Gespräch zwischen Corona, Kurzarbeit und wilden Plänen meinerseits.

Die Rückkehr des Toilettenpapiers

Das Toilettenpapier kehrte schließlich langsam aber sicher wieder in die Supermarktregale zurück. Blöderweise war das Virus noch immer da und ich hatte in Folge mehr Zeit als mir lieb war, um über Annettes Worte nachzudenken! Als erstes musste ich mir die Frage stellen, wohin die Reise für mich gehen sollte. Eine Antwort war recht schnell gefunden: was mich am meisten berührt und antreibt, ist das Menschenbild, dass ich als Human Factors Trainer in der Luftfahrt kennenlernen durfte. Der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme und dabei ist jeder Akteur gleichermaßen wertvoll und macht so das Team zum Star! Wundervoll! Mit diesem Leitbild möchte ich unbedingt weiterhin durchs Leben gehen. Außerhalb der Luftfahrt ist mir ein vergleichbares Mindset immer wieder in agilen Strukturen begegnet und irgendwie wuchs in mir der Wunsch, mich in Richtung agiles Coaching weiterzuentwickeln. Die alte, stets vom Weiterentwicklungswahn getriebene Constance hätte sich an dieser Stelle eine berufsbegleitende Ausbildung zum Agile Coach gesucht, weil sie natürlich gedachte hätte, keine Ahnung zu haben und deshalb alles von die Pieke auf lernen zu müssen. Allerdings hallten in meinem Kopf schließlich die Worte meiner Chefin wider und ich entschied mich dazu, zu schauen, was ich schon alles kann, um danach zu schauen, was mir noch fehlt, um mein Ziel zu erreichen. Das war eine für mich eher ungewohnte Herangehensweise und ich gebe zu, ich habe erstmal Meister Google gefragt, was in Zeiten der um sich greifenden Digitalisierung ein völlig probates Mittel ist. Tja, und was soll ich sagen, Meister Google hat geholfen, in dem er mir das Agile Coaching Competency Framework von Lyssa Adkins auf mein Handy gespült hat. Ich hatte nun also eine Auflistung aller Fähigkeiten, die ein Agile Coach mitbringen sollte und musste im Prinzip nur noch abgleichen. Dabei stellte ich fest, dass ich die meisten Punkte ganz entspannt für mich abhaken konnte:

  • Coaching - Haken dran!

  • Facilitating, was in diesem Zusammenhang bedeutet, Teams als neutraler Begleiter und Moderator durch alle möglichen Prozesse zu begleiten. - Hey, ich bin Mediator und Moderator! Dicker fetter Haken dran!

  • Teaching - noch dickerer Haken dran!

  • Mentoring - ich mache seit Jahren Supervisionen! Also noch einen Haken dran!

  • Transformation Mastery, also Change Management - hmmmm, große Transformationsprozesse in großen Organisationen habe ich noch nicht initiiert, aber wenn ich an dieser Stelle großzügig das Thema “Organisationsgröße” ignoriere und mich nur frage, ob ich Erfahrung im Begleiten von Veränderungsprozessen auf Human Factors Ebene habe, würde ich mir auch hier ein Häkchen dran machen.

So waren auf der Haben-Seite schließlich fünf Haken zu finden. Allerdings musste ich feststellen, dass noch drei offene Punkte übrig waren, die es sich anzuschauen gilt:

  • Technical Mastery - klares deutliches Nein! Wobei ich mir bis heute die Frage stelle, wie tiefgreifend meine Technical Mastery als Coach am Ende sein muss. Ich werde kein Entwickler sein. Klar würde ich sicher Verständnis für bestimmte Prozesse benötigen. Aber hey, ich schule Piloten im Human Factors Bereich (und das mache ich, wie ich finde, verdammt gut) und kann selbst keine Flugzeuge fliegen. Also habe ich entschieden, an dieser Stelle etwas Mut zur Lücke haben zu dürfen. Ich werde schon lernen, was ich wissen muss…

  • Business Mastery - kommt halt aufs Business an…

  • Agile Practitioner - klares Nein! Hier stellte sich mir die Frage, wie ich denn zu einem Agile Practitioner werden könnte. Also wieder Meister Google fragen! Nach etwas Recherche stolperte ich über Scrum als agiles Framework. Davon hatte ich bereits gehört und auch über die Rolle des Scrum Masters habe ich schon gelesen, weil sie mir als Moderator, Mediator, Trainer und Teamentwickler irgendwie recht nah schien. Die Frage, die daraus resultierte, war, wie ich Scrum Master werden könnte, wie das mit der Zertifizierung abläuft und ob ich das hinbekomme. Es stellte sich heraus, dass sich dieser Weg selbst unter Corona-Bedingungen recht einfach gestaltet und so nutzte ich meine viel zu viele Freizeit, um “remote” zu lernen und um schließlich auch meine Prüfung zum Professional Scrum Master zu machen.

Und wieder kein Toilettenpapier…

So wurde es Herbst in Deutschland, das Toilettenpapier wurde wieder knapper und ich habe festgestellt, wie recht Annette hatte: lebenslanges Lernen ist großartig, aber bitte mit Sinn und Verstand und nicht weil man glaubt, noch nicht gut genug zu sein. Ich denke, die meisten von uns können so viel mehr, als sie sich eingestehen. Deshalb soll dieser Blog auch ein klein wenig ein Aufruf sein, euch eure Kompetenzen und Ressourcen bewusst zu machen. Das ist weder arrogant, noch überheblich. Es tut einfach nur gut und in meinem Fall hat das sogar Ordnung und Struktur in mein Leben und mein Selbstbild gebracht… -So viel Ordnung und Struktur, dass ich jetzt alles auf den Kopf stelle! Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass man seine Ressourcen auch nutzen möchte, wenn sie einem erstmal bewusst sind!

Und aus dem Condor wird eine Löwin

So dreht sich die Welt immer weiter und manchmal passieren die Dinge genau zum richtigen Zeitpunkt. Hätte ich nur ein halbes Jahr früher die Möglichkeit gehabt, als Agile Coach zu arbeiten, hätte ich sie wahrscheinlich nicht ergriffen, weil ich mir gesagt hätte, du kannst ja nicht als etwas arbeiten, das du formal gar nicht bist. Im November war mir schließlich und endlich klar, dass es nicht nur um Formalitäten geht, sondern auch um das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und Kompetenzen. Deshalb sag ich jetzt tschüss zu meinen Flugzeugen und der guten alten Condor, die mir so lange ein tolles Job-Zuhause war. Denn ab Januar werde ich Löwin. Ist ja auch irgendwie cool Es ruft also das Haus des Geldes, ich wechsle in die Finanzbranche und werde zukünftig für die Bank mit dem Löwen arbeiten! Über das Thema Business Mastery denke ich an dieser Stelle besser nicht nach! Eigentlich kann ich ja nur Flugzeuge, aber das wird schon. Ich lerne ja gerne dazu und bin offen für Neues!

Eure Constance

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Kompetenzen und Ressourcen

Alles was zählt???

Veränderungsstress und das Missverständnis der Zeit

Abschiedsstress und Zeitmangel

Puh, das war eine Woche… Ich gebe zu, dass ich mich zwischenzeitlich tatsächlich gefragt habe, ob meine Ankündigung, euch auf meine Veränderungsreise mitzunehmen, klug war. Bis gestern hatte ich keinen Schimmer, was ich erzählen sollte. Nachdem ich letzte Woche meinen Rückzug aus der Luftfahrt angekündigt und auch schon einmal Abschied genommen hatte, hat mich das Feedback schlicht und ergreifend überrollt. So waren die letzten Tage geprägt vom Abschiednehmen. Es sind Tränen geflossen, aber gleichzeitig wurde ich von einer unglaublich wohlwollenden, warmen Welle durch meine Tage getragen. Sowohl als Trainer, als auch als Purser habe ich immer mein Bestes gegeben und auch immer gehofft, dass ich dabei in der Lage war, meine Kollegen und Teilnehmer zu erreichen. Wirklich sicher war ich mir dabei nie. Umso mehr habe ich mich jetzt über das Feedback gefreut und komme nicht umhin zu denken, dass wir uns alle noch regelmäßiger Rückmeldung geben sollten. - Aber das nur am Rande!

Wie ihr euch verstellen könnt, hatte ich ganz schön viel zu tun. Es gab und gibt noch einiges zu regeln und so bin ich durch meine Tage gehetzt, permanent mit dem Gefühl, keine Zeit zu haben. So auch gestern: nachhause gekommen, schnell noch den Adventskalender für mein Patenkind gepackt, einen schnellen Kaffee und dann wieder der obligatorische Blick auf die Uhr! -Sch***, in einer guten halben Stunde ist schon Yoga! Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich mein Yoga liebe und auch ausgesprochen diszipliniert zur Tat schreite. Gestern ging das nicht. Plötzlich war da so eine innere Stimme, die mich dazu gezwungen hat, meine Yoga-Stunde zu schwänzen und mir ein Bad einzulassen! Während ich schließlich halbwegs schockiert von meiner Disziplinlosigkeit in der Badewanne lag, hatte ich endlich das, was mir die ganze Woche gefehlt hat: ich hatte endlich NICHTS zu tun!

Während ich also meine Gedanken ordnete, kam ich zu der Erkenntnis, dass eine Sache, die mich immer wieder davon abgehalten hat zu wachsen, mich weiterzuentwickeln und dabei besser, zufriedener und glücklich zu werden, mein fehlendes Verständnis für das Konzept der Zeit war. Wir Menschen sind wirklich verrückt: einerseits liest man überall, dass das Hier und Jetzt unser wertvollster Schatz ist, andererseits leben wir unser Leben, als würde es mit absoluter Sicherheit noch viele Jahrzehnte weitergehen, und zwar genau so, wie es gerade ist… Veränderung nicht vorgesehen!

Das erste große Missverständnis

Aber mal von vorne: mein erstes großes Missverständnis der Zeit ist, dass ich permanent glaube, zu wenig davon zu haben, obwohl da doch ausreichend Zeit ist. Ich müsste sie mir eben nur proaktiv nehmen, so wie gestern. Als Trainer bin ich mir sicher, dass ich damit nicht allein bin. Ich arbeite gerne mit praktischen Lernzielübungen und natürlich habe ich diese eine liebste Übung, in deren Vorbereitung ich mehrfach darauf aufmerksam mache, dass Zeit keine Rolle spielt. Es gibt keine Deadline! Es dauert so lange wie es eben dauert! Und zack, nach spätestens fünfzehn Minuten höre ich in so ziemlich jeder Gruppe, dass es an der Zeit sei, sich mal ein wenig zu beeilen! So hetzt der Mensch durch sein Leben, erlebt die wunderbarsten Momente, die viel zu oft im Nichts verpuffen, weil er sich keine Zeit nimmt, sie zu reflektieren, zu verstehen und sie bewusst wahrzunehmen. Genau das steht uns auch im Job und in Hinblick auf unsere eigene Entwicklung im Weg. Wir begeben uns in unser Hamsterrad, dass wir all zu oft mit Bravour meistern. Aber wirklich befriedigend ist das nicht, denn während diese Rennerei zum Selbstläufer wird, vergessen wir zum einen, wohin wir denn eigentlich möchten und zweitens verlieren wir den Blick auf unser Potenzial und unsere Fähigkeiten. In den letzten Wochen habe ich immer wieder viel Bewunderung für meinen Mut, diesen großen Schritt nun zu gehen, geerntet. Ja, klar gehört da auch Mut dazu. Aber ehrlich gesagt kam ich mir gar nicht so mutig vor, wie das auf Außenstehende wirkt. Ich hatte einfach im Frühjahr und im Sommer sehr viel Zeit, um darüber nachzudenken was mir wichtig ist, wo ich im Leben hinmöchte und vor allem, was ich kann und was ich gegebenenfalls noch lernen muss. Im vollen Bewusstsein meiner Ziele und Ressourcen hat sich diese mutige Entscheidung einfach nur wie der nächste konsequente Schritt angefühlt.

Und die Moral von der Geschicht’: Wer schnell vorankommen möchte, muss zwischendurch auch mal anhalten und schauen, wo er hinrennt. Die Zeit dafür ist vorhanden, man muss sie sich nur nehmen!

Das zweite große Missverständnis

“Und so wie es war, soll es nie wieder sein. So wie es ist, darf es nicht bleiben. Wie es dann wird, kann vielleicht nur der bucklige Winter entscheiden…”

Gisbert zu Knyphausen, Seltsames Licht

Denke ich an mein zweites großes Missverständnis der Zeit, denke ich immer auch an dieses Zitat aus einem Lied des großartigen Gisbert zu Knyphausen (unbezahlte Schleichwerbung!). Nichts bleibt so wie es ist oder war und die Welt dreht sich immer weiter. In Krisensituationen greifen wir auf derartige Gedanken nur zu gerne zurück, lassen sie uns doch auf bessere Zeiten hoffen. Was wir jedoch nur ungerne auf dem Schirm haben, ist dass der Zahn der Zeit, der Lauf der Welt, das Rad des Lebens nicht nur in schwierigen Situationen greifen, sondern auch in allen positivsten Phasen. Dass Glück ausgesprochen vergänglich ist, haben wir alle sicher schon einmal schmerzlich erfahren dürfen. Aber auch Zufriedenheit ist ausgesprochen fragil und verschwindet, wenn wir nicht aufpassen.

Das vielleicht schwierigste an meiner Entscheidung war, dass ich happy mit meiner Situation war. Ich hatte einen Job, den ich sehr geliebt habe (und auch noch weitere vier Wochen lieben werde), tolle Kollegen, ich fühlte mich respektiert und akzeptiert und zudem hatte ich Spaß an dem was ich tue. Aus einer derart komfortablen Position heraus einen Veränderungsprozess anzustoßen, der alles auf den Kopf stellen wird, scheint auf den ein oder anderen geradezu töricht zu wirken, begibt der Mensch sich doch nur höchst ungern und auch nur wenn es unbedingt sein muss, auf unsicheres Terrain…

Meine Eltern sind schon eine ganze Weile tot und natürlich kam aus der ein oder anderen Richtung die Frage, was die beiden denn wohl zu meiner Entscheidung sagen würden. Die Antwort ist recht eindeutig: mein alter Herr hätte mich total darin bestärkt, das zu tun, was ich jetzt tue und meine Mutter hätte mich sicher darauf aufmerksam gemacht, dass es nicht so klug ist, einen sicheren Job, den ich gerne mache, für einen unbekannten Job und einen zu dem noch zeitlich begrenzten Vertrag aufzugeben… Da man einen mütterlichen Rat niemals einfach so in den Wind schlagen sollte, habe ich im Rahmen meines Entscheidungsfindungsprozesses natürlich auch diese Aspekte versucht so analytisch wie möglich zu beleuchten, wobei ich mir eingestehen musste, dass dieses Sicherheitsbedürfnis natürlich etwas ausgesprochen Emotionales ist. Denn auf welche Fakten fußen denn die potentiellen Aussagen meiner Mutter? Darauf, dass alles so bleibt, wie es ist! -Mein Arbeitsumfeld, meine Persönlichkeit, die ganze Welt! Tja, und so kam ich unweigerlich wieder auf Gisbert zurück: so wie es ist, kann es nicht bleiben. Alles ist in einem stetigen Wandel begriffen und wenn ich an die Zukunft denke, darf ich nicht davon ausgehen, dass sie so sein wird, wie die Gegenwart. Die Dinge werden sich verändern und wenn ich auch dann noch glücklich und zufrieden sein möchte, muss ich mich eben auch verändern. In welche Richtung ich gehen möchte, hat mir mein innerer Kompass bereits während des ersten Lockdowns aufgezeigt. Danke Corona! Aber jetzt ist’s gut! Du darfst wieder verschwinden!

Ich fasse mal zusammen: Zukunft heißt Zukunft, weil es Zukunft ist und nicht das Gleiche wie heute, nur in zwei Jahren!

Der Blick in die Glaskugel

Wenn ich jetzt den Blick in die Glaskugel meiner eigenen Zukunft wage, sehe ich da ein Unternehmen, dass sich vor kurzer Zeit selbst gefragt hat, wo es denn steht und wo es hinmöchte. Dieses Unternehmen hatte offensichtlich den Mut inne zu halten und nachzudenken. Es hat sich Zeit genommen, obwohl es ihm wirtschaftlich gut ging und eigentlich, so wie bei mir, keine Notwendigkeit bestand, die Dinge, die gut laufen, zu ändern. Allerdings hat dieses Unternehmen verstanden, dass die Welt sich immer weiter verändern wird und man nur erfolgreich und glücklich bleiben kann, wenn man sich neu aufstellt, um die Mitarbeiter in eine Position zu bringen, ihr Potenzial optimal nutzen zu können. Ich würde sagen das passt doch wie Arsch auf Eimer, oder was sagt ihr?

Denn eigentlich war ich gar nicht mutig…

Glaubt jetzt tatsächlich noch irgendjemand, dass ich wirklich so mutig war oder bin? Oder habe ich einfach nur einen verdammt analytischen Entscheidungsfindungsprozess durchgemacht, der unter anderem dazu geführt hat, meine Perspektive auf dieses Konzept der Zeit neu zu durchdenken? Ich weiß es nicht. Ich marschiere einfach nur weiter in eine Zukunft, die wir alle nicht sicher kennen und dabei versuche ich immer wieder innezuhalten, mir Zeit zu nehmen, auch wenn ich mir mal wieder einbilde, keine zu haben, um mich zu fragen, wo ich stehe und wo ich hinrennen möchte. Was in zwei Jahren, wenn mein Vertrag auslaufen wird, sein wird, kann mir ohnehin niemand sagen. Was ich aber sicher weiß, ist dass ich auch dann noch über alle diese Ressourcen verfügen werde, mit denen ich heut schon recht gut durchs Leben komme. Im Zweifelsfall werden es eher noch mehr werden, weil ich ein kluges Köpfchen mit schneller Auffassungsgabe bin! Sorry Mama, Papa hat recht! Was soll denn schon schief gehen?

Eure Constance

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Tik Tak Tik Tak…

Zeit: in Stein gemeißelt und am Ende doch relativ