Gesellschaft

Wer ein Gehirn hat, hat Vorurteile! -Punkt!

Klischees über Klischees

Frauen können nicht einparken, Männern geht es immer nur um Sex, Benz-Fahrer haben die eingebaute Vorfahrt, Naturwissenschaftler sind auf der zwischenmenschlichen Ebene unbeholfen, Mädchen sind nicht gut in Physik und Jungs sind nicht gut in Sprachen, schlanke Frauen sind zickig und dicke lustig… Ich könnte sie beliebig fortsetzen, diese Liste von Vorurteilen. Ich bin übrigens Stewardess, oder wenigstens war ich das über einen ziemlich langen Zeitraum meines Lebens. Was sagt das über mich aus? Wahrscheinlich nichts, außer, dass ich offensichtlich gerne reise und mich unter Menschen wohl fühle. Dennoch spielt Schubladendenken eine große Rolle in unserem Leben. In der Business-Welt nennt man diese Schubladen inzwischen Unconscious Bias, die unbewusste Voreingenommenheit, die maßgeblich darüber entscheidet, wie wir unser berufliches Umfeld wahrnehmen, wen wir sympathisch finden und unterstützen und wem wir misstrauen. Basierend auf unserer unbewussten Voreingenommenheit treffen wir Entscheidungen, manchmal sogar richtungsweisende Entscheidungen. In Bewerbungsgesprächen beeinflussen sie uns ebenso wie in Meetings oder Beurteilungssituationen. Ist das Fair? Nein! Kann das für eine Unternehmen in der Gesamtbetrachtung von Nachteil sein? Ja! Sollten Organisationen sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen? Auf jeden Fall! - Aber wie? Vielleicht, indem sie die Existenz dieser Voreingenommenheit zunächst einmal uneingeschränkt akzeptieren und auch verstehen, dass diese Form der Voreingenommenheit keineswegs unprofessionell ist und auch nicht weggezaubert werden kann. Hierfür ist es sicher hilfreich zu verstehen, woher dieses Schubladendenken kommt.

Vorurteile als Überlebensstrategie

Um zu verstehen, warum Menschen gerne und vor allem auch unbewusst in Schubladen denken, ist es hilfreich ein paar Jahre zurück in die Steinzeit zu reisen. Hier waren diese Vorurteile eine wichtige Überlebensstrategie. Denn wenn der Steinzeitmensch einem Säbelzahntiger begegnete, überprüfte er für gewöhnlich nicht, ob es sich bei diesen speziellen Säbelzahntiger vielleicht um ein ausgesprochen freundliches Exemplar seiner Gattung handelte. Beim Anblick der Rund 20 Zentimeter langen Säbelzähne war unser Steinzeitmensch gut beraten nicht lange nachzudenken und die Flucht zu ergreifen.

Ich gehe davon aus, dass die Steinzeitmenschen, die vorher noch überprüfen wollten, oder dieser Säbelzahntiger nicht doch vielleicht nett ist, weil sie es unfair fanden, alle Säbelzahntiger in eine Schublade zu stecken, gefressen wurden und so ihre von differenzierter Betrachtung geprägte Gene nicht weitergeben konnten.

Im Umgang mit Angehörigen fremder oder feindlicher Stämme griff dieser Mechanismus übrigens auch.

Das heißt also ursprünglich waren Vorurteile überlebenswichtig. Klar hängt unser Überleben heute nicht mehr von der Flucht vor Raubkatzen ab (also zumindest im Regelfall). Nichtsdestotrotz hat unser Gehirn sich über Jahrmillionen das Schubladendenken als Erfolgsstrategie abgespeichert und auch der beste Business Trainer wird das unseren Gehirnen nicht abtrainieren.

Guter Rat ist teuer! -Selbstreflexion ist jedoch kostenlos

Warum und wo überall in unserem Leben Vorurteile glasklare Nachteile mit sich bringen, weil sie unseren Horizont und unser Denken einschränken, muss ich sicher nicht noch einmal wiederholen. Vielmehr sollte uns die Frage umtreiben, wie wir damit umgehen sollen, dass wir ein Stück weit von Vorurteilen gesteuert werden. Der erste wichtige Schritt ist wie gesagt, sich selbst einzugestehen, dass auch wir nicht frei von Vorurteilen sind. Punkt! Wer ein normal funktionierendes Gehirn hat, hat Vorurteile! Habe ich das für mich verinnerlicht, kann ich mich im nächsten Schritt auf die Suche nach meinen eigenen Vorurteilen machen. Selbstreflexion braucht keinen Trainer und kostet kein Geld. Alles was wir dafür brauchen, ist die Einsicht, nicht alles was wir den lieben langen Tag so denken, auch uneingeschränkt zu glauben. Wer sich selbst mutig hinterfragt wird dabei ganz sicher auch Muster erkennen. Ich zum Beispiel habe ein Thema mit kleinen, zierlichen, mädchenhaften Frauen. Sie hatten bei mir sehr lange einen wirklich schweren Stand. Dieses Schubladenmuster habe ich dem Umstand zu verdanken, dass ich bereits mit drei Jahren einen Kopf größer war als alle anderen dreijährigen Mädchen im Kindergarten. Gab es Streit um ein Spielzeug musste ich mir immer anhören, dass ich doch vernünftig und nachgiebig sein solle, immerhin sei ich doch die Große! - Fuck! Ich war drei! Aber auf diese Weise hat mein kluges Gehirn gelernt, das kleine Mädchen immer das bekommen, was sie wollen und deshalb weniger durchsetzungsfähig und leistungsstrak sind wie große Frauen! Verrückt ist, dass die durchsetzungsfähigste, leistungsstärkste junge weibliche Führungskraft, die ich momentan begleiten darf, eine zauberhafte, mädchenhafte, kleine Frau ist! -Eine verflixte Urgewalt, die so viele in den Schatten stellt und so ausdauernd kämpfen kann.

Es hilft also, bewusst Gegenbeispiele für Vorurteile zu suchen. Dabei darf ich mir auch helfen lassen. Das ist noch einfacher als Selbstreflexion, wenn ich nur offen dafür bin. An dieser Stelle kommen kognitiv diverse Teams ins Spiel. Wie großartig, wenn ich Menschen um mich herum habe, die andere Denkmuster haben und mir vielfältige Angebote unterschiedlicher Perspektiven machen. Wie gesagt, ich muss einfach nur offen dafür sein. Denn Diversity ist so viel mehr als Menschen unterschiedlicher Herkunft willkommen zu heißen oder Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung oder Identität zu respektieren.

Und jetzt gehts in die Sommerpause!

Mit diesem wunderschönen Gedanken geht es für mich in eine kurze und späte Sommerpause. Die Ex-Stewardess fliegt natürlich weit, weit weg! Neue Kulturen kennenlernen, neue Welten entdecken und den eigenen Horizont erweitern. Ich freue mich auf eine Auszeit im wunderschönen Sansibar. Die kreative Pause wird mir gut tun, um mit neuen Ideen und vollen Akkus zurück zu kommen.

Den nächsten Blog gibt es am 08. Oktober. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit.

Eure Constance

Alle geleich und alle gut?

Mit Nichten! Wer ein Gehirn hat hat Vorurteile. -Oder warum sind Kicker-Figuren alle männlich?

Und Schuld sind doch nicht immer die Eltern! - Glaubenssätze die Zweite und der wahnsinnige Zwang Menschen in Schubladen stecken zu müssen...

Du bist… -Und Ende der Geschichte!

Bereits vor vier Wochen, am Muttertag, habe ich mich an dieser Stelle mit Glaubenssätzen auseinandergesetzt. -Glaubenssätze: diese tief verankerten Annahmen, die wir Menschen über die Welt, die anderen, vor allem aber auch über uns selbst haben. Oft sind uns diese starken inneren Überzeugungen noch nicht einmal voll umfänglich bewusst und trotzdem, oder gerade deshalb, haben sie die Macht unsere Selbstsicht maßgeblich zu steuern. Das kann ein Geschenk sein, wenn ich Pippi Langstrumpf bin und unerschütterlich und aus tiefster Überzeugung fest daran glaube, alles erreichen zu können. “Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe!”, erklärte Pippi damals inbrünstig. Leider bin ich nicht Pippi sondern Constance und habe mich viele Jahre mit eher weniger hilfreichen Glaubenssätzen durchs Leben geschlagen.

“Du bist nicht gut genug.” “Eigentlich wirst du auch nie gut genug sein!” “IT verstehst du eh nicht, weil du technisch eine echte Niete bist!” “Du bist eher ein Distanz-Typ.” “Distanz-Typen wird häufig nicht so richtig vertraut.” “Deine Größe macht dich unnahbar.” “Du bist eine komplizierte Frau, jedenfalls bist du nicht einfach im Umgang.” “Ab 40 geht es langsam bergab!”

Ich könnte die Liste meiner inneren Gemeinheiten gegen mich selbst beliebig fortsetzen. Und natürlich muss die Frage erlaubt sein, warum ich diese Glaubenssätze hatte oder habe und Pippi Langstrumpf ganz andere. Ja, Pippis Papa Efraim, der Piratenkönig, hat sicher einen wertvollen Beitrag dazu geleistet, ein starkes junges Mädchen aus ihr zu machen, bevor er mit der Hoppetosse in die Südsee aufgebrochen ist. Allerdings hat mein Papa auch einen guten Job gemacht. Vielleicht hatte Pippi einfach Glück nicht in die Schule zu müssen, wo sie nicht gnadenlos nach einer einheitlichen Skala kategorisiert wurde und ihr nicht erklärt wurde, dass sie Mathe eben einfach nicht könne, was ja für ein Mädchen auch nicht ungewöhnlich sei. Sie hatte in der Oberstufe auch keinen Physiklehrer, der ihr und ihren Freundinnen erklärte, dass sie ja immerhin noch Frisösen werden könnten, wenn sie das nicht verstünden. Ihr wurde auch nie erklärt, dass aus ihr nichts werden würde, weil sie sich nicht anpassen könne und sie ohnehin viel zu (vor-) laut sei. Sie wurde auch nie dafür getadelt, dass einige ihrer Aussagen eher emotional als rational begründbar sein. Und Emotion ist natürlich schlecht.

Nein, nicht an allen unseren toxischen Glaubenssätzen sind unsere Eltern schuld. Und wer glaubt, nach der Schule würden sich die Dinge signifikant ändern, der hat recht. Es wird noch viel, viel engstirniger. Die Kategorien, in die wir gesteckt werden, werden immer enger gefasst und haben am Ende vielleicht sogar die Macht uns das zu nehmen, was in einer komplexen und dynamischen Welt wohl das wertvollste Gut ist: Unsere Fähigkeit uns stetig und grenzenlos weiterzuentwickeln. Man spricht von sogenannter Neuroplastizität und meint damit, dass unser Hirn und damit auch unsere Persönlichkeit nie aufhört zu wachsen, sich zu verändern, sich weiterzuentwickeln, wenn wir es einfach nur erlauben, oder wenn wir daran glauben, dass wir grenzenlos sind.

Komisch, rückblickend war mein Papa der Einzige, der mir immer und immer wieder erklärt hat, dass ich alles erreichen kann, was ich will, dass ich grenzenlos bin. Leider habe ich irgendwann aufgehört ihm zu glauben. Diese anderen Stimmen waren zu viele und zu laut. Liebe Grüße ins Taka-Tuka-Land und sorry Papa, dass ich dir nicht bedingungsloser geglaubt habe. Du hattest so recht.

Und dann kommt HR und gibt uns den Rest!

So trudelte ich also durch mein Leben direkt ins Zeitalter der Persönlichkeitstests: DISC, Myers-Briggs, LIFO, 16 Personalities und wie sie alle heißen. Das Schöne war, ich musste mir keine Gedanken mehr darüber machen, wer ich bin. Das wurde mir in einer kurzen Zusammenfassung feierlich schriftlich überreicht. Wie schön, dass man in Organisationen an Hand dieser Typisierungen fortan Teams zusammenstellen kann, Führungskräfte darauf vorbereiten kann, wie sie bestmöglich mit Typ A oder B umgehen, man weiß vorher mit wem man sich gut verstehen würde und bei wem Konflikte vorprogrammiert sind… Alles so einfach! -Und ich habe ihnen allen geglaubt, mehr als meinem Papa. Es handelt sich ja immerhin um angewandte Wissenschaft! So saß ich also fest in meiner Kategorie, in meiner inneren Überzeugungen über mich selbst und die Welt. Das Schöne war, ich hatte massiv viel Klarheit über mich, der Nachteil war, ich habe mich mit dem zufriedengegeben was war. So war ich eben. Ende der Geschichte!

Fun-Fact am Rande: Im Privatleben geht es direkt weiter. Selbst bei Tinder wird typisiert was das Zeug hält, damit man ganz einfach sein perfektes Match finden kann.

Ich weiß nicht wie er wieder an die Oberfläche gespült wurde, aber irgendwann war dieser verloren gegangene Glaube daran, dass ich grenzenlos bin, alles erreichen kann, alles lernen kann, was ich nur möchte, wieder da. -Ganz, ganz leise und zaghaft flüsternd irgendwo ganz hinten in meinem Kopf und in meinem Herzen versteckt wurde er irgendwann immer lauter und eines Tages hat er mich angeschrien, bis ich angefangen habe es zu glauben. Und plötzlich, mit Anfang 40 hat sich mir die Welt noch einmal ganz neu geöffnet. Vor mir lagen Träume, Möglichkeiten, Chance in Hülle und Fülle. Ich bin einfach aus meiner vorgesehenen Kategorie gesprungen! Unerhört eigentlich.

Zuschreibungen auf Identitätseben

“Zuschreibungen auf Identitätsebene” hat eine meiner Mentorinnen es immer genannt, wenn Menschen glaubten sagen zu können wie ein anderer Mensch ist, oder wie eben nicht. Zurecht hat sie darauf ziemlich allergisch reagiert. Niemand von uns, auch nicht der bester Persönlichkeitstest dieser Welt, ist in der Lage die menschliche Persönlichkeit allumfassend zu greifen, wahrzunehmen, zu verstehen. Alles das, was das Leben uns serviert sind kontextgebundene Momentaufnahmen unserer Mitmenschen. Und plötzlich kommt eine Instanz daher, nimmt diese kontextgebundene Momentaufnahme und macht sie zu unserer Persönlichkeit, zu unserer Identität, an die wir beginnen zu glauben. So bin ich also! Damit wird nicht nur ein großer Teil meines Ichs unterschlagen. Zusätzlich wird mir gefühlt die Möglichkeit und die Notwendigkeit genommen, mich weiterzuentwickeln. So bin ich eben: gut oder schlecht, erfolgreich oder eine Verliererin, kalt oder emotional, sensibel oder ausgeglichen, ernst oder fröhlich… Ich habe Jahre gebraucht um wirklich davon überzeugt zu sein, dass ich alles sein kann, wenn ich möchte sogar gleichzeitig!

Coaching und Persönlichkeitstests

Grundsätzlich finde ich all diese Persönlichkeitstest gar nicht schlecht. Bitte nicht falsch verstehen. Ihre Nutzung im organisationalen Kontext finde ich häufig nicht hilfreich, ehrlich gesagt sogar falsch! Ich selbst arbeite zum Beispiel immer wieder und sehr erfolgreich mit der Riemann-Thomann-Matrix. Allerdings nutze ich diese Matrix nicht um Menschen aufzuzeigen wie sie sind, sondern um sie dabei zu unterstützen, sich ihren möglichen Entwicklungsraum zu erschließen. Ich zeige ihnen, wie sie außerdem noch sein können.

Riemanns “Grundformen der Angst” sind für mich so etwas wie das “Urkonstrukt” vieler Typisierungen. Fritz Riemann ging es darum psychische Erkrankungen zu verstehen. Er kam zu dem Schluss, dass Menschen, die eine der vier Grundängste (Angst vor Nähe, vor Distanz, vor Dauer und vor Veränderung) ausschließlich und im Extrem empfinden, psychische Erkrankungen entwickeln, die er diesen Ängsten zuordnen konnte. Als Coach arbeite ich nicht diagnostisch. Schaut man sich diese Theorie jedoch ressourcenorientiert an, lässt sich daraus Schlussfolgern, dass der gesunde emotional Zustand das Gefühl der Zerrissenheit zwischen der Angst vor zu viel Nähe und zu viel Distanz und der Angst vor zu viel Dauer und zu viel Veränderung ist. Das heißt, alles ist bereits in uns angelegt, alles ist da und es liegt an uns alles das zu nutzen, bewusst, um vielseitige Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des eigenen Reaktionsrepertoires zu haben.

In meinen Workshops und Coachings nutze ich die Riemann-Thomann-Matrix sehr gerne in Kombination mit den Führungskulturstilen aus dem Harvard Business Review um meinen Coachees oder Teilnehmenden dabei zu helfen, sich im Moment zu orientieren. Zu verstehen, wo ich mich gerade befinde ist wichtig um bewusst und zielgerichtet dorthin zu gehen, wo ich hinmöchte. Ich nutze diese Typisierungen nicht um zu kategorisieren und damit Grenzen zu ziehen, sondern um Räume zu öffnen. Wir sind grenzenlos und alles ist möglich! Ich selbst musste 40 werden, um dieses Satz nicht nur zu verstehen, sondern auch wirklich tief in mir zu glauben und ich stelle mir manchmal vor wie es gewesen wäre, wenn dieser Glaube schon zehn, zwanzig Jahre früher eingetreten wäre, bzw. wenn ich ihn nie verloren hätte. So ist es mir zu einer Art inneren Mission geworden, Menschen dabei zu unterstützen, frei zu sein, frei zu denken, die Kategorien die ihnen zugeschrieben werden, oder die sie sich selbst zuschreiben, abzuschütteln. Und natürlich glaube ich ganz fest daran, dass es irgendwann auch möglich sein wird, dass große Organisationen, von Kindergärten über Schulen und Unis hin zu Konzernen und Unternehmen eines Tages verstehen werden, dass es nicht darum geht, Menschen zu kategorisieren, sondern ihnen zu zeigen, dass sie grenzenlos sind. Ich bin in der Vergangenheit so unendlich viel gereist. Man darf sagen ich habe die Welt gesehen. Die einzigen Grenzen, die ich dabei ausmachen konnte, waren alle ausnahmslos von Menschhand geschaffen. Das gilt, so denke ich, auch für die inneren Grenzen. Somit möchte ich meinen Blog in dieser Woche mit einem Zitat beenden, das schon über 700 Jahre alt ist und aktueller nicht sein könnte. Irgendwann um 1270 notierte ein gewisser Meister Eckhart, seines Zeichens Philosoph und Theologe, folgenden Satz:

“Wir selbst sind die Ursache aller unserer Hindernisse.”

Glaubt nicht alles was man euch sagt oder zuschreibt. Glaubt vielleicht noch nicht einmal alles was ihr selbst denkt oder glaubt!

Eure Constance

Rein in die Schublade und am Besten zuschließen

So ist sie eben! -Ende der Geschichte.

Toxisch positiv! - Wie es wirklich zu viel des Guten werden kann

Good vibes only! -Denn Glück ist eine Sache der Einstellung.

Kennt ihr das: Euer Kanal ist voll. Am liebsten würdet ihr laut schreien und eines dieser Sonnenkinder kontert mit einem fröhlichen “Das ist doch alles gar nicht so schlimm! Denk einfach positiv und alles wird gut!”. - Danke fürs Gespräch. Ich bin weiß Gott niemand dessen Glas chronisch halb leer ist. Es gibt sogar Menschen, die der Meinung sind, dass das Gegenteil der Fall sei. Jedoch merke ich auch deutlich, dass Menschen, die immer nur fröhlich und aus meiner Sicht fast schon aufdringlich positiv durchs Leben gehen in mir Widerstand hervorrufen. Und nein, Neid ist es nicht. Ich bin tippi-toppi zufrieden mit meinem Leben. ich bin glücklich und lass mich regelmäßig zu der Aussage hinreißen, dass, wenn ich einen Wunsch frei hätte, es der wäre, dass es einfach so weitergehen sollte. Mein innerer Widerstand ist mehr der einer unwillkürlichen Reaktanz-Reaktion, die immer dann auftritt, wenn das menschlich Unterbewusstsein nach Ausgleich und Ausgewogenheit schreit. Es kann doch nicht sein, dass die Dinge derart eindimensional sind!

Aus meiner Sicht sind alle Emotionen wichtig für das Menschsein. Sie alle, auch die sogenannten negativen, haben wichtige Aufgaben. Ich erinnere an meinen Blog zum Thema Angst. Angst ist eine der wichtigsten menschlichen Errungenschaften, da sie radikal Überleben sichert, uns schützt und uns in die Zukunft blicken lässt. Die Trauer möchte uns vor ungewünschten Veränderungen bewahren. Unsere Wut schenkt uns Kraft und Durchsetzungsvermögen. Menschsein hat einfach eine riesengroße Bandbreite, die von der Evolution nicht nur gewollt ist, sondern darauf angelegt wurde, unser Überleben zu sichern. Klar fühlen Angst, Unsicherheit, Trauer und Co. sich nicht gut an. Haben möchte ich diese Emotionen nicht, würde ich gefragt werden. Deshalb ist es nur verständlich, wenn wir Menschen dazu neigen, diese Gefühle wegzudrücken. Das bedeutet aber nicht, dass diese Gefühle auch weg sind. Im schlimmsten Fall kommen sie zu einem späteren, manchmal sogar zu einem viel späteren Zeitpunkt, wieder an die Oberfläche und hinterlassen dann nicht selten eine ziemliche Zerstörung. Inzwischen gibt es diverse Studien, die belegen, dass sich negative Gefühle verstärken, wenn sie unterdrückt werden. Diese nicht enden wollende Leier der Glücksratgeber, die gebetsmühlenartig konstatieren, dass nur der zufrieden sein kann, der stets positiv denkt, ist schlicht und ergreifend falsch. Die US-amerikanische Psychologin Laura Campbell-Sills fand im Rahmen einer großen Studie heraus, dass negative Gefühle sich nicht nur im Unterbewussten verstärken, wenn sie unterdrückt werden. Zusätzlich stresst diese Unterdrückung sogar unsere körperliche Abwehr und wirkt sich dementsprechend nicht nur auf die psychische, sondern auch ganz konkret auf die physische Gesundheit aus. Permanent positives Denken in Kombination mit der Unterdrückung vermeintlich negativer Gefühle schwächt unsere Immunabwehr.

Ab wann wird positives Denken zum Problem?

Die Psychologin Muriel Burmeister beschrieb unlängst in einem Interview auf NTV, dass eine konstant positive Einstellung zusätzlich zu den körperlichen Auswirkungen dann zu einem konkreten Problem wird, wenn wir uns dadurch über einen längeren Zeitraum etwas vormachen. Sie beschreibt zum Beispiel, dass, wenn es im Job zu Absagen käme und wir uns diese Tatsache immer wieder positiv “re-framen”, die Gefahr bestünde, dass wir unser Entwicklungspotenzial nicht voll nutzten. Einsicht und konkretes Handeln ist ebenso wichtig, wie positive Gedanken um erfolgreich und zufrieden durchs Leben zu gehen. Und überhaupt, denke ich zum Beispiel an die Zeit von Corona zurück: Isolation, Einsamkeit, Existenzängste, der tiefe Wunsch wieder enger mit Menschen in Verbindung zu sein… Alles das konnte und wollte ich nicht positiv sehen und ich finde das spricht für mich als Mensch!

Über den Mut unglücklich zu sein

Wie so oft im Leben geht es bei dem Thema positiv-negativ oder optimistisch-pessimistisch nicht um ein Entweder-Oder, sondern um die Integration aller Gefühle. Es geht darum, den Mut zu haben, unglücklich zu sein. Menschen mit einem gesunden Optimismus blenden pessimistische oder negative Gefühle nicht aus, sondern lassen sie als Teil ihres Erlebens bewusst zu. Nach einer Absage im Job ist es OK wütend, traurig, enttäuscht, niedergeschlagen zu sein. Vielleicht sind es genau diese Gefühle, die mich dazu anspornen, mich zu überdenken und weiterzuentwickeln. Somit bedeutet ein gesunder Optimismus, sich mit negativen Gefühlen auf eine konstruktive und zukunftsorientierte Art und Weise auseinanderzusetzen. Das, was sowohl Burmeister, als auch Campbell-Sills als toxische Positivität beschreiben, verhindert diese für die menschliche Entwicklung notwendige Auseinandersetzung mit allen unseren Gefühlen.

Und wie löst man sich von toxischer Positivität?

Gute Frage! In erster Linie geht es um Selbsterkenntnis. Nur wenn ich mir eingestehe, dass ich negative Gefühle lieber unterdrücke, als sie zu integrieren, kann ich daran arbeiten. Ich gebe zu, selbst in meinem eigenen Mikrokosmos ist Selbsterkenntnis häufig nicht einfach. In Hinblick auf diesen toxischen Optimismus kommt hinzu, dass auch die Gesellschaft selbst nicht gerade hilfreich scheint. Ein stets positives Mindset wird immer und überall propagiert und auf die Frage “Wie geht’s?” gibt es, wenn wir mal ehrlich sind nur eine gesellschaftlich korrekte Antwort! Keiner will hören, dass es mir schlecht geht und warum und dementsprechend erzähle ich es auch nicht und spiele das Spiel breit grinsend mit.

So muss ich also für meine Selbsterkenntnis mutig und anders sein und zu allem Überfluss muss ich auch noch ein negatives Gefühl zulassen. -Ein ziemlich großer Schritt.

Im weiteren Verlauf können Coaches wie ich selbst ausgesprochen hilfreich sein. Gerade in meiner Arbeit mit hypnosystemischen Ansätzen geht es immer wieder darum, angeblich negative Gefühle zu re-framen, sie wertzuschätzen, ihre wichtige Bedeutung für das Konstrukt Mensch herauszustellen und uns bewusst zu machen, dass auch diese Gefühle wertvolle Signale unseres Organismus sind, der uns immer nur schützen oder stärken möchte. Auf diesem Weg lassen sich alle Gefühle integrieren und verarbeiten um daran schließlich zu wachsen.

Aber: Coaching ohne Auftrag ist Stalking!

Keine Sorge, ich laufe selbstverständlich nicht durch die Welt und coache all jene, die aus meiner Sicht toxisch optimistisch sind. Wer wäre ich, jemanden dazu aufzufordern, die Dinge doch auch mal negativ zu sehen?! Ich bleibe bei mir und freue mich über jeden positiven, fröhlichen Mitmenschen. Allerdings erlaube ich mir inzwischen bei Sätzen wie “Das ist doch kein Drama!” oder “Sieh’s doch einfach positiv!” zu reagieren. Und zwar nicht mit einem “Oh ja, danke, tolle Idee!”, sondern indem ich dazu stehe, dass ich mir meine negativen Gefühle und Gedanken hier und da gerne gönne, sie wertschätze und integriere als das was sie sind: Ein wertvoller Teil meiner Gesamtpersönlichkeit! Und glaubt mir, manchmal kostet es wirklich Mut, offen unglücklich zu sein!

Habt einen guten Sonntag und gönnt euch so viel Glück oder Unglück, wie ihr es heute für euch braucht.

Eure Constance

Bitte stets fröhlich

Muss ich wirklich immer lächeln?