Changing Flight Levels - Die Stewardess die die Welt verändern wollte

Ein Jahr danach…

Nun hätte ich also die Luftfahrt verlassen und müsse mich noch immer mit den gleichen Themen beschäftigen. -Ob das nicht langweilig sei, fragte mich Anfang dieser Woche eine Führungskraft, als wir die ein oder andere „kulturgestaltende“ Maßnahmen für seinen Bereich planten. Ich musste lächeln, denn genau das war doch mein Plan, mein Traum seit Jahren: Raus in die Welt zu gehen und alles das, was mir die Luftfahrt in Hinblick auf den Faktor Mensch und High Performance Teams beigebracht hat, zu teilen. Und was soll ich sagen? Es funktioniert ganz ausgezeichnet!

Aber lasst mich mal von vorne anfangen, denn die Zeit verging wie im Flug. So musste ich feststellen, dass es schon ein Jahr her ist, dass ich die für mich so große Entscheidung getroffen habe, die Luftfahrt nach 21 Jahren zu verlassen. -Nicht wegen Corona oder weil ich keine Lust mehr auf Flugzeuge hatte, sondern weil da schon so lange dieser Traum existiert, der nicht geringer ist, als die (Business-) Welt zu verändern. Dass ich mich trotzdem gefühlt täglich mit dem Thema Flight Levels beschäftigen würde, war mir damals noch nicht klar, war mein agiles Wissen doch noch ausbaufähig. Aber das ist ein anderes Thema. Denn vor dem Neubeginn stand ja zunächst der Abschied. -Der tränenreiche Abschied! Diejenigen von euch, die mir auf den sozialen Medien folgen, konnten in den letzten beiden Wochen meine Abschieds-Blogs nochmals lesen. Die Frage, die darauf immer wieder aufkam, war ob ich es denn bereut habe. Die Antwort ist klar und deutlich: Nein! Zu keiner Sekunde!

“Two roads emerged for the woods. I took the one less travelled by and that made the difference…“

Das schrieb mir mit neunzehn oder zwanzig eine Backpacker-Bekanntschaft in mein Reise-Poesiealbum. Mit zwanzig findet man das einfach nur cool und irgendwie progressiv. Dass dieser kluge Satz tatsächlich eine Art Prophezeiung sein würde, war mir damals nicht wirklich klar, auch wenn ich natürlich immer anders sein wollte, also mit Anfang zwanzig! Es folgte eine Phase in der ich nach Menschen gesucht habe, die so sind wie ich, damit ich eben nicht mehr anders bin. Interessanterweise habe ich parallel dazu erzählt, wie wichtig Diversität doch sei. Verrückt, oder?

Als ich mich entschieden hatte von der Luftfahrt in die Bankenwelt zu wechseln, war mir natürlich total klar, dass ich vom ersten Tag an anders sein würde, als jeder andere dort. Mein Werdegang und das Paket, das ich mitbringe, würde absolut einzigartig sein und selbstverständlich habe ich mich mehr als einmal gefragt ob das denn passen könne. Nun neigt sich mein erstes von zwei Jahren dem Ende zu und ich finde es passt perfekt. Es „menschelt“ einfach überall gleich und es ist, wie ich es mir erhofft habe: Alles das, was ich in meiner Zeit in der Luftfahrt in Hinblick auf den Faktor Mensch lernen durfte, passt perfekt in meine neue Welt. De Facto mache ich mir gerade fast Sorgen, dass mir ein weiteres Jahr nicht ausreicht, um all das da zu lassen, was aus meiner Sicht einen Mehrwert darstellen kann. Und parallel dazu gibt es so viel zu lernen.

Denn Coaches brauchen natürlich einen Purpose

So wirble ich also durch mein neues Leben, mit viel Motivation, Freude und vor allem auch Dankbarkeit dafür, dass ich in einem Umfeld bin, in dem ich mich ausprobieren darf. Das ist zum einen sehr befreiend, zum anderen sorgt es dafür, dass ich gefühlt täglich dazulerne. Auf diese Weise konnte ich mich auch inhaltlich gut an meinen neuen Job herantasten, um inzwischen einen verdammt klaren Plan im Kopf zu haben. Überraschung! Mein Thema ist Feedback-Kultur gepaart mit Psychological Safety und bewusster Selbstführung. In kleinen Schritten darf ich also Kultur gestalten, die Zusammenarbeit in Organisationseinheiten von 60 bis zu 500 Kollegen Schritt für Schritt hin zur Kultur einer lernenden Organisation führen! -Und ich habe noch ein ganzes weiteres Jahr Zeit! Ein weiteres Jahr um mich auszuprobieren, zu lernen, zu wachsen und das zu tun, was mich tief in meinem innersten antreibt. Ja, natürlich haben viele Coaches, gerade im agilen Umfeld, einen Purpose, eine Bedeutung, ein Ziel, eine Bestimmung, die wir uns geben. Meinen Purpose habe ich schon sehr lange, aber ich habe ihn bis heute noch nie geteilt, weil ich immer Sorge hatte, man könnte mich für größenwahnsinnig halten. Denn mein Purpose ist kein geringerer, als die (Business-) Welt zu verändern! „Ich verändere die Welt“ postuliert meine innere Stimme. Vor einem Jahr war mir klar, dass ich die Welt nicht verändern kann, wenn ich weiter im Korsett meiner alten Welt gefangen bin. Ich wollte die Welt verändern, indem ich meinen Beitrag dazu leiste, holistische Unternehmenskulturen zu schaffen, geprägt von einem achtsamen Miteinander, denn ich bin davon überzeugt, dass das der einzig wahre Weg zu echter High Performance ist. Der zauberhafte Nebeneffekt ist, dass Menschen glücklicher, zufriedener, ausgeglichener sind. -Meine Art die Welt zu verändern, für eine Hand voll Menschen, in winzig kleinen Schritten! Dabei wurden mir meine wunderschönen “Flugzeugschuhe” irgendwie zu klein.

Mit den Erfolgen kommt der Mut. Mit dem Mut werden die Träume größer.

Zu merken, dass mein Weg, mein Ansatz auch außerhalb der Luftfahrt nicht nur funktioniert, sondern sogar begeistert und auf offene Ohren und Gemüter stößt, macht mich von Tag zu Tag mutiger und gibt meinen Träumen weitere Flügel. Momentan träume ich von einer Mischung aus Konferenz und Bar-Camp unter dem Arbeitstitel „Luftfahrt meets Business - der Mensch als Schlüssel zum Erfolg nach dem Vorbild des Human Factors Trainings in der Luftfahrt“. Ich weiß, der Titel ist viel zu lang! Vielleicht hat ja jemand von euch eine zündende Idee. Inhaltlich wird es super, auch weil ich ein unglaubliches Team toller Frauen dafür begeistern konnte, mitzumachen. Und es gibt noch ein zweites zartes Pflänzchen, das vorsichtig sein Köpfchen aus der Erde streckt: Das Leben hat mir die Möglichkeit vor die Füße gespült, meine Schulungsansätze aus der Luftfahrt für die Business-Welt im Rahmen eines Vortrags mit Master-Studenten im Bereich Talent and Learning zu teilen! Wie kann man die Welt nachhaltiger verändern, als der nächsten Generation eine anständige Portion „Food for Thought“ mitzugeben. Bin ich doch fest davon überzeugt, dass meine Generation lediglich den ersten Schritt in Richtung einer wirklich neuen Welt der Zusammenarbeit macht. Die fundamentalen Veränderungen, auch auf gesellschaftlicher Ebene, stehen uns noch bevor und werden von diesen jungen Menschen getragen, denen ich meine Gedanken mitgeben darf. Welche Ehre!

Ja, es haben wohl tatsächlich zwei Pfade aus diesem Wald geführt und ich habe mich für den weniger ausgetretenen entschieden und das macht mich besonders. Es macht den Unterschied. Mein ungewöhnlicher und in weiten Teilen vielleicht auch steinigerer Weg hat mir Perspektiven geschenkt, die einzigartig sind und die mich einzigartig machen. „Jemand anderes sein zu wollen ist eine Verschwendung deiner Persönlichkeit“ sagte Kurt Cobain und er hat recht! Als ich selbst bin ich am besten! Und die letzten zwölf Monate haben mir sehr intensiv dabei geholfen, herauszufinden, wer ich bin und worin ich am besten sein kann. Allein aus diesem Grund habe ich meine Entscheidung nicht bereut. Ich fliege jetzt eben auf einem anderen Flight Level! Und wenn es zu turbulent wird, wechsle ich einfach das Flight Level… Für den Moment bin ich angekommen und das fühlt sich toll an.

Und was die Zukunft bringt…

Keine Ahnung! Klar habe ich zumindest für die nächsten zwölf Monate einen Plan. Allerdings bin ich mir auch bewusst, dass ich in etwa acht Monaten damit anfangen werde, mich beruflich neu auszurichten. Ende nächsten Jahres läuft mein Vertrag mit der ING aus und Stand jetzt habe ich tausend Ideen, aber keinen Plan, wie ich danach weitermachen möchte, oder wer denn überhaupt Lust auf mich hat, auf einen Quereinsteiger in so ziemlich jedem Kontext. Wahrscheinlich schreibe ich euch in einem Jahr einen Blog, in dem ich euch davon berichten werde, wie schwer mir der Abschied von der ING fällt, wie aufgeregt ich hinsichtlich meines neuen Jobs bin, wie oft ich mich fragen werde, ob ich dem Neuen gewachsen sein werde und so weiter und so fort… Mein Leben ist Wandel und alles ist in einer stetigen Veränderung begriffen. Das war ehrlicherweise schon immer so. Der einzige Unterschied ist, dass ich mich entschieden habe, diese Veränderungen nun bewusst wahrzunehmen und zu gestalten. Charles Darwin hat einmal gesagt, dass es nicht die stärkste Spezies sei, die überlebe und auch nicht die intelligenteste. Es sei diejenige, die sich am ehesten an den Wandel anpasse. Challenge accepted! Her mit dem Wandel! Ich bin bereit für weitere steinige Pfade durch wilde Wälder, die mir weitere wertvolle Perspektiven liefern, die mich nicht nur als Coach und Berater, sondern auch als Mensch einzigartig machen.

Ich wünsche euch einen schönen Sonntag! Seid ihr selbst und genießt euch dabei! Alles andere wäre tatsächlich Verschwendung!

Eure Constance

“Two roads emerged from the woods. I took the one less travelled by and that made the difference.”

Wenn das gute alte Poesiealbum zur Weissagung wird!