Gesellschaft

Brauchen Investmentbanker eine Super-Nanny? Und war das ein Jahr zum vergessen, oder doch zum bewahren? Fragen zum Jahreswechsel...

Happy New Year

Ich hoffe, ihr seid gut ins neue Jahr gekommen. Wahrscheinlich war es bei euch auch etwas ruhiger als in den vergangenen Jahren. Ein Teil von mir fand das wirklich blöd, ein anderer Teil fragt sich noch immer, warum ich jahrelang um diese eine Nacht so einen Aufwand betrieben habe. Geht offensichtlich auch ohne, oder? Auf diese Frage werde ich sicher später nochmal zu sprechen kommen. Denn nachdem wir alle inzwischen mehr oder weniger feierlich die Tür zum neuen Jahr geöffnet haben und jetzt mehr oder weniger positiv in die Zukunft schauen, möchte ich zunächst noch einmal ganz vorsichtig zurückschauen.

Und Hauptsache die Börse hat Grund zum feiern

Ich bin gespannt wie die Geschichtsschreibung dieses 2020 eines Tages bewerten wird. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass es hervorstehen wird. Ich bin mir auch recht sicher, dass dieses Jahr eines der global gesehen schwierigsten der Nachkriegsgeschichte gewesen sein wird (also nur falls 2021 nicht noch katastrophaler wird!). Was uns weltweit geeint hat, waren exakt die gleichen Sorgen um unsere Gesundheit, die Gesundheit unserer Liebsten und um unsere jeweiligen Gesundheitssysteme. Wir alle waren wahrscheinlich etwas einsamer und haben unterschiedlich stark unter der Isolation, bedingt durch die Lockdowns, gelitten. Hinzu kamen die in diesem Jahr sehr greifbar gewordenen wirtschaftlichen Ängste. Ich habe an mir selbst zum einen meine ganz individuellen wirtschaftlichen Sorgen beobachtet. Zusätzlich dazu habe ich mich immer wieder dabei ertappt, mich zu fragen, wie es um die wirtschaftliche Gesamtsituation bestellt ist. Ganze Wirtschaftszweige wurden lahmgelegt, überall Umsatzeinbrüche, kein Toilettenpapier mehr, Mehl und Nudeln werden ebenfalls knapp und dann auch noch Kurzarbeit und Konjunkturpakete, dass es kracht und raucht! Jahrelang wurde von der absolut existenziellen Notwendigkeit der schwarzen Null gesprochen und plötzlich druckt der Staat das Geld als würde es kein Morgen mehr geben. Glaubt mir, ich habe mir mehr als einmal Gedanken darüber gemacht, was denn wäre, wenn das System einfach kollabieren würde… Und dann kam der 28. Dezember und ich habe die Welt nicht mehr verstanden. Denn was macht die Börse in Anbetracht all dieser kleinen und großen Katastrophen? -Ganz klar: unser DAX klettert auf ein absolutes Allzeithoch. Macht ja auch Sinn! WTF? Ich als volkswirtschaftlicher Laie verstehe ehrlich gesagt die Welt nicht mehr! Schon Anfang April habe ich mich an dieser Stelle gefragt, wann der DAX denn endlich oben angekommen sei und was dann sein würde (hier der Link zum Blog). Die Fragezeichen in meinem Kopf wurden seitdem nur noch größer. So viele Menschen um mich herum versuchen zwar vorsichtig optimistisch zu sein, sind jedoch vor allem voller individueller Sorgen und Ängste und gleichzeitig feiern die Börsianer und Investmentbanker die Party des Jahrtausends! -Vielleicht auch ein bisschen, weil sie sich freuen, endlich mal nicht schuld an einer Wirtschaftskrise zu sein… Ich bin sicher kein verträumter Sozialromantiker, allerdings bin ich an dieser Stelle raus und will auch keine komischen Erklärungsversuche mehr lesen. Antoine de Saint-Exupéry hat es ganz gut auf den Punkt gebracht:

Eine auf dem Profit beruhende Industrie ist bestrebt, Menschen für den Kaugummi und nicht Kaugummi für den Menschen zu produzieren.
— Antoine de Saint-Exupéry

Was wirklich wichtig ist

Genau deshalb sollte Silvester keine Nacht wie jede andere sein. Wir brauchen diese besonderen Momente, in denen wir innehalten und uns bewusst fragen, wo wir herkommen, wo wir hinmöchten und wie wir uns fortbewegen. Es sollte nicht darum gehen, immer mehr Menschen zum Kaugummikonsum zu bewegen, sondern vielmehr darum, sich zu fragen, wie ein Kaugummi für die Menschen am besten sein kann. Oder anders gesagt, wir sollten langsam aber sicher an den Punkt kommen, den Menschen und nicht irgendwelche abstrakten Zahlen oder Indizes in das Zentrum unseres Denkens und Handelns stellen. Das bringt mich schließlich dahin, warum ich persönlich dieses katastrophale Jahr 2020 gesellschaftlich betrachtet nicht ganz verloren geben würde. Nachdem mein persönlicher Ärger über diesen Börsen-Wahnsinn verraucht war, habe ich den wertfreien Blick zurück auf dieses Jahr gewagt und festgestellt, dass sich gesellschaftlich betrachtet doch einiges getan hat. Corona scheint wie eine Art Katalysator für gesellschaftliche Entwicklungen hin zu mehr Nachhaltigkeit und Achtsamkeit gewesen zu sein, waren doch viele in der Position, sich fragen zu müssen, was wirklich zählt, was das Leben lebenswert und gut macht. Diese Gedanken spiegeln sich auch im veränderten Konsumverhalten der Deutschen wieder. Der Zukunftsforscher Harry Glatterer beschreibt, dass drei Faktoren unser Konsumverhalten bestimmen:

  1. Unsere Werte

  2. Unsere Bedürfnisse, bzw. das von dem wir glauben, dass es uns glücklich macht

  3. Technologische Veränderungen, die unsere Art zu konsumieren, beeinflussen

Unser auf diesen Faktoren basierendes Konsumverhalten hat sich laut Glatterer zwar nicht substanziell verändert, allerdings hat die Pandemie dazu beigetragen, dass sich bestimmte, bereits in den vergangenen Jahren wahrgenommene Konsumtrends verstärkt haben. Hierbei stechen laut Glatterer vier Trends besonders hervor:

  1. Hygge - also ein möglichst gemütliches, kuscheliges Zuhause! Ich denke es ist selbsterklärend, warum unser Zuhause im vergangenen Jahr eine so große Rolle gespielt hat. Allerdings ist dieser Trend nichts Neues. Bereits zu Beginn der Nullerjahre schwappte dieser Gemütlichkeits-Trend aus den USA zu uns rüber, damals noch unter dem Schlagwort Cocooning, das später durch das Dänische Wort für Gemütlichkeitskultur abgelöst wurde. Laut Dirk Hohnsträter, Konsumkulturforscher der Uni Hildesheim, geht es hierbei vor allem um individuelle Stressregulierung in einer immer komplexer werdenden Welt. Man macht es sich schön, backt Brot, kocht, strickt und so weiter. Alles das gibt einem das Gefühl der Selbstwirksamkeit, der Fähigkeit, Dinge direkt beeinflussen zu können. In einer Pandemie, in der man besonders zu Anfang unglaublich hilflos und machtlos war, sind Entspannung und Selbstwirksamkeit natürlich essentiell.

  2. Online-Boom - weil digital einfach besser ist?! Auch das ist selbsterklärend und der Trend in Richtung Amazon und Co. ist nichts neues. Der Nachteil hierbei ist die Gefahr eines um sich greifenden Ladensterbens, das laut Kölner Institut für Handelsforschung durch die Pandemie stark beschleunigt wird. Allerdings ist durch die Zeit des Lockdowns und des Social Distancings auch das Bedürfnis gewachsen, wieder direkt mit anderen Menschen in den Austausch zu gehen. Hierin liegt laut Konsumkulturforscher Hohnsträter auch eine Chance: die Läden der Zukunft werden vor allem Treffpunkte sein, die Kunden mit Workshops, Unterhaltung und kleinen Cafés anziehen. Denn Menschen treffen, das wünschen wir uns doch inzwischen alle! Mein Gott, gibt es überhaupt etwas schöneres?!

  3. Gesundheit - weil die Gesundheit eben doch unser wertvollstes Gut ist! Klar, wenn das Virus tobt, können uns auch die tollsten Börsenkurse nicht gesund machen. Der Trend hin zu einer Gesund-und-fit-Kultur wurde in diesem Jahr extrem beschleunigt. Fahrräder verkauften sich wie geschnitten Brot, ebenso wie Heimtrainer, Sportbekleidung und so weiter und so fort. Und auch im Punkto Ernährung hat sich einiges getan im letzten Jahr: ein Viertel aller Deutschen hat laut eigenen Angaben versucht, sein Immunsystem mit Hilfe von Nahrungsergänzungsmitteln und Vitaminkapseln zu stärken. Ein Fünftel hat in diesem Jahr merklich mehr Obst und Gemüse gekauft, schreibt der Spiegel.

  4. Nachhaltigkeit - denn wir haben nur diese eine Erde! Wie und warum genau dieses Virus seinerzeit in Wuhan auf den Menschen übergegangen ist, vermag ich nicht zu erklären. Wenn man sich jedoch vor Augen hält, dass viele Forscher nicht sonderlich überrascht waren und nicht müde werden, zu erklären, dass noch viele sogenannte Zoonosen darauf warten, eine nächste und nächste und nächste Pandemie loszutreten, dann frage ich mich, wie sehr wir der Natur auf die Pelle rücken dürfen, ohne uns selbst dabei zu zerstören. Wieviel Raubbau an der Natur ist ok, um den Konsum immer weiter zu treiben? In Deutschland scheinen sich viele Menschen solche oder ähnliche Gedanken gemacht zu haben. Naturkostläden hatten im ersten Lockdown einen Zuwachs von bis zu 60 Prozent. Hofläden haben einen nie dagewesenen Boom erfahren. Laut einer repräsentativen Umfrage der Uni Gießen gaben 44 Prozent der Befragten an, beim Einkauf verstärkt auf Nachhaltigkeit und Bio zu achten, 52 Prozent kauften mehr regionale Produkte. Laut GfK-Umfrage ist der Anteil derer, denen soziale Verantwortung auch beim Einkauf wichtig ist, im vergangenen Jahr von 28 Prozent auf 34 Prozent gestiegen. Ich glaube, diese Pandemie hat uns alle ganz schön durchgeschüttelt. Zukunftsforscher Glatterer erklärt den Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit auch damit, dass Nachhaltigkeit in einer extrem instabilen Situation eine Stütze darstellt und eine Perspektive bietet.

Tja, als wir noch Kinder waren, hat die Super-Nanny uns auf die stille Treppe geschickt, um unser Handeln zu hinterfragen und zu überlegen, ob anders nicht besser und zielführender sein könnte. Im letzten Jahr hat uns Corona eben Hausarrest erteilt um zu überlegen, wo die Reise hingehen soll. Und ganz ehrlich, wenn aus diesem Hausarrest hängenbleibt, dass wir uns unserer Selbstwirksamkeit bewusst bleiben, technologische Entwicklungen nutzen, ohne dabei den Kontakt zu den Menschen zu verlieren, verstehen, dass unsere Gesundheit unser höchstes Gut ist, dicht gefolgt von unserem Zuhause, unserer Mutter Erde, dann war dieses sehr stille Jahr 2020 doch nicht nur für die Füße. Oder wie seht ihr das? Gut, und für die Investmentbanker müsste man eben doch mal die Super-Nanny reaktivieren…

Und jetzt wird nach vorne geschaut

Damit finde ich, reicht es aber auch mit dem Zurückschauen! Ab morgen geht der Blick stringent nach vorne, optimistisch, positiv und mit meiner individuellen Lesson Learned aus 2020 im Herzen. Wenn es irgendwann mal wieder so weit ist, dass alle nur noch den Zahlen und dem Konsum hinterherjagen, werde ich mich versuchen, daran zu erinnern, was wirklich wichtig ist, um glücklich zu sein.

Bis dahin wird wohl noch einige Zeit in relativer Einsamkeit vergehen. Ich bin sehr gespannt, wie mein rein virtuelles Onboarding im neuen Job und im neuen Leben ablaufen wird. Ich werde sicher berichten. Aber wisst ihr, worauf ich noch viel, viel gespannter bin? -Darauf, wie es sich anfühlen wird, nach Corona die erste große Party zu feiern, mit viel Nähe, ohne Masken, mit Umarmungen zusammen die Nacht durchtanzen. Alles das habe ich früher glaube ich gar nicht wirklich zu schätzen gewusst, weil es das Normalste der Welt für mich war. Aber wenn es das nächste Mal so weit sein wird, bin ich mir sicher, dass ich vor Glück und Freude total überschnappen werde. Die wirklich großen Dinge sind häufig eben die kleinen!

Ich wünsche euch einen guten Start in ein gutes Jahr!

Eure Constance

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Kurzer Blick zurück und dann forsch voraus

Die Tür ins neue Jahr ist aufgetreten

Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher

Die Suche nach dem Glück

Vierter Advent! Weihnachten steht vor der Tür und ein Jahresrückblick jagt den nächsten. Auch ich habe mein ganz eigenes Jahr Revue passieren lassen. Die Bilanz war desaströs! Objektiv betrachtet hätte ich von schweren Depressionen geplagt die meiste Zeit in der hintersten Ecke meines Zuhauses sitzen müssen. 2020 war nicht nett und hat sehr viele gute Gründe zum Unglücklich-Sein geliefert. Komischerweise war ich aber gar nicht unglücklich. Insgesamt würde ich sogar sagen, es war für mich trotz aller Sorgen und Ängste und dem Gefühl zu wenig zu tanzen und zu viel allein zu sein ein glückliches Jahr! Verrückt, oder? Grund genug für mich, um mir einmal ausführlich Gedanken darüber zu machen, was Glück denn überhaupt ist und wo es herkommt. Meine kleine Abhandlung zum Glück möchte ich gerne mit einem Zitat aus Bertolt Brechts Dreigroschenoper einleiten:

Ja renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Und das Glück rennt hinterher
— B. Brecht

Das wirklich spannende am Glück ist, dass es so viele Ideen davon gibt, was Glück sein könnte, wie es Menschen auf der Welt gibt.

Aristoteles schrieb, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei. Für Pessimisten ist Glück die Abwesenheit von Leiden. Hedonisten würden sagen, dass Glück Konsum sei (Schuhe kaufen macht definitiv glücklich!). Albert Schweitzer war der Meinung, Glück sei eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis. Für Harald Juhnke war Glück leicht einen sitzen und keine weiteren Termine zu haben. Für den Neurobiologen ist Glück ein biochemischer Vorgang, der am einfachsten durch die Einnahme von Drogen hervorzurufen sei (Glühwein tut es dieser Tage vielleicht auch!). Es gibt Länder, die angeblich besonders glücklich oder besonders unglücklich sind. Es gibt Lebensphasen, in denen der Mensch glücklicher ist, als in andern. Am unglücklichsten sind wir wohl zwischen 35 und 54, sagt die Neurowissenschaftlerin Tali Sharot. Es gibt die Idee, dass Geld glücklich mache. Hierzu sagt der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann, dass dafür 65.000 Euro Jahresgehalt ausreichend seien, die Soziologin Hilke Brockmann hingegen sagt, das hänge davon ab, wieviel die Menschen um uns herum so hätten. Ungleichheit mache unglücklich. Das ist laut Brockmann übrigens der Hauptgrund dafür, warum die skandinavischen Länder beim Glücksindex stets ganz weit vorne landen: geringe soziale Unterschiede! Was definitiv unglücklich macht, sind Hunger, Krieg, Korruption. Am Ende der aktuellen Glücksliste befinden sich der Südsudan, Syrien und der Jemen.

Wir brauchen Fakten!

Fakt ist, die Suche nach dem Glück scheint so alt wie die Menschheit. Allerdings gilt es hierbei zu beachten, dass die Suche nach dem Glück ausgesprochen unglücklich machen kann. Forscher der University of Reading haben anhand einer Studie belegt, dass die Menschen, die sich besonders darum bemühen, glücklich zu sein, am häufigsten am Glück scheitern und ein erhöhtes Risiko haben, an Depressionen zu erkranken.

Dieser Cocktail aus körpereigenen Opiaten, wie zum Beispiel Endorphin, welches unser Hirn ausschüttet, wenn es feststellt, dass sein Mensch gerade glücklich ist, hat offensichtlich verdammtes Suchtpotenzial. -Biochemie eben.

Als ich mich also auf die Suche nach dem machte, was mich auch in diesem, für mich eher einsamen, Jahr glücklich gemacht hat, tauchte eine These immer wieder auf: Glück ist immer auch eine Entscheidung! Aber ist das wirklich so?

Während meiner Recherchen bin ich zunächst auf die Aussage gestoßen, dass unser Gehirn gar nicht dafür gemacht ist, permanent glücklich zu sein. In den Fünfzigerjahren gab es hierzu eine Studie des Psychologen James Olds, der das Belohnungszentrum von Ratten mit Strom stimulierte, wann immer diese einen bestimmten Hebel drückten. Die Ratten drückten diesen Hebel bis zur Erschöpfung. Sie vergaßen sogar zu essen. Dieses unendliche Glücksgefühl hat sie fast umgebracht. Wer von euch hatte auch schon einmal Phasen, in denen er permanent und fast blind für potenzielle Gefahren auf der Suche nach dem nächsten Kick war? -Biochemie eben.

Der verrückte Professor und das Glück

Wenn Wissenschaftler sich mit Glück beschäftigen, gehen sie häufig von zwei unterschiedlichen Arten von Glück aus:

  1. Das Glück als Hochgefühl, dieser Kick, dem sich die Ratten in Olds’ Versuch hemmungslos hingegeben haben, weil dieses Hochgefühl ein flüchtiger Zustand ist, der schnell vorbeigeht und einen mit Hunger auf mehr zurücklässt.

  2. Das Glück als Zustand der Zufriedenheit, den wir allgemein in unserem Leben spüren. Im Gegensatz zur ersten Erscheinungsform von Glück, ist diese Form von Glück deutlich nachhaltiger.

Vom Glück und der Zufriedenheit

Für den Neurobiologen Gerhard Roth ist diese zweite Glücksform so etwas wie ein Ausgangslevel, von dem aus wir das Hochgefühl des Glücks erleben. Dieses Ausgangslevel ist bei uns Menschen auf unterschiedlichen Niveaus angesiedelt. In Zwillingsstudien wurde festgestellt, dass dieses Ausgangslevel, diese allgemeine Lebenszufriedenheit, in Teilen sogar genetisch bedingt ist. Der Rest hängt zum einen von Umweltfaktoren und Sozialisation ab, aber auch davon, wie wir mit Chancen und Möglichkeiten umgehen. Das heißt, ein Teil dieser Lebenszufriedenheit liegt in unserer eigenen Hand.

Laut Roth halten diese berauschenden Glücksmomente, die Glück Nummer eins Hervorruft, bei Menschen mit einem hohen Level an Lebenszufriedenheit (also Glück Nummer zwei) deutlich länger an.

Das ist spannend! Ich sollte also nicht in erster Linie nach dem Glück suchen, sondern lieber erstmal nach Zufriedenheit, denn je zufriedener ich bin, desto berauschender fühlen sich auch schon winzig kleine Glücksmomente an.

Insgesamt stellte sich Gerhard Roth tatsächlich als dankbare Quelle für meine Glückssuche heraus, habe ich bei ihm doch nicht nur Erklärungen dafür gefunden, was Glück ist, sondern auch durch was es hervorgerufen wird. Hierbei unterscheidet er zwischen drei unterschiedlich gelagerten Quellen für Glück:

  1. Als erste Quelle für Glück nennt Roth die materielle Belohnung (wie zum Beispiel eine Gehaltserhöhung oder eine Bonuszahlung). Hierbei wird im Gehirn eine Region stimuliert, die sich Nucleus Accumbens nenne. Diese Region ist ein kleiner Nimmersatt, der recht schnell auf einen Stimulus anspringt, genauso schnell aber wieder abflacht und dadurch ein ausgesprochen vergängliches Glücksgefühl verursacht, das postwendend nach mehr verlangt und dauerhaft nur schwer zu stillen ist. Liebe Chefs, Gehaltserhöhungen oder Boni sind toll, wenn ihr der Meinung seid, dass der Mitarbeiter sich das durch seine Leistung verdient hat. Zur nachhaltigen Motivation ist beides aber total ungeeignet! -Biochemie eben!

  2. Quelle Nummer zwei ist in Roths System die soziale Belohnung. -Also Anerkennung, Lob oder auch das gefährliche Gefühl von Macht. Hierbei werden Hirnareale stimuliert, die auf einer bewussteren Ebene angesiedelt und deshalb auch etwas nachhaltiger sind. Doch auch diese Glücksquellen sorgen nicht für dauerhaftes Glück und müssen deshalb immer weiter gefüttert werden. Bei Lob, Respekt und Anerkennung sehe ich das erst einmal unkritisch. Wird der Machthunger jedoch zum Selbstläufer, kann es unschön enden und vor allem die Mitmenschen unglücklich machen.

  3. Roths dritte Quelle ist die einzige aller Glücksquellen, die nicht stetig durch ansteigende Dosen an Belohnungen stimuliert werden muss. Roth spricht hier vom sogenannten intrinsischen Glück, das sich direkt mit der eigenen Lebenszufriedenheit verbindet und somit deutlich länger in unserem Leben zu Gast bleibt, als all die anderen Glücksformen. Dieses intrinsische Glück hat seinen Ursprung in der Erfahrung, Freude und Sinnhaftigkeit bei dem zu empfinden, das man tut. Hierbei kann es sich um die Familie oder Hobbies, aber auch um die Arbeit handeln. Wirklich glücklich sind eben am Ende die, die nicht das Gefühl haben, ihre kurze Zeit auf Erden sinnlos zu verstolpern!

Vom Glück und der Entschleunigung

Was ich jetzt aus diesen Infos für mich mitnehme? Sehr gute Frage. Manchmal fange ich einfach an zu tippen und weiß nicht, wo die Buchstabensuppe mich hintragen wird! Was nehmt ihr denn mit? Habt ihr mal darüber nachgedacht, was eurem Leben Sinn gibt, euch Freude macht? Sich diese Frage zu stellen und sie auch mutig zu beantworten, bringt uns dem Glück viel näher als Brechts Rennerei, stetig getrieben von einer Gesellschaft, deren Kardinalsfehler es ist, Erfolg mit Glück gleichzusetzen.

Warum ich dieses Jahr glücklich war? Weil Corona mich dazu verdammt hat, aus der Rennerei auszusteigen um die Zeit zu nutzen, meinen inneren Kompass neu zu finden. Es war der Luxus, mir die Frage stellen zu dürfen, was mein intrinsisches Glück ausmacht, in welche Richtung mich mein innerer Kompass führen möchte, damit ich meine Zeit auf Erden eben nicht verstolpere. Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne arbeite, dass meine Arbeit ein für mich essentieller Teil meines Lebens ist. Mir ist dieses Jahr tatsächlich bewusst geworden, dass ich noch mindestens 24 Jahre arbeiten werde. Ich kam nicht umhin, mich fragen zu müssen, wie diese Jahre aussehen sollten, um auch weiterhin glücklich zu sein. Mir wurde klar, dass ich eine Perspektive brauche, um mich weiterentwickeln zu können und ich musste mir eingestehen, dass ich diese Perspektive bei meinem so geliebten Arbeitgeber nicht habe. Aristoteles hat neben seiner Idee, dass Glück Selbstgenügsamkeit sei, auch festgestellt, dass zum Glück immer auch Mut gehört. Das kann ich bestätigen. Weil ich mutig war, konnte ich die Chance, die sich mir im November geboten hat, ergreifen. Im Januar schlage ich ein ganz neues Kapitel in meinem Leben auf, dass mir sicher für einige Jahre die Möglichkeit bietet, zu lernen, zu wachsen und mich weiterzuentwickeln und dabei der von mir so geliebten und als sinnhaft empfundenen Arbeit als Human Factors Trainer oder jetzt eben als Agile Coach nachgehen zu dürfen, ganz nah am Menschen!

Sinnessuche zu Weihnachten

Heute, da ich diese Zeilen niederschreibe, ist Freitag. Am Vormittag habe ich meine Arbeitsmaterialien und Unterlagen, inklusive Dienstausweis, abgegeben. Ein wirklich emotionaler Moment. Besonders emotional wurde es jedoch vor etwa fünf Minuten. Es gibt Geschichten, die nur das Leben schreiben kann und Kreise, die sich stillschweigend schließen. So habe ich gerade die Information bekommen, dass die Kollegin, die vor 21 Jahren meine Grundausbildung geleitet hat, heute verstorben ist. Liebe Astrid, Stewardessen sterben nicht, sie fliegen nur etwas höher… Unsere Zeit auf Erden ist in der Tat kostbar und wir wissen alle nicht, wo unsere Uhr steht. Aber durch Rennen halten wir diese Uhr nicht an und durch Rennen geben wir unserem Leben keinen Sinn. Manchmal ist das Gegenteil der Fall: wir rennen so schnell, dass wir an diesen flüchtigen Glücksmomenten vorbeilaufen, ohne sie wahrzunehmen… Wir rennen und rennen und das Glück rennt hinterher.

Ich wünsche euch allen ein friedliches, gesegnetes Weihnachtsfest mit Glücksmomenten und viel Zufriedenheit. Aber vor allem wünsche ich euch Zeit zum glücklich sein!

Eure Constance

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Glückskinder

DIY lautet die Devise!

Der Agile Coach, der keiner ist, aber verrückt genug ist, als solcher arbeiten zu wollen! -Über die Macht der eigenen Ressourcen und Kompetenzen

Der Agile Coach, der keiner ist, es aber trotzdem einfach tut…

Der geneigte Stammleser hat ja zwischenzeitlich sicher mitbekommen, dass ich mich ab Januar beruflich auf komplett neue Füße stellen werde. Noch nicht erzählt habe ich euch, was ich zukünftig mit meiner Arbeitskraft vorhabe: ich werde als Agile Coach arbeiten. Das Verrückte ist, dass ich gar kein Agile Coach bin. Darüber darf ich gar nicht zu genau nachdenken, nicht, dass ich auf den letzten Drücker doch noch auf die Idee komme, zu glauben, dass ich das, was ich machen werde, gar nicht kann!

Wie um alles in der Welt kommt man also dazu, als etwas arbeiten zu wollen, das man gar nicht ist! Ganz einfach: man entscheidet sich einfach das zu tun, was man kann, weil man sich seiner Fähigkeiten und Ressourcen bewusst ist! Für mich war das ein großer Schritt, da ich mir eigentlich immer eher dessen bewusst war, was ich alles (noch) nicht kann! Mitte November hatte ich dann jedoch einen echt hellen Moment, den sich jeder von Zeit zu Zeit gönnen sollte. Aber ich fange mal von vorne an…

Hilfe, kein Toilettenpapier…

Damals, als Corona gerade angefangen hat, um sich zu greifen und ich noch fest daran glaubte, dass dieses Virus so schnell wieder verschwindet, wie seinerzeit das Toilettenpapier aus den Regalen unserer Supermärkte, hatte ich eines dieser Gespräche mit meiner Kollegin, Chefin, Mentorin Annette. Nachdem ich nun einige Jahre von einer Weiterbildungsmaßnahme zur nächste gestolpert bin, fragte sie mich eher beiläufig, wo ich denn mit all diesen Zertifikaten hinmöchte und meinte schließlich, dass man irgendwann auch mal schauen muss, was man denn alles schon kann und was man damit anfangen möchte. Ja, stimmt schon, ABER die und die Weiterbildung müsste ich doch noch dringend machen, weil ich ja wie so oft das Gefühl hatte, noch immer nicht gut genug zu sein. Zunächst verpuffte das Gespräch zwischen Corona, Kurzarbeit und wilden Plänen meinerseits.

Die Rückkehr des Toilettenpapiers

Das Toilettenpapier kehrte schließlich langsam aber sicher wieder in die Supermarktregale zurück. Blöderweise war das Virus noch immer da und ich hatte in Folge mehr Zeit als mir lieb war, um über Annettes Worte nachzudenken! Als erstes musste ich mir die Frage stellen, wohin die Reise für mich gehen sollte. Eine Antwort war recht schnell gefunden: was mich am meisten berührt und antreibt, ist das Menschenbild, dass ich als Human Factors Trainer in der Luftfahrt kennenlernen durfte. Der Mensch ist der Schlüssel zum Erfolg unserer Systeme und dabei ist jeder Akteur gleichermaßen wertvoll und macht so das Team zum Star! Wundervoll! Mit diesem Leitbild möchte ich unbedingt weiterhin durchs Leben gehen. Außerhalb der Luftfahrt ist mir ein vergleichbares Mindset immer wieder in agilen Strukturen begegnet und irgendwie wuchs in mir der Wunsch, mich in Richtung agiles Coaching weiterzuentwickeln. Die alte, stets vom Weiterentwicklungswahn getriebene Constance hätte sich an dieser Stelle eine berufsbegleitende Ausbildung zum Agile Coach gesucht, weil sie natürlich gedachte hätte, keine Ahnung zu haben und deshalb alles von die Pieke auf lernen zu müssen. Allerdings hallten in meinem Kopf schließlich die Worte meiner Chefin wider und ich entschied mich dazu, zu schauen, was ich schon alles kann, um danach zu schauen, was mir noch fehlt, um mein Ziel zu erreichen. Das war eine für mich eher ungewohnte Herangehensweise und ich gebe zu, ich habe erstmal Meister Google gefragt, was in Zeiten der um sich greifenden Digitalisierung ein völlig probates Mittel ist. Tja, und was soll ich sagen, Meister Google hat geholfen, in dem er mir das Agile Coaching Competency Framework von Lyssa Adkins auf mein Handy gespült hat. Ich hatte nun also eine Auflistung aller Fähigkeiten, die ein Agile Coach mitbringen sollte und musste im Prinzip nur noch abgleichen. Dabei stellte ich fest, dass ich die meisten Punkte ganz entspannt für mich abhaken konnte:

  • Coaching - Haken dran!

  • Facilitating, was in diesem Zusammenhang bedeutet, Teams als neutraler Begleiter und Moderator durch alle möglichen Prozesse zu begleiten. - Hey, ich bin Mediator und Moderator! Dicker fetter Haken dran!

  • Teaching - noch dickerer Haken dran!

  • Mentoring - ich mache seit Jahren Supervisionen! Also noch einen Haken dran!

  • Transformation Mastery, also Change Management - hmmmm, große Transformationsprozesse in großen Organisationen habe ich noch nicht initiiert, aber wenn ich an dieser Stelle großzügig das Thema “Organisationsgröße” ignoriere und mich nur frage, ob ich Erfahrung im Begleiten von Veränderungsprozessen auf Human Factors Ebene habe, würde ich mir auch hier ein Häkchen dran machen.

So waren auf der Haben-Seite schließlich fünf Haken zu finden. Allerdings musste ich feststellen, dass noch drei offene Punkte übrig waren, die es sich anzuschauen gilt:

  • Technical Mastery - klares deutliches Nein! Wobei ich mir bis heute die Frage stelle, wie tiefgreifend meine Technical Mastery als Coach am Ende sein muss. Ich werde kein Entwickler sein. Klar würde ich sicher Verständnis für bestimmte Prozesse benötigen. Aber hey, ich schule Piloten im Human Factors Bereich (und das mache ich, wie ich finde, verdammt gut) und kann selbst keine Flugzeuge fliegen. Also habe ich entschieden, an dieser Stelle etwas Mut zur Lücke haben zu dürfen. Ich werde schon lernen, was ich wissen muss…

  • Business Mastery - kommt halt aufs Business an…

  • Agile Practitioner - klares Nein! Hier stellte sich mir die Frage, wie ich denn zu einem Agile Practitioner werden könnte. Also wieder Meister Google fragen! Nach etwas Recherche stolperte ich über Scrum als agiles Framework. Davon hatte ich bereits gehört und auch über die Rolle des Scrum Masters habe ich schon gelesen, weil sie mir als Moderator, Mediator, Trainer und Teamentwickler irgendwie recht nah schien. Die Frage, die daraus resultierte, war, wie ich Scrum Master werden könnte, wie das mit der Zertifizierung abläuft und ob ich das hinbekomme. Es stellte sich heraus, dass sich dieser Weg selbst unter Corona-Bedingungen recht einfach gestaltet und so nutzte ich meine viel zu viele Freizeit, um “remote” zu lernen und um schließlich auch meine Prüfung zum Professional Scrum Master zu machen.

Und wieder kein Toilettenpapier…

So wurde es Herbst in Deutschland, das Toilettenpapier wurde wieder knapper und ich habe festgestellt, wie recht Annette hatte: lebenslanges Lernen ist großartig, aber bitte mit Sinn und Verstand und nicht weil man glaubt, noch nicht gut genug zu sein. Ich denke, die meisten von uns können so viel mehr, als sie sich eingestehen. Deshalb soll dieser Blog auch ein klein wenig ein Aufruf sein, euch eure Kompetenzen und Ressourcen bewusst zu machen. Das ist weder arrogant, noch überheblich. Es tut einfach nur gut und in meinem Fall hat das sogar Ordnung und Struktur in mein Leben und mein Selbstbild gebracht… -So viel Ordnung und Struktur, dass ich jetzt alles auf den Kopf stelle! Aber vielleicht liegt das ja nur daran, dass man seine Ressourcen auch nutzen möchte, wenn sie einem erstmal bewusst sind!

Und aus dem Condor wird eine Löwin

So dreht sich die Welt immer weiter und manchmal passieren die Dinge genau zum richtigen Zeitpunkt. Hätte ich nur ein halbes Jahr früher die Möglichkeit gehabt, als Agile Coach zu arbeiten, hätte ich sie wahrscheinlich nicht ergriffen, weil ich mir gesagt hätte, du kannst ja nicht als etwas arbeiten, das du formal gar nicht bist. Im November war mir schließlich und endlich klar, dass es nicht nur um Formalitäten geht, sondern auch um das Vertrauen in die eigenen Ressourcen und Kompetenzen. Deshalb sag ich jetzt tschüss zu meinen Flugzeugen und der guten alten Condor, die mir so lange ein tolles Job-Zuhause war. Denn ab Januar werde ich Löwin. Ist ja auch irgendwie cool Es ruft also das Haus des Geldes, ich wechsle in die Finanzbranche und werde zukünftig für die Bank mit dem Löwen arbeiten! Über das Thema Business Mastery denke ich an dieser Stelle besser nicht nach! Eigentlich kann ich ja nur Flugzeuge, aber das wird schon. Ich lerne ja gerne dazu und bin offen für Neues!

Eure Constance

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Kompetenzen und Ressourcen

Alles was zählt???