Gesellschaft

"Nimm Platz! Was darf ich für dich tun?" - Der Coaching-Markt und mein persönliches Marketing-Armageddon

Marketing als Coach - mein persönliches Armageddon

Da denkst du, nun bist du fertig mit deiner Ausbildung und könntest loslegen… aber Pustekuchen! Denn was fehlt sind die Kunden!

Im Rahmen des Abschlussmoduls meiner Business Coaching & Change Management Ausbildung ging es deshalb am zweiten Tag darum, wie ich meine Fähigkeiten und Fertigkeiten gewinnbringend an die Frau und an den Mann bringe. Leider reicht es dafür nicht aus, Coach mit in meinem Fall diversen Zertifikaten zu sein. Denn Coach darf sich einfach jeder nennen und ich stelle zunehmend fest, dass es das Marketing-Konzept ist, dass die Spreu vom Weizen zu trennen scheint. Die Frage, wie man denn einen guten Coach findet, wird mir jedenfalls mehrfach pro Woche gestellt und meine Antwort ist inzwischen zunächst: vor allem NICHT über Google! Die wenigsten Beratung Suchenden kennen sich im Dschungel der Verbände und Zertifizierungen wirklich aus und ein gutes Marketing bedeutet noch lange nicht, dass dahinter auch ein guter, bzw. gut ausgebildeter Coach steht. Manchmal denke ich, dass ich wahrscheinlich schon unschlagbar dick im Business stehen würde, hätte ich weniger Geld in Weiterbildungen und dafür mehr in eine professionelle Marketing-Agentur investiert. Nun gut… Die Zeit kann ich nicht zurückdrehen und diesen breiten Fundus an Kompetenzen und Methoden möchte ich auch nicht mehr missen. Also muss ich mich wohl oder übel selbst um meine Vermarktung kümmern. Vielleicht fange ich ja mit einer Black-Friday-Aktion an? Marketing at its best!

Mein ganz persönliches Marketing-Armageddon beginnt bereits damit, dass ich mich nicht entscheiden kann, welches “Framing” ich mir geben möchte. Ich müsse klar definieren, was ich ins Schaufenster stelle und in welchem Bereich ich mich spezialisieren möchte. Leider bin ich von meinem Hintergrund so breit aufgestellt, dass ich voller Inbrunst sagen kann: in allen Bereichen! Ich bin also ein Coaching-Gemischtwarenhändler! Leider sind die Zeiten dieser guten alten Tante-Emma-Läden vorbei. Heutzutage geht man ins Fachgeschäft! Aber welches Fachgeschäft möchte ich sein?

Wofür würdest du auf meinem schicken neuen Sessel Platz nehmen?

Nun fallen mir spontan zwei Möglichkeiten ein, mich zu spezialisieren: entweder ich überlege, was mir am meisten Spaß macht und worin genau ich am besten bin, oder ich analysiere potenzielle Kunden, da nur allzu oft die Nachfrage das Angebot definiert.

Überlege ich mir, was mir am meisten Spaß macht, kann ich die eine Antwort nicht geben. So vielfältig meine unterschiedlichen Ausbildungen sind, so vielfältig sind meine Interessen, an Themen, wie an Menschen. Zum einen liebe ich diese tiefe Persönlichkeitsarbeit. -Glaubessätze, Wertesysteme, Persönlichkeitsanteile! Mindestens genauso faszinierend finde ich die Arbeit mit Ängsten. Gerade in meinen NLP-Ausbildungen habe ich mir hierfür diverse Tools und Herangehensweisen erarbeitet. Es wäre so schade, wenn ich diese Kompetenzen zukünftig nicht nutzen würde! Auf der anderen Seite ist da aber auch meine Leidenschaft fürs Business: Ich genieße es, Menschen während beruflicher Veränderungsphase begleiten zu dürfen, die Arbeit insbesondere mit Führungskräften ist wahrscheinlich eine meiner ganz großen Stärken und besonders spannend finde ich es, mich in große und komplexe Transformationsprozesse einzuarbeiten und ein Konzept zu entwickeln, um Menschen bestmöglich durch dieses Transformation zu begleiten. Das I-Tüpfelchen ist es, wenn ich diese Begleitung auch selbst vornehmen darf.

Himmel, ich bin in der Tat ein verdammter Coaching-Gemischtwarenhändler! Wieviel Freude mir kürzlich die Begleitung eines Sportlers in der Vorbereitung auf einen internationalen Wettkampf gemacht hat, behalte ich besser für mich. Aber Mindset-Coaching ist wirklich cool! Und dann ist da ja auch noch die Mediation und meine Faszination für Konflikte…

Du siehst, ich finde meinen Fokus nicht mal eben so! Also doch eine kleine Marktanalyse, bei der du mir behilflich sein kannst.

Wofür oder mit welchem Thema würdest du auf meinem super bequemen Coaching-Sessel Platz nehmen? Gibt es Business-Themen, die dich umtreiben? Karriereambitionen? Work-Life-Balance? Oder ist es diese eine Verhaltensweise, die du in Frage stellst, die du vielleicht sogar am liebsten direkt wegzuzaubern würdest? Vielleicht ist es aber auch diese Flugangst, die dir regelmäßig den Urlaubsauftakt verhagelt? Wofür würdest du ein Coaching in Betracht ziehen?

Wenn du mich dabei unterstützt, meinen Fokus zu finden, indem du mir entweder einen Kommentar mit deinem Thema auf meiner Homepage hinterlässt, oder eine entsprechende Nachricht über mein Kontaktformular schickst, bekommst du vom mir 30 Euro Discount pro Coaching-Session für maximal fünf Sessions, wenn du dich eines Tages dazu entscheidest, dein Thema mit mir als deinen Coach anzugehen. Dieses Angebot gilt übrigens sowohl für Coaching-Sessions in meinem schicken neuen Coaching-Zimmer, als auch für Online-Sessions in meiner virtuellen Praxis bei Coaching Space.

Verdammt, das ist meine erste Black Friday Aktion als Coach! Ich müsste jetzt noch so etwas wie: Sei Teil dieser Aktion! Bringe mit meiner Unterstützung die beste Version deiner selbst zu Strahlen und sei uneingeschränkt erfolgreich, sei großartig und gehe mit Leichtigkeit durchs Leben! Verdiene unendlich viel Geld, finde den/die Partner*in deiner Träume, sein angstfrei und mutig… - Aber das passt nicht zu mir! Vielleicht möchtest du mein Coaching nutzen um den nächsten kleinen Schritt in deiner individuellen Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig erfolgreich zu gehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Diese nächsten kleinen Schritte sollte man nämlich nicht unterschätzen.

“Wege entstehen, indem man sie geht.” F. Kafka

Diese Zitat Kafkas begleitet mich nun schon eine ganze Weile und ist inzwischen zu einer Art Motto geworden. Wenn ich heute hier in meinem nagelneuen Büro oder Coaching-Zimmer sitze und voller Verwunderung und Stolz auf die letzten Jahre zurückschaue, taucht ein Muster immer und immer wieder auf. Immer und immer wieder habe ich den Mut und die Neugier aufgebracht, diesen ersten kleinen Schritt zu gehen, ohne zu wissen, wo dieser mich schließlich hinführen würde. Auf diese ersten Schritte folgten wie von selbst zweite, dritte, vierte… So ergaben sich wunderbare Wege, von denen ich nicht zu träumen gewagt habe. Ich finde mich als Agile Coach und schließlich als Organizational Effectiveness Consultant in einer großen Bank wieder, ich sehe mich an der Universität Maastricht vor Master-Studierenden referieren, ich sitze hier und schreibe nun schon seit über drei Jahren meinen Blog und die Zahl meiner Leserinnen und Leser wächst stetig. Und nun sehe ich mich in meinem Coaching-Zimmer, auf meinem großen grauen Sessel. Eigentlich ist der Traum bereits wahr geworden. OK, der zweite Sessel ist noch leer, aber ich vertraue darauf, dass er sich füllen wird. Hierbei vertraue ich auf die Erfolgsstrategie, die mich bis hierhergebracht hat: Ich werde mir nicht über Nacht ein festes Profil und eine absolute Spezialisierung geben. Ich gehe den Weg hin zu meiner Spezialisierung Schritt für Schritt. Ich mache erstmal weiter als coachender Gemischtwarenhändler und lerne mit jedem einzelnen Coaching-Prozess und Kunden, was am stärksten nachgefragt wird. So bleibe ich voller Vertrauen auf mich bei mir und meiner vielleicht wertvollsten Ressource: meine Neugier auf alle Facetten das Menschseins! Ich bin gespannt auf alle Themen und bleibe deshalb zunächst breit aufgestellt, auch wenn die Marketing-Fachleute sagen, das sei nicht ratsam! Es ist eben MEIN Marketing-Armageddon! Ich mache es einfach so, auch wenn es nicht ratsam ist. Es war sicher auch nicht ratsam, seinen sicheren und schönen Job nach 21 Jahren zu kündigen und mit Anfang 40 in eine komplett neue Rolle in einer komplett neuen Branche zu schlüpfen. Aber es war mutig und es hat sich gelohnt!

So sitze ich in meinem grauen Sessel und weiß, dass der Weg entstehen wird und freue mich darauf, unterwegs tief ins Menschsein eintauchen zu dürfen. Ich werde mit meinen Kunden in deren Persönlichkeit eintauchen, ihre Glaubenssätze, Wertesysteme und Ängste ergründen, oder ich werde Menschen dabei begleiten, beruflich neue oder andere Wege zu gehen, ich werde Führungskräfte dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln oder ihnen während komplexer Transformationen auch mal beratend zu Seite stehen… Vielleicht meldet sich ja auch der ein oder andere Sportler… Und Mediationen werde ich einfach auch machen, weil ich es kann! Ich werde Schritt für Schritt einfach alles machen, bis sich der eine Weg deutlich herauskristallisiert. Denn dann ist das meiner! Und du kannst Teil dieses Weges sein, denn ich bin auch auf deine Themen neugierig, auf alle deine Themen.

Ich freue mich auf deine Unterstützung und dein Feedback. Unterstützt du mich unterstütze ich dich… Ein Konzept an das ich uneingeschränkt glaube!

Deine Constance

HERZLICH Willkommen!

Nimm Platz und erzähle mir was ich für dich tun darf.

Für Jarin: „… hab nen Luftballon gefunden. Denk an dich und lass ihn fliegen…“

Wenn es nur noch Verlierer gibt…

In den beiden Wochen seit meinem letzten Blog ist eine Menge passiert. Während ein weiterer furchtbarer Krieg ausgebrochen ist, habe ich gleich vier Workshops zum Thema Konfliktmanagement gegeben. Viermal habe ich davon erzählt, dass die neunte und letzte Stufe auf Glasls Skala zur Konflikteskalation “Gemeinsam in den Abgrund” heißt und gleich viermal habe ich erklärt, dass wir ab diesem Grad der Eskalation sogar eigene Verluste in Kauf nehmen, solange der andere noch etwas mehr verliert. Ab einem gewissen Punkt gibt es nur noch Verlierer.

Viermal habe ich erklärt, wie das große Harvard-Konzept zur Konfliktverhandlung in Nahost offensichtlich gescheitert ist. Und vielleicht ist es Israel in Anbetracht des Grauens auch nicht mehr zumutbar, die für eine Verhandlung notwendigen Kompromisse einzugehen. Wie auch, bei so vielen Toten, bei enthaupteten Kindern, entführten Babys…? Es steht mir nicht zu, an dieser Stelle zu bewerten oder zu urteilen wo dieser Konflikt seinen Ursprung nahm. Ich bin einfach nur traurig und frage mich, wohin diese Welt steuert. - Diese wunderschöne Welt, unser aller Zuhause.

Am Ende meiner Weiterbildung bei Richard Bandler vor zwei Wochen hat er davon erzählt, dass er, der auch die NASA berät, eines der ersten Fotos zuhause hat, das die ersten Menschen auf dem Mond gemacht haben. Es ist ein Bild unserer Erde. Die ersten Menschen auf dem Mond haben nicht den Mond fotografierte, sondern die Erde. Richard Bandler hatte die Möglichkeit, die Crew zu diesem Foto zu befragen und sie sagten, dass ihnen die absolute Schönheit der Erde in diesem Moment bewusstwurde und sie nicht anders konnten, als den schönen blauen Planeten im Bild festzuhalten. Und wir sitzen hier unten und machen alles kaputt…

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Geschehnisse in Israel haben mich in den letzten Tagen immer wieder in meine eigene Vergangenheit katapultiert, 25 Jahre zurück in eine wilde Zeit geprägt von Neugier, Freiheit und Mut. Nachrichten scheinen manchmal (zum Glück) so weit weg zu sein. Der Konflikt in Israel ist mir jedoch seit 25 Jahren recht nah. Ich war 19 und auf meiner großen Rucksackreise. Irgendwo im Nirgendwo stand er da: Jarin! Ich war fünf Tage lang schockverliebt. Er auch. Er war Mitte zwanzig, Israeli und ziellos. Ich erinnere mich, wie wir Nächte lang geredet haben, geredet, geträumt, gelacht und geweint. Jarins Großeltern väterlicherseits waren deutsche Holocaustüberlebende. Er sprach fließend Deutsch. Seine Mama war israelische Christin. Er verlor seine Großeltern, seine Eltern und sein große Schwester in einem Attentat der Hamas, in einem Krieg, den er nicht als seinen sah. Auf dem Papier war er zwar Israeli, aber Christ, einen deutschen Pass hatte er zudem. Wo er hingehörte wusste er nicht mehr.

Seit dem Tag, an dem er seine Familie verloren hatte, war er ziel- und heimatlos unterwegs. Zurück nach Israel wollte und konnte er nicht. Er galt als fahnenflüchtig. Wohin er wollte wusste er auch nicht. Er sprach von Hamburg, weil er das Meer liebte und seine Großeltern trotz ihrer schrecklichen Vergangenheit immer wieder positiv von Deutschland gesprochen haben.

So reisten wir ein kleines Stück gemeinsam. Ich genoss die Zeit mit ihm so sehr, wissend, dass sie begrenzt sein würde. Ich erinnere mich noch gut an seine warmen braunen Augen, in denen selbst in den fröhlichsten und unbeschwertesten Momenten immer auch Traurigkeit und Leere zu sehen war. Er war nicht wütend, nicht auf die Hamas, nicht auf Israel. Er war leer. Er sagte immer, es sei nicht sein Krieg, er wollte einfach nur in Frieden leben, so wie seine Familie, seine Eltern und Großeltern es wollten. Er hasse nicht, er könne nicht hassen. Nur lieben könne er auch nicht mehr.

Wir verabschiedeten uns Mitten in Irland, in Kilkenny. Am letzten Abend tranken wir noch ein gemeinsames Guinness und er ließ mir einen Spruch in meinem Reisetagebuch da: “Ich wandle einsam, mein Weg ist noch lang. Hinauf zum Himmel schau’ ich so bang. Kein Stern von oben blickt niederwärts, einsam der Himmel und traurig mein Herz. Mein Herz und der Himmel - sie plagt gleiche Not: Sein Glanz ist erloschen, meine Liebe ist tot.” Keine Ahnung, wen er da zitierte. Ich zitiere seitdem ihn.

Krieg und Frieden

Es war eine intensive Zeit, damals mit 19. Zum ersten Mal habe ich eine wirkliche Idee von Krieg bekommen. Zum ersten Mal konnte ich unmittelbar spüren, was Krieg tut. Er zerstört und zerreißt. -Nicht nur die aktiven Akteure, sondern alle, die nicht weit genug weg sein können. Wie viel Schmerz kann ein Mensch ertragen? Mit diesem Gedanken bin ich weitergereist. Der Zufall wollte es, dass ich nur wenige Wochen später an der irischen Westküste einen waschechten und zwischenzeitlich begnadigten Terroristen kennengelernt habe. Ein alter, gebrochener Mann, der sein Leben in Guinness und Whisky ertränkte und mir erklärte, dass er damals gemeinsam mit seinen Brüdern bei der IRA so sehr damit beschäftig war, für eine bessere Welt und ein besseres Leben für seine Familie, Frau und Kinder, zu kämpfen, dass er vergessen habe, eine Familie zu gründen. Nun sei er alt, einsam und habe seine besten Jahre an den Kampf verschenkt. Ich fragte mich wie viele Jarins er wohl zurückgelassen hatte und trotzdem tat er mir leid. Er hat von einer besseren und aus seiner Sicht gerechteren Welt geträumt und sich dabei verzockt. Er war blind vor Hass.

Gut und Böse, Richtig und Falsch

Damals habe ich beide Seiten erlebt und habe für mich begriffen, dass richtig und falsch, Gut und Böse häufig eine Frage der Perspektive ist. Die einzig absolute Macht ist für mich die Liebe, Liebe und Empathie. Betrachte ich mir typische Konfliktspiralen spielt der Verlust der Empathie im Rahmen der Eskalation eine große Rolle und es macht mir Angst zu sehen, mit wie wenig Empathie die Terroristen der Hamas Menschen auf schrecklichste Arten getötet haben. Ebenso macht es mit Angst, dass Israel sich offensichtlich gefühlt immer weniger Empathie mit all den unschuldigen Menschen in Gaza leisten kann. Natürlich frage ich mich, wo das alles hinführen soll, auch geopolitisch betrachtet…

Vielleicht sollten wir alle gemeinsam auf den Mond fliegen, um zu sehen wie wunderschön und beschützenswert unsere Erde und unser Leben auf unserer Erde ist. Probleme werden kleiner je weiter man weg ist…

Im Radio läuft gerade Grönemeyer “Kinder an die Macht”: Die Armeen sind aus Gummibärchen, die Panzer aus Marzipan. Kriege werden aufgegessen, einfacher Plan, kindlich genial…

Ich denke an Jarin. Jarin bedeutet “er wird froh sein”. Ich hoffe er hat einen Ort gefunden um zur Ruhe zu kommen, froh zu sein, vielleicht ja sogar in Hamburg. Er liebte Nenas 99 Luftballons und beharrte darauf, dass Kriege keinen Platz für Sieger ließen. Heute Abend werde ich wieder einmal die Nachrichten schauen und wissen, dass er recht hatte. Und gleichzeitig wird mein Herz auch all jene verstehen, die aus Trauer um ihre Liebsten erfüllt von Rachegefühlen auf der Eskalationsskala von Glasl weiter gemeinsam in den Abgrund steuern. Es ist eben nicht schwarz-weiß.

Habt einen friedlichen Sonntag voller Liebe.

Euere Constance

Gebt den Kindern das Kommando. Sie berechnen nicht was sie tun.

Es gibt kein Schwarz, es gibt kein Weiß…

Wer ein Gehirn hat, hat Vorurteile! -Punkt!

Klischees über Klischees

Frauen können nicht einparken, Männern geht es immer nur um Sex, Benz-Fahrer haben die eingebaute Vorfahrt, Naturwissenschaftler sind auf der zwischenmenschlichen Ebene unbeholfen, Mädchen sind nicht gut in Physik und Jungs sind nicht gut in Sprachen, schlanke Frauen sind zickig und dicke lustig… Ich könnte sie beliebig fortsetzen, diese Liste von Vorurteilen. Ich bin übrigens Stewardess, oder wenigstens war ich das über einen ziemlich langen Zeitraum meines Lebens. Was sagt das über mich aus? Wahrscheinlich nichts, außer, dass ich offensichtlich gerne reise und mich unter Menschen wohl fühle. Dennoch spielt Schubladendenken eine große Rolle in unserem Leben. In der Business-Welt nennt man diese Schubladen inzwischen Unconscious Bias, die unbewusste Voreingenommenheit, die maßgeblich darüber entscheidet, wie wir unser berufliches Umfeld wahrnehmen, wen wir sympathisch finden und unterstützen und wem wir misstrauen. Basierend auf unserer unbewussten Voreingenommenheit treffen wir Entscheidungen, manchmal sogar richtungsweisende Entscheidungen. In Bewerbungsgesprächen beeinflussen sie uns ebenso wie in Meetings oder Beurteilungssituationen. Ist das Fair? Nein! Kann das für eine Unternehmen in der Gesamtbetrachtung von Nachteil sein? Ja! Sollten Organisationen sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen? Auf jeden Fall! - Aber wie? Vielleicht, indem sie die Existenz dieser Voreingenommenheit zunächst einmal uneingeschränkt akzeptieren und auch verstehen, dass diese Form der Voreingenommenheit keineswegs unprofessionell ist und auch nicht weggezaubert werden kann. Hierfür ist es sicher hilfreich zu verstehen, woher dieses Schubladendenken kommt.

Vorurteile als Überlebensstrategie

Um zu verstehen, warum Menschen gerne und vor allem auch unbewusst in Schubladen denken, ist es hilfreich ein paar Jahre zurück in die Steinzeit zu reisen. Hier waren diese Vorurteile eine wichtige Überlebensstrategie. Denn wenn der Steinzeitmensch einem Säbelzahntiger begegnete, überprüfte er für gewöhnlich nicht, ob es sich bei diesen speziellen Säbelzahntiger vielleicht um ein ausgesprochen freundliches Exemplar seiner Gattung handelte. Beim Anblick der Rund 20 Zentimeter langen Säbelzähne war unser Steinzeitmensch gut beraten nicht lange nachzudenken und die Flucht zu ergreifen.

Ich gehe davon aus, dass die Steinzeitmenschen, die vorher noch überprüfen wollten, oder dieser Säbelzahntiger nicht doch vielleicht nett ist, weil sie es unfair fanden, alle Säbelzahntiger in eine Schublade zu stecken, gefressen wurden und so ihre von differenzierter Betrachtung geprägte Gene nicht weitergeben konnten.

Im Umgang mit Angehörigen fremder oder feindlicher Stämme griff dieser Mechanismus übrigens auch.

Das heißt also ursprünglich waren Vorurteile überlebenswichtig. Klar hängt unser Überleben heute nicht mehr von der Flucht vor Raubkatzen ab (also zumindest im Regelfall). Nichtsdestotrotz hat unser Gehirn sich über Jahrmillionen das Schubladendenken als Erfolgsstrategie abgespeichert und auch der beste Business Trainer wird das unseren Gehirnen nicht abtrainieren.

Guter Rat ist teuer! -Selbstreflexion ist jedoch kostenlos

Warum und wo überall in unserem Leben Vorurteile glasklare Nachteile mit sich bringen, weil sie unseren Horizont und unser Denken einschränken, muss ich sicher nicht noch einmal wiederholen. Vielmehr sollte uns die Frage umtreiben, wie wir damit umgehen sollen, dass wir ein Stück weit von Vorurteilen gesteuert werden. Der erste wichtige Schritt ist wie gesagt, sich selbst einzugestehen, dass auch wir nicht frei von Vorurteilen sind. Punkt! Wer ein normal funktionierendes Gehirn hat, hat Vorurteile! Habe ich das für mich verinnerlicht, kann ich mich im nächsten Schritt auf die Suche nach meinen eigenen Vorurteilen machen. Selbstreflexion braucht keinen Trainer und kostet kein Geld. Alles was wir dafür brauchen, ist die Einsicht, nicht alles was wir den lieben langen Tag so denken, auch uneingeschränkt zu glauben. Wer sich selbst mutig hinterfragt wird dabei ganz sicher auch Muster erkennen. Ich zum Beispiel habe ein Thema mit kleinen, zierlichen, mädchenhaften Frauen. Sie hatten bei mir sehr lange einen wirklich schweren Stand. Dieses Schubladenmuster habe ich dem Umstand zu verdanken, dass ich bereits mit drei Jahren einen Kopf größer war als alle anderen dreijährigen Mädchen im Kindergarten. Gab es Streit um ein Spielzeug musste ich mir immer anhören, dass ich doch vernünftig und nachgiebig sein solle, immerhin sei ich doch die Große! - Fuck! Ich war drei! Aber auf diese Weise hat mein kluges Gehirn gelernt, das kleine Mädchen immer das bekommen, was sie wollen und deshalb weniger durchsetzungsfähig und leistungsstrak sind wie große Frauen! Verrückt ist, dass die durchsetzungsfähigste, leistungsstärkste junge weibliche Führungskraft, die ich momentan begleiten darf, eine zauberhafte, mädchenhafte, kleine Frau ist! -Eine verflixte Urgewalt, die so viele in den Schatten stellt und so ausdauernd kämpfen kann.

Es hilft also, bewusst Gegenbeispiele für Vorurteile zu suchen. Dabei darf ich mir auch helfen lassen. Das ist noch einfacher als Selbstreflexion, wenn ich nur offen dafür bin. An dieser Stelle kommen kognitiv diverse Teams ins Spiel. Wie großartig, wenn ich Menschen um mich herum habe, die andere Denkmuster haben und mir vielfältige Angebote unterschiedlicher Perspektiven machen. Wie gesagt, ich muss einfach nur offen dafür sein. Denn Diversity ist so viel mehr als Menschen unterschiedlicher Herkunft willkommen zu heißen oder Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung oder Identität zu respektieren.

Und jetzt gehts in die Sommerpause!

Mit diesem wunderschönen Gedanken geht es für mich in eine kurze und späte Sommerpause. Die Ex-Stewardess fliegt natürlich weit, weit weg! Neue Kulturen kennenlernen, neue Welten entdecken und den eigenen Horizont erweitern. Ich freue mich auf eine Auszeit im wunderschönen Sansibar. Die kreative Pause wird mir gut tun, um mit neuen Ideen und vollen Akkus zurück zu kommen.

Den nächsten Blog gibt es am 08. Oktober. Bis dahin wünsche ich euch eine gute Zeit.

Eure Constance

Alle geleich und alle gut?

Mit Nichten! Wer ein Gehirn hat hat Vorurteile. -Oder warum sind Kicker-Figuren alle männlich?