Familien-Coaching

Und Schuld sind ohnehin die Eltern... - Glaubenssätze zum Muttertag

Über Wurzeln, Flügel und Liebe

Heute ist Muttertag und ich denke, dass viele von euch ihre Mama mit liebevollen Geschenken bedenken, sie besuchen und sich ihrer Bedeutung in unserem Leben noch einmal besonders bewusst werden. Vielleicht werden einige von euch heute selbst mit liebevollen Geschenken und Aufmerksamkeiten bedacht. Bei mir wird heute nichts von beidem passieren. Ich habe mich seiner Zeit bewusst gegen eigene Kinder entschieden und werde somit nie erfahren, wie es ist Mama zu sein. Da das meine eigene und bewusste Entscheidung war, ist das OK für mich. Leider werde ich jedoch auch meiner Mama keine Geschenke machen können. Ich werde sie nicht besuchen können, da sie schon eine ganze Weile tot ist. Ehrlich gesagt kann ich mich noch nicht einmal richtig an den letzten Muttertag mit meiner Mutter erinnern. Er ist so lange her und ich wünschte ich hätte ihn bewusster mit ihr gefeiert. Wie wertvoll Zeit ist stellen wir Menschen leider oft erst dann fest, wenn sie abgelaufen ist.

Auch wenn ich diesen Tag heute nicht mit meiner Mama feiern kann, hat er dennoch eine Bedeutung für mich, denn obwohl ich keine Mama mehr habe, bin ich trotzdem Tochter. Ich werde de Facto nie aufhören Tochter zu sein. Aber was bedeutet es denn überhaupt, Tochter zu sein? So lange meine Mama noch am Leben war habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Alles war so selbstverständlich. Meine Mama war für mich da, wenn ich sie brauchte und ich habe versucht für meine Mama da zu sein, wenn sie mich brauchte. Tochter zu sein war Zugehörigkeit und Abgrenzung zugleich und als meine Mama krank wurde bedeutete Tochter zu sein für mich, mich um sie zu kümmern, ihr zu ermöglichen, dass sie so lange wie möglich zuhause sein konnte. Tochter zu sein bedeutete für mich, dass meine Mama bei Ärzten oder im Krankenhaus nicht allein war und als sich meine Mutter auf ihre finale Reise begeben hat, bedeutete Tochter sein für mich, dass ich Tage und Nächte bei ihr war, an ihrem Bett wachte, damit sie in ihren letzten Momenten nicht allein war. Meine Mama hat mich bei meinen ersten Atemzügen gehalten und ich habe ihre Hand bei ihren letzten Atemzügen gehalten. Das bedeutete Tochter sein für mich.

Das Produkt von Mutterliebe

Einige Jahre nach Mamas tot ist mir bewusst geworden, dass Tochter sein noch viel weiter geht. Im Rahmen meiner NLP-Ausbildung ging es endlich an die Arbeit mit Glaubenssätzen, der Grund weshalb ich überhaupt damit angefangen habe, mich für NLP, Neurolinguistische Programmierung, zu interessieren.

Glaubenssätze sind tief verankerte Annahmen, die wir Menschen über uns selbst, über andere und über die Welt haben. Es sind sehr starke innere Überzeugungen, die uns häufig noch nicht einmal voll bewusst sind und dennoch einen großen Einfluss darauf haben, wie wir die Welt wahrnehmen, wie wir agieren, oder eben nicht.

Betrachten wir uns wie unsere Glaubessätze entstehen, lässt sich feststellen, dass sie das Ergebnis unserer wahrgenommenen Erfahrungen sind und nicht selten bereits in der Kindheit entstehen.

Ich wollte damals, zu Beginn meiner NLP-Karriere, unbedingt an meine Glaubessätze ran, da ich feststellen musste, dass einige meiner Glaubessätze verdammt viel Macht über mich hatten. Sie waren allgegenwärtig und machten es mir im Prinzip unmöglich mein volles Potenzial auszuschöpfen. Mein erster Versuch war eine klassische Gesprächstherapie, die wirklich hilfreich war um mir noch klarer darüber zu werden, wo und wie meine Glaubenssätze mich einschränkten. Außerdem wurde mir bereits damals bewusst, dass meine Eltern “schuld” an meinen Glaubenssätzen waren, zu mindestens an den drei bis vier giftigsten. Weg waren meine Glaubenssätze trotz Therapie nicht. Gefühlt waren sie sogar noch präsenter. NLP sollte es lösen und in der dritten Ausbildung, dem NLP-Masterkurs, war es dann endlich soweit: Glaubenssatzarbeit.

“Du bist nicht gut genug!” “Kümmere dich erst um die anderen, eh du dich um dich selbst kümmerst!” “Du bist egoistisch!” “Du darfst dich nicht so wichtig nehmen!” “Du kannst das ohnehin nicht richtig!” - Ich weiß nicht wie lang eure Listen sind, oder ob ihr eure Listen überhaupt kennt oder kennenlernen wollt. Bei mir gab und gibt es so einiges und zu meiner Empörung durfte ich wie bereits erwähnt feststellen, dass meine Eltern an den meisten meiner destruktiven Glaubenssätze schuld waren. Es gab einen Satz, der mir besonders im Herzen gestochen hat. Ich war fest davon überzeugt, kein guter Mensch zu sein. Keiner meiner Glaubenssätze hatte eine vergleichbare Macht über mich. Es stellte sich heraus, dass ich diesen Satz ganz direkt meiner Mutter zu verdanken hatte. Während einer sehr intensiven Session konnte ich die Situation herausarbeiten. Ich war acht oder neun Jahre alt und ich weiß sogar noch, was ich anhatte, als meine Mutter eigentlich einen Witz machte, den die Acht- oder Neunjährige leider sehr ernst genommen hat. Es war Sommer, abends gegen acht Uhr und ich saß in meinem gelb-grauen Schlafanzug mit dieser kurzer Hose auf unserer braunen Ledercouch, auf die mein Bruder kürzlich Butterflecken gekleckst hat. Meine Mutter machte einen liebevoll, lustig gemeinten Vergleich, den mein erwachsenes Ich sicher verstanden hätte. Meinem kindliches Ich ging dieser Vergleich sehr zu Herzen, so sehr, dass die kleine Constance fortan immer wieder alle möglichen Situationen auf gleiche Weise interpretiert oder wahrgenommen hat. Sie war also ein schlechter Mensch, die kleine Constance. So jedenfalls hat es das Kinde verstanden und als real wahrgenommen und so hat sich dieser Glaubenssatz in meinem Unterbewusstsein festgefressen und mich in allen möglichen Situationen behindert und eingeschränkt.

Die neue Einordnung dieser Situation, dieses Glaubenssatzes war so tränenreich, dass ich Angst hatte, der Holzfußboden im Übungsraum könnte aufquellen!

Aus Liebe eingeschränkt!

Warum ich euch das erzähle? Weil mir in diesem Moment bewusstwurde, dass Tochter sein auch bedeutet, dass ich zeitlebens das Produkt der Liebe und Fürsorge, aber auch der Fehlbarkeit meiner Eltern bin.

Dank meiner Ausbildung hatte ich die Möglichkeit mir noch weitere meiner Glaubenssätze anzuschauen und ich durfte feststellen, dass Glaubenssatzarbeit eine sehr deutliche Einladung dazu sein kann, mit den Eltern recht hart ins Gericht zu gehen. Da meine Eltern, die ich sehr liebe, zu diesem Zeitpunkt jedoch beide schon lange tot waren, wollte und konnte ich keinen Groll gegen sie hegen. Fakt ist, sie waren sicher nie der Meinung, dass ich ein schlechter Mensch bin, dass ich weniger wichtig oder weniger wert bin als andere. Wahrscheinlich war ich für sie sogar deutlich wichtiger und wertvoller als so ziemlich alle anderen Menschen auf dieser Welt. Trotzdem haben sie das ein oder andere nicht ganz richtig, vielleicht sogar falsch gemacht. Ihre Motive waren jedoch stets von Liebe und Fürsorge getragen. Sie haben ihr Bestes gegeben, Tag für Tag.

Inzwischen konnte ich viele meiner Glaubenssätze neu einordnen, auflösen, integrieren. Einen Glaubenssatz, den man durchaus eher als negativ einordnen könnte, habe ich jedoch bewusst behalten. Ich habe mich sogar dazu entschieden, ihn ein wenig zu pflegen, was zu einem ganz kurzen Eklat in meiner NLP-Ausbildungsgruppe geführt hat. Dieser Glaubenssatz mit seinen Einschränkungen hält mich in Verbindung mit meiner Mutter. Jedes Mal, wenn diese fiese Stimme aus meinem Unterbewussten schreit, dass ich mich gefälligst erst um die anderen kümmern solle, eh ich nach mir schaue, weil sich das so gehöre, weiß ich, dass mich das einschränkt, aber ich weiß auch, dass es meine Mama war, die dieses Muster in mir gestärkt hat. Während ich also manchmal erschöpft und müde noch eine Runde für andere drehe, weil ich einfach nicht nein sagen kann, lächle ich in mich hinein, weil ich weiß, dass Tochter sein eben auch bedeutet ein Produkt der Liebe, der Fürsorge und der Fehlbarkeit meiner Mama zu sein. Sie hat mich stark und selbstbewusst gemacht, sie war ein tolles Vorbild, sie hat mir ein sicheres Nest und Flügel geschenkt, sie hat ihren wertvollen Beitrag dazu geleistet, dass ich heute ein komplexes Gesamtpaket bin, mit Stärken und Schwächen, mit Mut, Ängsten und Zweifeln.

Heute, am Muttertag, wünsche ich mir vielleicht noch ein bisschen mehr als sonst, noch ein einziges Mal mit meiner Mama bei einer Tasse Kaffee zusammensitzen zu können. Wie gerne würde ich ihr von meinem Leben erzählen. Wie gerne würde ich noch einmal diesen Stolz spüren, den nur eine Mutter empfinden kann, wenn sie ihre Tochter sieht. Wie gerne würde ich dieses Gefühl der mütterlichen Geborgenheit noch ein einziges Mal spüren, nur für einen kurzen Moment. Aber alles das wird nicht mehr passieren. Deshalb bedeutet Tochter sein für mich meine Mutter in mir zu entdecken und manchmal lächelt sie zurück, wenn ich in den Spiegel schaue.

Genießt diesen Sonntag, egal ob als Mama, als Tochter oder als Sohn.

Eure Constance

Glaubenssätze und Muttertag

Schuld sind die Eltern, schuld aus Liebe und Fürsorge