Working Out Loud - So viel mehr als nur eine Methode
Und was ist das jetzt schon wieder?
Das Wissen, besonders Hoheits- oder Exklusivwissen, Macht ist, ist altbekannt! Mit diesem Leitsatz hat mein alter Herr mich quasi durch die Schule getrieben! Später, in Business-Umfeld entwickelte sich daraus die Idee, dass derjenige, der sein Wissen für sich behält, einen Wissensvorsprung hat und sich dadurch gegenüber anderen profilieren kann. Tatsächlich ist diese Einstellung durch die zunehmende Dynamik unseres Arbeitsumfeldes, nicht zuletzt durch die immer weiter um sich greifende Digitalisierung, Vergangenheit. In Zeiten des World Wide Webs haben sich die Vorzeichen radikal geändert. Zum einen ist es so, dass durch eine immer größer werdende Dynamik die Halbwertszeit unseres Wissens stetig abnimmt. Zum anderen ist es so, dass durch das Internet nicht mehr derjenige einen Vorteil hat, der sein Wissen für sich behält, sondern derjenige, der sein Wissen teilt. Für all die offenen Fragen unserer Welt gibt es schon lange nicht mehr diese eine Lösung. Vielmehr ist es so, dass der Austausch in unserer vernetzten Welt dazu führt, dass man sich gemeinsam, über Unternehmens- oder Bereichsgrenzen hinweg, einen Lösungsweg erarbeitet, indem man Wissen austauscht, oder sich Zugang zu Personen oder Institutionen erarbeitet, die zunächst unerreichbar schienen. Im Prinzip sind wir alle “Influencer”, vernetzt mit anderen “Influencern”, die sich gegenseitig unterstützen und weiterbringen.
Der Erste, der diese Grundidee unter dem Begriff “Working Out Loud” in die Welt gekippt hat, war der IT-Berater Bryce Williams, der im Jahr 2010 einen Blogartikel unter der Überschrift “When will we start to work out loud? Soon!” veröffentlichte. Williams beschäftigte sich mit der Notwendigkeit der “Social Collaboration”, bzw. des “Collaborative Learnings” in einem komplexen und dynamischen Umfeld. Hierbei ging es ihm zunächst vor allem darum, das eigene Wissen, die eigenen Erfahrungen und die eigene Arbeit sichtbar und transparent zu machen, damit möglichst viele andere davon profitieren können. Im Prinzip steckt in diesem Ansatz auch die Grundidee der sogenannten Lernenden Organisation, mit der sich Amy C. Edmondson schon viele Jahre zuvor beschäftigt hat. Im Kern also nichts Neues, aber konsequent und sehr praxisnah auf die Welt der sogenannten New Work angewendet.
Vom Mindset zur Methode
Es war ein weiterer Berater, John Stepper, der die Idee des Working Out Loud, also der konsequenten Transparenz und Vernetzung, zu einer echten Methode ausgebaut hat. Hierzu hat er zunächst die fünf Grundprinzipien des “WOL” formuliert:
Visible Work: die eigene Arbeit sichtbar zu machen und Ergebnisse zu teilen und zwar nicht der Selbstdarstellung wegen, sondern um andere weiterzubringen und zu unterstützen.
Growth Mindset: die eigene Arbeit kontinuierlich verbessern, indem man Feedback und die Erfahrungen anderer aktive nutz und einbindet.
Generosity: großzügig Wissen zu teilen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten und damit das eigene Netzwerk nachhaltig zu stärken.
Relationships: ein soziales Netzwerk aufbauen (wir sind wieder bei den “Influencern”) um interdisziplinäre und nachhaltige Beziehungen zu etablieren, die jeden Einzelnen im Netzwerk weiterbringen.
Purposeful Discovery: eine zielgerichtete Zusammenarbeit, was so viel bedeutet, dass ich mein Ziel, meinen Purpose, kenne und weiß, wie ich die Ressourcen meines Netzwerks nutzen kann, um dieses Ziel zu erreichen und mir gleichzeitig bewusst ist, welchen Beitrag ich leisten kann, um mein Netzwerk zu stärken und voranzubringen.
Aus diesen Grundprinzipien entwickelte Stepper schließlich den sogenannte WOL-Circle, in dem sich Gruppen von etwa fünf Teilnehmenden über einen Zeitraum von zwölf Wochen einmal pro Woche für eine Stunde zusammensetzen um gemeinsam und voneinander zu lernen, wie man am effektivsten teilt und sich vernetzt. Zusätzlich geht es darum, gemeinsam die jeweils individuell für die zwölf Wochen gesetzten Ziele zu erreichen. Hierbei steht jede Woche unter einer neuen Überschrift, die von “Vertrauen schaffen” in Woche eins, über “Mache es zur Gewohnheit” in Woche zehn, bis hin zu einem bewussten Abschluss in Woche zwölf führen. -Eine wie ich finde wundervolle Struktur für ein effektives Peer-Coaching!
Von der Methode zurück zum Mindset
Die Methode hat inzwischen Einzug in die Personalentwicklung vieler namhafter Unternehmen, wie zum Beispiel IBM oder Daimler gehalten. Allerdings ist die Grundidee von WOL keinesfalls auf Großkonzerne beschränkt. Im Gegenteil! Working Out Loud unterstützt die Vernetzung der Mitarbeitenden und deren Wissensaustausch untereinander unabhängig von der Größe eines Unternehmens. Ich persönlich würde sogar weiter gehen und behaupten, dass Working Out Loud noch nicht einmal an Unternehmensgrenzen gebunden ist, oder gebunden sein sollte. Ich nehme mich selbst mal als Beispiel und schaue mir mein über die Jahre hinweg gewachsenes Netzwerk aus Trainern, Coaches, Mediatoren, (agilen) Beratern, Personalern und so weiter an und schon während ich darüber nachdenke, wird es mir ganz warm ums Herz! Ja, ich finde ich bin verdammt gut in dem was ich tue! Jedoch muss auch gesagt sein, dass ein absoluten Hauptgründe dafür, dass ich so gut in meinem Job als Berater, Coach, Trainer bin, ist dass ich mich rasant und stetig weiterentwickle und das tue ich vor allem, in dem ich mich immer wieder mit anderen austausche. Dabei bin ich wahnsinnig dankbar dafür, dass mein Netzwerk nur allzu bereitwillig Ideen, Konzepte, Tools, Ansichten, Perspektiven mit mir teilt. Das geht so weit, dass wir Arbeitsmaterial teilen und ich gebe mein Bestes, um meinen Beitrag in diesen großartigen Mastermind-Gruppen zu leisten und eben auch großzügig zu teilen. Klar sind wir irgendwie alle Konkurrenten. Klar könnte man das so sehen! Allerdings bin ich nur so erfolgreich geworden, wie ich heute bin, weil ich jeden anderen Trainer oder Coach vor allem als Kollegen gesehen habe und sehe. Ich habe immer unterstützt und ich bin heute da, wo ich bin, weil auch ich immer unterstützt wurde. Und so reite ich weiter auf meiner coolen Welle durch diesen unübersichtlichen, schnelllebigen und chaotischen Ozean der sogenannten New Work und bin dabei wirklich tiefenentspannt. Ich muss nämlich keine Angst haben etwas zu verpassen oder zu übersehen! Weiß ich doch, dass ich als einzelner Coach ohnehin nicht in der Lage bin, diesen Ozean zu überblicken. Aber gemeinsam mit meinem Netzwerk bekommen wir das hin und “empowern” uns gegenseitig, damit wir auch weiterhin in der Entwicklung und somit eben auch immer auf dem neusten Stand bleiben! Die Idee von Working Out Loud, das gemeinsame Lernen, ist hierbei ein zuverlässiger Leuchtturm, der jedem von uns dabei hilft, die Richtung zu halten, bzw. die Orientierung nicht zu verlieren.
Und was macht der Coach aus “Working Out Loud” -zurück zur Methode…
Da ich natürlich auch im Rahmen meines Blogs gerne teile, möchte ich euch zum Ende hin noch flott verraten, warum ich heute ausgerechnet über Working Out Loud schreibe. Ich verkünde ja immer wieder, dass ich in meinen Artikeln am Wochenende das zusammenfasse, was mich in meiner Arbeitswoche beschäftigt hat. In der letzten Woche hat mich das Thema Führungskräfte beschäftigt. Konkret ging es darum, Führungskräfte zu stärken und ihnen in dem Chaos, unserer dynamischen, komplexen und unübersichtlichen Arbeitswelt einen Fixpunkt zu geben, damit sie wiederum diese Sicherheit an ihre Mitarbeitenden weitergeben können. Mir geht es schon seit Langem nicht mehr nur darum, Führungskräfte zu entwickeln oder zu coachen (was auch immer das jetzt genau bedeuten soll). Vielmehr ist es meine Idee Führungskräfte in Führungsteams, bzw. Teams aus Führungskräften zu formieren, damit sie sich gegenseitig die Unterstützung und die Sicherheit geben können, die es braucht, um das Schiff sicher durch den alltäglichen Sturm zu steuern. Meine Idee ist es, Führungskräfte in Working Out Loud Circles zusammenzufassen, damit sie so zwölf Wochen lang mit einer Stunde Zeitinvest pro Woche in den Austausch und die Entwicklung als Team aus Führungskräften kommen und dabei auch gleichzeitig an ihrer ganz individuellen Sichtbarkeit und Kommunikation arbeiten. Mal schauen, ob das funktioniert. Auch in agile Strukturen erleben ich es auf Führungsebenen immer wieder, dass Wissen eben doch als Macht gesehen wird, besonders wenn einem alle anderen Machtsymbole durch eine agile Transformation genommen wurden, oder weil man völlig berechtigt vor allem auch an die eigene berufliche Weiterentwicklung denkt und glaubt sich gegen andere durchsetzen zu müssen. Die Krux ist jedoch leider, dass man es einfach nicht alleine schafft, sich durchzusetzen. - Nicht in diesem dynamischen und komplexen Umfeld, in dem wir uns inzwischen bewegen und das wir alleine beim besten Willen nicht überblicken können. Ja, Wissen ist Macht, aber nur wenn wir es teilen! Deshalb wollte ich meinen Ansatz übrigens auch “Leading Out Loud” (LOL) nennen! Ich dachte, ich hätte endlich das Konzept, das mir Ruhm und Ehre verschafft… Dachte ich! Es gibt aber schon so etwas Ähnliches! -Weiß ich dank des World Wide Webs und weil Menschen dort eben alles teilen! Mist, mal wieder zu spät!
Keine Ahnung, ob ich das mit dem “Working/Leading Out Loud Circle” umsetzen werde, bzw. ob die betreffenden Führungskräfte mitmachen! Und ich verrate euch noch ein Geheimnis: ich hab das mit dem Circle noch nie als Coach durchgezogen! Ich kenne die Theorie. Die Praxis ist mir noch fremd! Jedoch habe ich auch hierfür jemanden in meinem Netzwerk gefunden, der mir weiterhelfen kann! Natürlich könnte Heike ihre Erfahrungen mit dem Circle für sich behalten, um sich im Wettbewerb mit mir einen Vorteil zu verschaffen. Macht sie aber nicht, weil wir am Ende doch gar nicht im Wettbewerb sind und sie vielleicht ja auch davon profitieren kann, wie ich das Grundprinzip weiterentwickle, bzw. anpasse! Ich freue mich auf jeden Fall auf den Austausch und darauf von Heike zu lernen und zu gegebener Zeit meine Neuerungen mit ihr zu teilen! Ein Hoch auf die Agilität, also das agile Mindset, nicht die Methoden… Ihr wisst schon…
Teilt und lernt! Seid laut dabei! Und habt einen schönen Sonntag!
Eure Constance