Metaprogramme - die Filtermatrix unserer Wahrnehmung
Denn in Kategorien zu denken bringt Ordnung ins Leben
Die Idee menschliches Verhalten und die menschliche Art zu denken in Kategorien zu ordnen ist gefühlt so alt wie die Menschheit selbst. Schon vor sehr langer Zeit begann man die Menschen den vier Elementen Erde, Luft, Wasser und Feuer zuzuordnen. Der gute alte Hippokrates teilte die Menschen nach ihren Körpersäften ein und nannte sie Choleriker, Phlegmatiker, Melancholiker und Sanguiniker. Ich als Coach bediene mich in der Arbeit mit Teams gerne der Riemann-Thomann-Matrix (hier der Link zu einem Artikel für alle die, die dazu gerne mehr wissen möchten) und bitte meiner Teilnehmer sich selbst danach einzuordnen, ob sie eher ein Nähe- oder Distanztyp sind und eher auf Dauer und Beständigkeit oder Wechsel ausgerichtet sind. Personalabteilung arbeiten mit Myers-Briggs-Typenindikator oder organisieren ihre Mitarbeiter mit Hilfe der vier Farben resultierend aus dem LIFO-Schema. Ordnung muss eben sein!
Der Schweizer Psychiater und Psychologe Carl Gustav Jung hat 1921 seine “Psychologischen Typen” veröffentlicht und hat damit Menschen erstmals nach ihren Wahrnehmungsfiltern “sortiert”. Zentral für seine Arbeit waren zwei potenzielle Einstellungen zur Umwelt, die Jung als introvertierten und extrovertierten Typus bezeichnete. Neben diesen beiden Einstellungstypen unterschied Jung weiterhin in vier Funktionstypen: Denken, Fühlen, Empfinden und Intuieren, also etwas ahnend erfassen. So war der Grundstein gelegt und Generationen von Psychologen und Coaches haben an dieser Idee weitergearbeitet.
Was sind denn nun diese Wahrnehmungsfilter oder Metaprogramme?
Stell dir vor du erzählst in trauter Runde von deinem letzten Urlaub. Du schwärmst von den weißen Sandstränden, dem Rauschen des Meeres, den exotischen Gerüchen des opulenten Essens und der Musik, die allgegenwärtig war und die Menschen hat tanzen lassen. Während du berichtest, merkst du, dass deine Zuhörer ganz unterschiedlich reagieren. Die einen kleben an deinen Lippen und scheinen deinen Urlaub in Gedanken mitzuerleben, einer lacht, der andere stellt interessiert Rückfragen, ein wieder anderer schmunzelt und der ein oder andere schaut gelangweilt in die Ferne, vereinzelt wird sogar gegähnt.
Man könnte den Eindruck gewinnen, jeder deiner Zuhörer erlebt seine ganz eigene Geschichte. Und genauso ist es! Jeder einzelne Zuhörer hat basierend auf seiner Lebensgeschichte, seiner Prägung, seiner Erfahrungen und auf Grund seiner ganz eignen Interessenschwerpunkte auch ganz individuelle Wahrnehmungsfilter oder Metaprogramme aktiviert, die seine ganz eigene Art der Informationsaufnahme prägen. Jeder entwickelt seine eigene Vorstellung oder Geschichte.
So sind unsere ganz individuellen Metaprogramme Steuerprogramme unserer Persönlichkeit. Sie sind unbewusste Filter, die unsere ganz individuelle Wahrnehmung der Umwelt beeinflussen, vielleicht sogar bestimmen. Auf diese Weise werden unsere Metaprogramme zu einer unbewussten und unbekannten Macht, die unsere Verhaltensweisen bestimmen und festlegen, wie wir uns in kritischen Situationen fühlen, was wir denken und wie wir reagieren.
Metaprogramme coachen?
Für mich als Coach sind Metaprogramme aus zwei Gründen interessant: Zum einen, weil die Kenntnis der eigenen Metaprogramme meinen Kunden dabei helfen kann, Erklärungen für ihr bisheriges Verhalten zu finden, für Glaubenssätze und Werte, sowie für deren Umgang mit anderen Menschen. Zum anderen sind diese Metaprogramme keineswegs in Stein gemeißelt, sondern vielmehr einerseits kontext- und personenspezifisch. Ich bin mir sehr sicher, dass auch du nicht immer und bei jedem exakt gleich reagierst! Andererseits sind Metaprogramme tatsächlich sogar veränderbar oder kontextspezifisch anpassbar. Sie bieten eine tolle Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln, sein Handlungsrepertoire zu erweitern und vielseitiger zu werden.
Klassischerweise treten Metaprogramme immer in Gegensatzpaaren auf, wie zwei Seiten einer Medaille. Dabei sind beiden Seiten gleichermaßen hilfreich wie hinderlich. Es gibt in keiner dieser Paarungen die eine gute und die andere schlechte Seite. Das Einzige, was an Metaprogrammen problematisch sein könnte, ist, dass ich immer nur eines haben kann und mir damit immer 50 Prozent “Gutes” fehlt. Aus diesem Grund ist kognitive Diversität in Teams auch so hilfreich. Es brauch immer beide Seiten, um wirklich erfolgreich agieren zu können.
Erbsenzähler oder großzügiger Freidenker?
In einem meiner Workshops in der vergangenen Woche hat ein Teilnehmer sich als wichtigste Lesson Learned mitgenommen, dass er keineswegs alle detailversessenen, sehr genauen Kollegen, die ihm mit ihrem untrüglichen Blick für winzigste Bestandteile gelegentlich das Leben ein wenig schwerer machten, davon überzeugen sollte, ihren Blick zukünftig doch auch mehr auf das große Ganze zu richten. Vielmehr sollte er diese Detailversessenheit als Ressource betrachten, weil er sie in dieser Form nicht habe, sie jedoch auch für ihn hilfreich sein könnte.
Da hüpft das Trainerherz! -Besonders, wenn es bereits den ganzen Tag darum ging, das “Andere” nicht als potenzielle Bedrohung, sondern als Ressource und Chance zu sehen! Treffer versenkt!
Das Metaprogramm, das den Erbsenzähler vom abgehobenen Generalisten unterscheidet, nennt sich “Chunk-Größe”. Die beiden Filter, die sich hier gegenüberstehen, sind der Global- und der Spezifisch-Filter. -Beide gleichermaßen wertvoll!
Menschen mit einem Global-Filter sind auf das große Ganze, den Überblick fokussiert und filtern störende Details gerne raus, damit sie sich diesen Überblick überhaupt verschaffen können. Dadurch erkennen sie systemische Zusammenhänge ausgezeichnet, hinterfragen die höhere Bedeutung und die größeren Zusammenhänge und sind in der Lage, die Welt aus der Vogelperspektive zu betrachten. Natürlich bedeutet diese Vogelperspektive immer auch Distanz, die es jedoch auch ist, die den Überblick bei komplexen Sachverhalten schafft. Befreit von der schweren Last zu vieler Details entstehen Visionen, Kreativität und Phantasie. So werden zum Beispiel größere mathematische Probleme gelöst, oder Sinnfragen beantwortet. Menschen mit diesem Filter denken über globale Zusammenhänge nach, sie schwelgen in Ideen und sehen den Wald in seiner Ganzheit, denn die vielen einzelnen Bäume wäre für sie nur störend. Geraten sie einmal in eine Sackgasse, hilft ihnen ihr Filter dabei, Abstand zu gewinnen, die größere Bedeutung zu entdecken und sich dadurch eine neue Orientierung zu schaffen.
Großartig, oder? So freuen sich all jene, die sich darin wiederfinden und denken, sie hätten den Stein der Weisen gefunden… Visionen, Kreativität, Phantasie, Überblick, Sinnfragen beantworten… Wow! Allerdings gibt es ja noch diese andere Seite, quasi das Gegenprogramm, dass ebenso wertvoll ist.
Menschen mit den Spezifisch-Filter sind ausgesprochen detailorientiert, bevorzugen kleine, genaue und transparente Informationseinheiten und lassen sich auch von der vierten Stelle hinter dem Komma nicht irritieren. Diese Menschen stellen sehr präzise Frage und interessieren sich ganz genau für die Antworten. Flüchtigkeitsfehler kommen bei ihnen nicht vor. Genauigkeit ist ihre Motivation und sie sind die Idealbesetzung im Qualitätsmanagement und unfassbar gute Korrektoren. Menschen mit dem bevorzugten Spezifisch-Filter gehen gerne induktiv vor. Sicher und geduldig, fügen ein Puzzle-Teil nach dem anderen hinzu, erkennen dabei Verbindungen und erschließen sich detaillierte Sachverhalte, die sie sogar rekonstruieren können. Menschen mit diesem Filter arbeiten gerne nach klaren Vorgaben. Sie sind dabei korrekt und absolut verlässlich und fest auf dem Boden der Tatsachen verankert.
Als Mensch, der zweifelsohne die Welt global filtert, stelle ich fest, dass meine Welt sich ohne Menschen, die den Mut, die Ausdauer oder die Geduld haben, tief in die Details einzusteigen, nie und nimmer weiterdrehen würde. Ohne sie wäre ich wahrscheinlich ziemlich verloren. Ich brauche sie, damit sie das in Perfektion erledigen, worin ich einfach nicht gut bin. Deshalb werde ich einen Teufel tun, alle Menschen von meinem Global-Filter überzeugen zu wollen. -Auch wenn das manchmal ganz schön schwerfällt. Denn nicht das, was so ist, wie ich selbst bin, ist die Bereicherung. Es ist die Andersartigkeit, die mich reicher macht. Diese Erkenntnis hatte auch mein Workshop-Teilnehmer und als er das so berichtete, dachte ich mir, dass ich ihm damit wohl das wertvollste vermittelt habe, was ein Coach in diesen wilden Zeiten vermitteln kann.
Diversity und alles ist bunt…
Diversity scheint eines der absoluten Hype-Themen unserer Zeit zu sein. Aber was ist Diversität und wo geht sie los? Für mich beginnt sie auf kognitiver Ebene. Diese kognitive Diversität ist das größte Geschenk, aber auch die größte Herausforderung für uns Menschen, denn wir müssen unseren Weg raus aus den Höhlen finden, in denen wir uns durch Andersartigkeit jedweder Art vor allem bedroht gefühlt haben. Blutige Kriege wurden und werden deshalb geführt und manchmal fühle ich mich so hilflos und machtlos in dieser aus den Fugen geratenen Welt. Was mir halt gibt, ist mein Purpose, die Welt verändern zu wollen. Und diese Veränderung beginnt bei der Erkenntnis, dass es nicht darum geht, gleich zu sein, sondern das “Andere” als Geschenk und Ressource zu sehen. Die Bedrohung ist nur in meinem Kopf, in meiner Bewertung des “Anderen”.
Vielleicht hilft dir das Wissen um die Metaprogramme im Allgemeinen und die Chunk-Größe im speziellen ein klein wenig dabei, den abgehobenen Träumer oder den nervigen Erbsen-Innenlackierer als Geschenk zu betrachten. Und wenn Du dieses Thema so spannend findest, dass Du gerne noch weitere Metaprogramme kennenlernen möchtest, lass es mich gerne wissen.
Ich wünsche Dir einen wunderschönen Sonntag.
Deine Constance