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Der Mechaniker und die Harvard Professorin

To be continued…

Ich plane nicht, dass die einzelnen Beiträge meines Blogs in irgendeiner Form aufeinander aufbauen. Vielmehr soll jeder einzelne Beitrag für sich ein kleiner Appetithappen sein, der Lust macht, ein wenig nachzudenken. Heute ist das etwas anders, denn ich möchte heute gerne nochmal auf unseren Automechaniker vom letzten Mal zurückkommen. Der Mechaniker, der dem Chef nicht gesagt hat, dass er keinen passenden Schlüssel hat um das Rad zu wechseln, das Rad aber trotzdem irgendwie gewechselt hat.

“Doof!” denkt sich der geneigte Leser und denke ich mir eigentlich auch. Von außen betrachtet wirken manche Fehler so glasklar, dass man leicht zu der Arroganz gelangen kann, dass einem selbst das so niemals passiert wäre. Vor allem, weil es von außen betrachtet ja auch kein großes Ding war: “Hey, Chef, ich kann das Rad so nicht wechseln. Mir fehlt der passende Schlüssel, um alles richtig fest zu ziehen.”

Selbstreflexion für Einsteiger

An dieser Stelle ist es Zeit für uns, ein wenig in uns zu gehen und für einen kurzen Moment ernsthaft darüber nachzudenken, ob es auch in unserer beruflichen Laufbahn Situationen gab, in denen wir eigentlich hätten etwas sagen sollen, es aber nicht getan haben. Je länger man nachdenkt, desto mehr dieser Situationen schießen einen durch den Kopf. Keine Sorge, das ist normal. Ihr seid normal funktionierende Menschen und keineswegs das, was man gerne als unprofessionell bezeichnet. Auf dieses Wort bin ich ohnehin einigermaßen allergisch, weil es das nicht gibt. Es gibt nur menschlich und es ist menschlich seinen Mund zu halten. Die Gründe dafür sind so vielfältig wie es unsere bunte Welt ist. Sagt ihr mir, warum ihr den Mund gehalten habt. Ich habe es getan, weil ich nicht auffallen wollte, Angst vor einem Konflikt hatte, Angst davor, ein Außenseiter zu sein, Sorgen vor möglichen disziplinarischen Konsequenzen, Angst davor, zuzugeben, dass ich offensichtlich die Einzige im Team war, die mit etwas nicht klar kommt und so weiter und so fort. Überhaupt spielen Ängste und Sorgen beim Mund halten offensichtlich eine große Rolle.

Nun wissen wir nicht nur durch die von mir bereits erwähnte Harvard Professorin Amy C. Edmondson, dass das Lernen aus Fehlern eine absolute Basis für den Erfolg von Gruppen, Teams oder ganzen Unternehmen darstellt. Amy schreibt, dass erfolgreiche High Performance nur in sogenannten Lernenden Organisationen möglich ist. Wie aber soll die Organisation lernen, wenn alle Angst davor haben, Probleme anzusprechen oder Fehler zuzugeben.

Halbgötter in weiß

Einen Teil ihrer Forschung hat Amy C. Edmondson in Krankenhäusern betrieben. Interessanterweise stellte sich dabei heraus, dass diejenigen Krankenhäuser, die von sich selbst sagten, dass es häufig zu Fehlern käme, insgesamt erfolgreicher waren (und hier wurde nicht der wirtschaftlich Erfolg gemessen, sondern Sterblichkeitsraten, Kunstfehler, etc.), als diejenigen Krankenhäuser, die behaupteten, bei ihnen würden -wenn überhaupt- nur selten Fehler gemacht. Spätestens hier dämmerte es Amy sicher: Fehler müssen etwas ziemlich gutes sein. Fehler retten Leben! Zugegebenermaßen, eine gewagte These. Es folgt die Einschränkung: Fehler retten Leben, wenn sie aufgearbeitet werden und dazu genutzt werden, Leistung und Prozesse zu optimieren.

Das Problem ist, dass viele unserer Fehler erstmal keine wahrnehmbaren Konsequenzen nach sich ziehen und deshalb bietet es sich geradezu an, diese unter den Teppich zu kehren, getreu dem Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch immer jot jejange! Die Gefahr ist hierbei immer, dass sich irgendwann zu viele kleine Fehler summieren, eine Fehlerkette entsteht und es den großen Schlag tut.

Zurück in die KFZ-Werkstatt

Die Frage, die sich hier unweigerlich stellt, ist, wie es gelingt, Menschen dazu zu bringen, Fehler aus freien Stücken zuzugeben und zu beleuchten. In der Praxis müssten wir uns fragen, was unser Automechaniker gebraucht hätte, um zu seinem Chef zu gehen und entweder schon vorher zu sagen, dass er die Aufgaben nicht erledigen kann, weil…, oder danach zum Chef zu gehen und zu sagen, dass er Mist gebaut habe. So hätte der Chef vielleicht den Kunden noch warnen können, eh der Unfall passiert wäre. Außerdem hätte er mit einer kleinen Investition seine Werkstatt retten können. Hierzu hat Amy eine ganz revolutionäre Idee (die eigentlich jedem von uns ebenso hätte einfallen können)! Wenn Angst uns davon abhält, den Mund aufzumachen, brauchen wir Sicherheit, die ein Gegengewicht zu unseren Ängsten darstellt. Sie nennt diese Sicherheit neuhochdeutsch Psychological Safety.

Wann immer ich im Rahmen meiner Workshops oder Vorträge auf dieses Thema zu sprechen komme, gibt es im ersten Schritt große Zustimmung. Psychological Safety ist super wichtig und alle möchten sie haben. Da man diese Sicherheit aber nicht auf dem Silbertablett serviert bekommt und ich auch leider noch keinen Weg gefunden habe, sie in Geschenkboxen zu verkaufen, entbrennt im zweiten Schritt für gewöhnlich eine sehr lebhafte Diskussion darüber, wer denn nun für diese Sicherheit verantwortlich sei. Ihr dürft gerne kurz selbst darüber nachdenken, eh ihr weiter lest.

Ich gebe unumwunden zu, dass Führungskräften auch aufgrund ihrer Vorbildfunktion diesbezüglich eine besondere Rolle zuteil wird, aber spätestens wenn wir feststellen, dass auch Führungskräfte nur Menschen sind (ich weiß, das kommt für einige überraschend), die ebenso ein Sicherheitsbedürfnis haben und wir uns fragen, wer denn den Führungskräften Sicherheit gibt, merken wir relativ schnell, dass die Katze sich irgendwie in den Schwanz beißt. Am Ende sind wir alle für diese ominöse Psychological Safety verantwortlich. Alles in allem handelt es sich hier um ein unternehmenskulturelles Thema. Und wenn ich von Unternehmenskultur spreche, meine ich keineswegs diese schicken bunten Codes of Conduct, die alle Unternehmen in irgendeiner Form ausgearbeitet und den Mitarbeitern zum auswendig lernen übergeben haben. Ich meine das, was gelebt wird, jeden Tag, Hierarchien übergreifend. Hinterfragt Euch doch einfach mal, wie ihr mit euren Kollegen und Schnittstellen umgeht. Gebt ihr den Leute um Euch Sicherheit? Seid ihr nahbar genug, dass Kollegen euch auch jederzeit mit einem ihnen unangenehmen Thema ansprechen würden? Fühlt doch auch mal in euch rein, ob es jemanden in eurem beruflichen Umfeld gibt, der euch ein ganz besonderes Sicherheitsgefühl gibt. Woran liegt das? Kann ich mir davon vielleicht sogar etwas abschauen?

Wenn wir ein besonders hohes Leistungsniveau erreichen möchten, ist die Psychological Safety eine der beiden großen Grundvoraussetzungen. Die zweite möchte ich an dieser Stelle nur am Rande erwähnen. Denn wenn ich mich nur sicher fühle, schaffe ich es allenfalls in meine Komfortzone. Da ist es zwar ganz nett, auf Dauer aber auch todlangweilig. Innovation findet hier nicht statt. Um in die Weiterentwicklung zu gehen, brauche ich auch jemanden der mich fordert und mich sanft und behutsam aus meiner Komfortzone lockt. Ich verspreche, dass es dazu sicher auch noch einen Beitrag geben wird. Bis dahin kann ich euch nur ermuntern, an der Psychological Safety in euren Arbeitsumfeld zu arbeiten. Denn für heute soll es das gewesen sein.

Vielen Dank fürs durchhalten bis zum Schluss. Bleibt gesund!

Constance

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